Xi Jinping, mächtigster Mann Chinas – Vor dem 19. Kongress Ihrer Partei, der Kommunistischen Partei Chinas, stellte das Zentrale Forschungsinstitut für Dokumente des Zentralkomitees der KPCh ein Buch mit 326 ausgewählten Zitaten aus Ihren Reden, Äußerungen und Berichten zusammen. Wer fühlte sich da nicht an die als „Mao-Bibel“ bekannt gewordene Sammlung von Zitaten eines Ihrer Vorgänger erinnert? Offiziell als „Kern der Partei“ bezeichnet, gelten Sie inzwischen denn auch als „Mao Zedong des 21. Jahrhunderts“. Soweit es Ihnen um die soziale Stabilität Chinas etwa durch die Verringerung von Einkommensunterschieden und die Stärkung des Sozialversicherungssystems geht, ist Ihnen Erfolg zu wünschen. Maos Politik hatte indes bekanntlich auch Wirkungen, an die sich ältere Chinesen nur mit Schaudern erinnern dürften …
Donald Trump, wenn auch nicht einziger In-Frage-Kommender – Sie sollten froh darüber sein, nicht der deutschen Gerichtsbarkeit zu unterliegen. Immerhin müssten Sie dann damit rechnen, § 211 II Gruppe 2 Var. 3 StGB auf sich angewendet zu sehen, der von Gemeingefährlichkeit handelt. Demzufolge ist Gemeingefährlichkeit „ein Tatmittel, dessen Wirkungsweise der Täter im Einzelfall nicht sicher zu beherrschen vermag und das eine Gefahr für eine unbestimmte Anzahl von Personen mit sich bringt.“ Diesen Tatbestand erfüllen Sie derart locker, dass Ihnen Sicherheitsverwahrung absolut sicher wäre. Aber ach …
Karl-Theodor zu Guttenberg, Dampfplauderer und Dissertationsfälscher mit taktischem Verhältnis zur Wahrheit – Ihre öffentlichen Auftritte und politischen Stellungnahmen vor der Bundestagswahl – vor allem im Süden des Landes, wo sie teils frenetisch empfangen wurden, und bei Anne Will in der ARD – legen die Befürchtung nahe, dass Ihr Comeback in die hiesige Politik mehr als ein schlimmes Gerücht sein könnte. BILD fantasierte gar von einer möglichen Anwartschaft fürs Kanzleramt „spätestens für die Zeit ab 2021“. Da ist die Frage eines Hamburger Nachrichtenmagazins nicht ganz unberechtigt: „Wer kommt da eigentlich zurück?“ Beobachtet hat das Magazin: „Einem Zuhörer, der die vergangenen sechs Jahre im Koma verbracht hat, würde vor allem auffallen, dass Guttenberg die Haare nicht mehr zurückgelt und einen Bart trägt. Er sagt jetzt ‚Westcoast‘, wenn er die amerikanische Westküste meint. Ansonsten ist es wie früher. […] Die Erkenntnisse sind […] eher banal […]. Geblieben ist auch die Neigung, einfache Sachverhalte in sprachlichen Bombast zu verpacken.“ Wer Sie erneut für ein politisches Amt aufstellt und wählt, sollte also wissen: Er bekäme wieder nur einen Potjomkin-Verschnitt.
Christian Lindner, FDP-Chef und möglicher künftiger Jamaikaner – Nicht aus Kreisen Ihrer Partei stammt das Lamento „Es ist unfair, Politiker an ihren Wahlversprechen zu messen.“ Dennoch drängt es sich auf: Vor der Bundestagswahl gaben Sie in einem Interview unter dem denkwürdigen Titel „Ich glaube nicht mehr an Jamaika“ auf den Hinweis, die Kanzlerin habe Ihre Position zur Krim kritisiert und an den Umgang des Westens mit der DDR erinnert, zu Protokoll: „Dieser Vergleich hat mich irritiert. Die CDU hat doch die Ostpolitik von Brandt, Scheel und Genscher historisch abgelehnt, die die Einheit erst ermöglicht hat. Mir geht es um eine Rückkehr zu den damaligen Denkweisen der Ostpolitik, die zum Fall des Eisernen Vorhangs geführt haben. Zum einen brauchen wir Dialog. Genscher hat 2015 gemahnt, nicht jedes Gespräch von der Krim abhängig zu machen. Diesen Völkerrechtsbruch kann man nicht akzeptieren, aber bevor dort eine Lösung realistisch ist, werden bei leichteren Konflikten Fortschritte gesucht werden müssen. Vielleicht will Putin ja auch die Sackgasse verlassen.“ Man darf gespannt sein, ob sich Ihre Position im Koalitionsvertrag niederschlagen wird. Falls ja – denken Sie bitte an das Beispiel Guido Westerwelles, der 2009 im Koalitionsvertrag als Zielstellung durchgesetzt hatte, dass die letzten Kernwaffen der USA aus Deutschland abgezogen werden. Wenig später – natürlich off the records – ließ die Kanzlerin dies gegenüber USA-Vertretern mit Hinweis auf ihre eigenen Absichten dementieren …
Internationaler Währungsfonds (IWF), besinnlicher – Ihnen geht nicht der Ruf voraus, sich zuvorderst um soziale Belange zu kümmern, wenn es darum geht, Geld zu vermehren. Aber wie es so ist, auch für Sie gilt: Wo Sie recht haben, haben Sie recht. Und so sei Ihre jüngste Einsicht in Bezug auf die unkontrolliert wachsenden Einkommensunterschiede in den wohlhabenden Staaten des Abendlandes zitiert, die – besagt: „Exzessive Ungleichheit kann den sozialen Zusammenhalt aushöhlen, zu politischer Polarisierung führen und letztlich das Wachstum senken.“ Bei aller Vorsicht vor Menetekeln der Linken: Treffender können die auch nicht charakterisieren, was wir um uns herum erleben.
Samuel Koch, Klarblickender – Seit einem Unfall querschnittsgelähmt und also pflegebedürftig, haben Sie sich kürzlich im Fernsehen zum beschämenden Pflegezu- oder -notstand in unserem Land mit einem Satz geäußert, der in seiner Kürze nahezu beispielhaft den Kern dieses Problems fixiert: „Die Arbeit am Menschen müsste besser bezahlt werden als die Arbeit am PC oder der Maschine.“ Dem ließe sich als Vorschlag hinzufügen, dass man das dafür ja leider nicht aufzutreibende Geld zum Beispiel einem Fonds entnehmen könnte, der aus einem gesetzlich auferlegten Notopfer von Menschen mit einem Jahreseinkommen von (etwa) einer halben Million Euro (verdient unter anderem durch Rechen- oder andere Maschinen) gespeist würde. Wetten, dass auch dieses soziale Problem in den Gehörgängen Jamaikas versickern wird?
Pauline Schäfer, Weltmeisterin am Schwebebalken – Glückwunsch zum WM-Titel, den Sie jüngst in Kanada erturnten. Das Qualitätsmedium Stern erklärte Sie flugs zur Gewinnerin des „ersten WM-Titels für eine Athletin des Deutschen Turner-Bunds überhaupt“. Das war nicht einmal gelogen. Die elf anderen deutschen WM-Titel wurden schließlich von Sportlerinnen des Deutschen Turnverbands der DDR (DTV) errungen. Man muss also nicht lügen, wenn man die Wahrheit nicht aussprechen will. Wir hoffen ungeachtet dessen, dass Ihnen die Namen Ihrer Vorgängerinnen Erika Zuchold, Karin Janz, Annelore Zinke, Maxi Gnauck, Gabriele Fähnrich und Dörte Thümmler nicht ganz fremd sind.
Harald Martenstein, hoffentlich nicht die Kassandra unter den Auguren – Sie haben die Scheußlichkeiten unserer Tage fest im Blick und ließen uns unlängst daran teilhaben: „Wenn man wissen will, was die Zukunft bringt, hat man als Deutscher einen leichten Standortvorteil gegenüber den, sagen wir, Russen oder den Chinesen. Man muss einfach nur die USA und Skandinavien beobachten. Vieles, was in den USA oder in Schweden passiert, ist ja in den vergangenen Jahrzehnten, zeitversetzt, auch nach Deutschland gekommen. Deshalb fand ich einen Zeitungsartikel interessant, in dem es um Aufklärungssendungen im skandinavischen Fernsehen ging. In Norwegen, und zwar im öffentlich-rechtlichen NRK, sind ab November echte Paare beim echten Sex zu sehen. Es handelt sich um eine Sendung für Jugendliche, die Akteure werden mit Zeitungsanzeigen gesucht, sie sollen zwischen 18 und 35 sein. Im norwegischen Kinderprogramm läuft eine Sendung mit Tipps, wie man masturbiert. In Schweden zeigten sie im Kinderprogramm tanzende Genitalien, der Song heißt Snoppen och Snippa, was offenbar „Penis und Vagina“ bedeutet. Ich weiß jetzt also ungefähr, wie in fünf Jahren die Sendung mit der Maus aussieht.“ Ihr wertendes Diktum hatten wir nicht anders erwartet: „Das sind Sendungen, in denen Erwachsene ihre eigene Coolness feiern, die Kinder sind den Machern scheißegal. Hoffentlich bleibt die Sendung mit der Maus noch eine Weile so, wie sie ist.“ Da sind wir wieder mal ganz bei Ihnen.
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