von Thomas Behlert
Eigentlich wollte ich in diesem Artikel die unscheinbaren Worte „Alte Säcke“ einfließen lassen, denn einige ältere Herren, die man aus dem Musikgeschäft nicht mehr wegdenken kann, sind ins Weihnachtsgeschäft gestartet. Es ist zwar noch nicht einmal Herbstanfang, aber trotzdem gibt es schon Pfefferkuchen auf allen Etagen und eben auch gepresste Musik, die sich mancher unter den Weihnachtsbaum wünschen könnte. Zurück zu den alten Säcken: Ich ließ es dann doch, denn es rutschte mir die neue Madonna-CD dazwischen und da sollten die bösen Worte dann doch nicht verwendet werden. Nennen wir die 1958 in Bay City/Michigan geborene Filmregisseurin, Geschäftsfrau, Wohltäterin und Mutter, den Superstar des Rock’n Roll-Circus „schon länger auf dieser Welt lebende Künstlerin“.
Einstmals im Jahr 2001 ging Madonna zum ersten Mal auf Welttournee und die Karten dazu waren sofort ausverkauft. Nun machte sich die Welt und besonders das Feuilleton seine Gedanken und nannte sie Popgöttin. Es ist so, dass Madonna den unbedingten Willen zum Erfolg besitzt. Dafür arbeitete sie hart und stellte alle anderen weiblichen Stars in den viel zitierten Schatten. Celine Dion und Mariah Carey, die damals ebenfalls immer berühmter werden wollten, kamen vergleichsweise mit einer Ausstrahlung daher, die an ein Kühlhaus erinnerten. Madonna setzte Modetrends und vereinigte bewusst Erotik und Religion im Video „Like A Prayer“, auf die Gefahr hin, dass Kirche und Sponsoren sie verdammten.
Nun ist die reife Dame immer noch sehr berühmt und bringt neues Musikzeugs von ihrer „Rebel Heart Tour“ (Eagle Records) auf den Markt, als Download, Blu-Ray, DVD und Doppel-CD. Songs sind dabei, die nicht nur Fans lauthals mitsingen können, von „Bitch I’m Madonna“ über „True Blue“ bis „Material Girl“. Es gibt unveröffentlichtes Material, verschiedene Show-Aufnahmen aus Melbourne und Sydney. Alles sieht nach einem riesigen Spaß aus, nach totaler Höchstleistung mit genialen Momenten. Insgesamt umfasste die Tour 82 Auftritte mit 1.045.479 Zuschauern. 169,8 Millionen Dollar wurden eingespielt.
Eine große Nummer war auch mal der Beatle Ringo Starr, der nach der Auflösung der größten Band aller Zeiten Solo-Wege beschreitet. Mit seinem 19. Album „Give More Love“ (Universal) beging er seinen 77. Geburtstag. Gut abgehangene Songs, die typisch nach Starr und pulsierendem Rock klingen, lassen die 1960er & 1970er Jahre noch einmal auferstehen. Und damit auch nichts falsch läuft, spielten berühmte Musiker mit, die außerdem an den Liedern mitschrieben. Genannt sollen sein: Paul McCartney, Joe Walsh, Edgar Winter, Steve Lukather, der auch mit auf Tour geht, Glen Ballard und Dave Stewart von den Eurythmics.
Nachdem in diesem Jahr allerlei Beach Boys-Material neu oder wieder erschienen ist, schiebt Brian Wilson, der Genius, der Kopf dieser amerikanischen Strand Combo, eine Solo-Anthologie nach. Auf „Playback“ (Rhino/Warner) gibt es 18 Songs aus 30 Jahren und neun Wilson-Alben. Gesang und einige Töne klingen nach den Beach Boys, also: genial, umwerfend und immer wieder anhörbar. Alles beginnt mit „Love And Mercy“ aus dem 1988er Solo-Debüt, setzt sich mit Songs aus dem Grammy prämierten Werk „Brian Wilson Presents Smile“ fort und endet mit dem unveröffentlichten Song „Run James Run“. Dazwischen erklingen noch die unverwüstlichen Live-Aufnahmen „The First Time“ und „This Isn’t Love“ und „Heroes And Villains“ mit dem zeitlosen Klassiker „Surf’s Up“ vom orchestralen Meisterwerk „Smile“.
Schließlich müssen wir unbedingt noch auf Bootsy Collins’ knarrendes und wild fuchtelndes „World Wide Funk“ (Mascot Records/Rough Trade) hinweisen. Sechs Jahre nach „Tha Funk Capital Oft he World“ wird endlich wieder ein funkiges Monster die Hitparaden der Welt aufmischen. Hier in Deutschland muss Collins den jammernden und kryptisch singenden Popschlagersängern ordentlich den Stinkefinger zeigen und mit dem Bass hämmernd aus der Stadt jagen. Mit einem Sack voller Gäste (wie X-Zact, Chuck D., MC Eiht, Justin Johnson) und den World Wide Funkdrive schuf Bootsy ein Universum bester, lange nicht gehörter, Töne. Groove, Synthesizer-Hochburgen, dunkles Bassgrollen aus den Schlangengruben der Unterwelt, Gitarrengekreische vom Feinsten, Hip Hop und gefühlvoller Pop-RnB („Heaven Yes“), nebst musikalischen Experimenten, die präzise und sehr genau die Schädeldecke nach oben klappen.
Wie sagte doch Bootsy Collins so schön, Bezug nehmend auf die schon lange währende Musik: „So lange Du Dich gut und sexy fühlst, ist alles in Ordnung.“
Schlagwörter: Bootsy Collins, Brian Wilson, Madonna, Ringo Starr, Thomas Behlert