20. Jahrgang | Nummer 25 | 4. Dezember 2017

Luftige Violinen und lässiger Hip Hop

von Thomas Behlert

Wo noch Weihnachten drauf steht, ist mittlerweile Konsumterror drin. An allen Ecken und in jedem Supermarkt bietet man den allerneuesten „Scheiß“ an, der gerade unter deinem Weihnachtsbaum zum Liegen kommen muss. Wie ist das nun mit der Musik, mit den neuen Alben alter Künstler oder mit den ersten Takten junger Musiker, die in irgendwelchen Shows verzweifelt „ihr Bestes“ gegeben haben? Lassen wir das mal schön beiseite und konzentrieren uns nur auf ältere Künstler, die seit ewigen Zeiten gutes Zeug abliefern und es nun wieder versuchen. Da wäre Elton John, der seit 50 Jahren im schnelllebigen Musikgeschäft mitmischt und immer noch Überraschungen und Hits abliefert. O. k., diesmal ist ihm nichts Neues eingefallen. Gemeinsam mit seinem Songwritingpartner Bernie Taupin schuf John Lieder, die man mit trällern kann, die bei allen Gelegenheiten (Tod, Hochzeit, Party et cetera) eingesetzt werden können, die optimal auch ins Weichspülradio passen. Nun gibt es als Doppel-CD und als 180 g schweres Vinyl „Diamonds“ (Universal) mit 34 Hits, vom unsäglichen „Candle in the Wind“ bis hin zu den lustigen und tanzbaren „Rocket Man“ und „Crocodile Rock“.
Auch Seal, der Vater von Quietsch-Heidi Klums Kindern, präsentiert eine neue Langrille mit Liedern, die man kennt und allerdings lieber in Original hören sollte. Bekannt geworden ist Seal mit dem selbstgeschriebenen Song „Crazy“ und Adamskis „Killer“, die ihm mehrere Grammys und schnell wieder vergessene Auszeichnungen einbrachten. Mit „Standards“ (Decca/Virgin) möchte sich Seal vor Musikern verneigen, die ihn inspirierten und an die er noch lange nicht heranreicht. Frank Sinatra, Ella Fitzgerald, Nina Simone und Duke Ellington sind nun zu souligen Seal-Stücken verarbeitet worden. Damit der Hörer gleich weiß, wann er die Lieder anzuhören hat, wurden noch schnell drei Weihnachtsklassiker interpretiert. Alle dürfen nun wonneproppig summen: „Let It Snow! Let It Snow! Let It Snow!”. Wenn aber eine Band nicht mehr existiert und die Plattenfirma trotzdem an dieser noch einige Dollars verdienen möchte, dann veröffentlicht sie das beste Album in einer längeren Version, mit vielen Extras und bisher unveröffentlichtem Material. Geschehen ist das mit dem Moody Blues Album „Days of Future Passed“ (Universal). 50 Jahre hat das Werk auf dem krummen Buckel und ist noch kein bisschen altersschwach geworden. Ob nun all die Live-Mitschnitte, der komplette Stereomix von 1972 und die eher lauen Bonustracks nötig waren, sei dahin gestellt, aber für den absoluten Fan unabdingbar, wenn er denn noch lebt. Hörenswert sind unbedingt die sieben Songs, die die Karriere von Moody Blues anschoben und als Meilensteine der psychedelischen Musikgeschichte gelten dürfen. Wer kennt sie nicht, die durch das London Festival Orchestra noch verfeinerten Hits „Tuesday Afternoon“ und „Nights in White“, das mit seinem Gitarrengeschrammel den Progressive Rock einläutete.
Es gibt aber auch Rockformationen, die sich einige neue Songs einfallen lassen und mit denen dann hausieren gehen. Zu denen gehört das Familienunternehmen The Corrs von der grünen Insel Irland. Vor zwei Jahren konnten sie mit dem Werk „White Light“ ein großartiges Comeback feiern, denn nach ihrem Durchbruch vor zwanzig Jahren mit „Talk on Corners“ hatten nur noch Wenige The Corrs auf dem Zettel. Gemeinsam mit der Legende T-Bone Burnett erschufen sie „Jupiter Calling“ (Warner), ein warmherziges Album voller Magie, politischen Momenten, feinem Folkrock und schönen Kompositionen. Hier die luftige Violine, dort Sharon mit einer aufregenden Stimme und schließlich an der richtigen Stelle flotter Instrumenteneinsatz und das den Rhythmus vorgebende Schlagzeug, ordentlich bearbeitet von Caroline. Leider sind die dreizehn Songs nicht gleichbleibend gut, wie das aufrüttelnde „SOS – The Song of Syria“ oder das magische „Son of Solomon“. Manchmal tritt Langeweile auf, die zum Äuglein schließen verleitet. Wobei man dann von drei wunderschönen Corrs-Mädels träumen kann. Zum guten Schluss noch ein geniales Album, das alte Knochen zum Brechen bringt und junge Muskeln auf die Tanzfläche zieht. Bootsy Collins, der Genius der Funkateers, schuf mit „World Wide Funk“ (Mascot Records) ein Monster, das allen Poprockern den Stinkefinger zeigt. Collins, der unter anderem mit James Brown und George Clinton zusammenarbeitete, lässt seinen sternenförmigen Space Bass aufheulen, integriert ganz lässig Hip Hop, bringt natürlich wieder sexuelle Zweideutigkeiten an den (die) Mann/Frau und verbindet handfesten Rock mit knalligem Groove. Tja, und was sagt Bootsy Collins selbst dazu? „Ich habe mich nie darum geschert, was andere über mich und meine Musik denken. So lange Du Dich gut und sexy fühlst, ist alles in Ordnung.“ Nun denn, lasst uns schweigen.