von Hans-Peter Götz
Graf Hermann Ludwig Heinrich von Pückler-Muskau war zwar 1822 in den Fürstenstand erhoben worden, seiner ewig klammen Geldbörse aber brachte dieser gesellschaftliche Aufstieg, um den er lange gebuhlt hatte, mitnichten Linderung. 1845 musste er seine Standesherrschaft Muskau und damit auch sein Geburtshaus, das dortige Schloss, veräußern.
Er besaß jedoch noch ein weiteres, wenn auch kleineres, deutlich unrepräsentativeres in Branitz. Mit Park und Nebengelassen – darunter als Blickfang am Haupteingang zum Innenpark ein zweigeschossiges Gebäude „gemischten oder doch vorherrschend gothischen Styls“, wie es in einem Briefe Pücklers heißt. So äußerlich nobel waren damals Parkwächter und Schmiede untergebracht.
Nach Branitz verlegte Pückler seinen ständigen Wohnort.
Doch er wäre nicht der Mann von Bildung, Kultur und Weltgewandtheit, mit stilsicherem Geschmack sowie mit Talent von hohen Graden zum Antichambrieren gewesen und auch nicht der geschätzte Landschaftsarchitekt , als den ihn seine Zeit kannte und dessen Ruf bis heute nachhallt, hätte er nicht Branitz – wie Muskau – als durchgestyltes Gesamtkunstwerk hinterlassen, als Kleinod, das nach intensiven landschafts- und denkmalpflegerischen Bemühungen speziell seit 2005 heute wieder in alter Pracht den Besucher erfreut.
Die Gattin des späteren preußischen Königs und noch späteren deutsche Kaisers Wilhelms I., Augusta Marie Luise Katharina von Sachsen-Weimar-Eisenach, lernte Pückler – er hatte ihrem Vater in den Befreiungskriegen zeitweise als Adjutant gedient und galt fürderhin als Freund des Hauses – bereits als 14-jährigen Backfisch kennen, woraus sich eine lebenslange Beziehung mit zahlreichen Begegnungen und einer regelmäßigen Korrespondenz ergab. Sie schrieb ihn dabei seit 1853 meist mit „Principe“ (italienisch „Fürst“) an. Da dies zugleich der Titel von Machiavellis Hauptwerk ist, mag dabei auch ein gewisser Hintersinn im Spiel gewesen sein, denn unbedarft und unpolitisch war diese Augusta keineswegs. Im Gegenteil – sie las täglich nicht nur deutsche, sondern auch internationale Zeitungen und stellte für ihren Gatten Briefings zusammen. Der machte allerdings dann doch stets, was er wollte, wie sie gelegentlich klagte.
Nur mit seinen Einladungen nach Branitz hatte Pückler jahrelang kein Glück. Erst 1864 gab ihm Augusta, seit 1861 Königin von Preußen, die Ehre: Am 25. Juli um die Mittagsstunde traf sie – um 7:00 Uhr in aller Herrgottsfrühe von Babelsberg mit der Bahn aufgebrochen und via Berlin zunächst bis Guben gereist – im Kutschwagen bei Pückler ein. Mit ihr ein kleines Gefolge, bestehend aus ihrer Schwester samt deren Gatten, Prinzessin und Prinz Carl von Preußen, zwei Hofdamen, Louise von Oriola und Josephine von Seydewitz, sowie den beiden Adjutanten Heinrich von Puttkammer und Ludwig von Perponcher-Sedlnitzky.
Was Pückler seinen Gästen an Landschaftspark, Architektur und Interieurs vorzuführen in der Lage war, entzückte die Königin vorzüglich; sie schwärmte hernach von den „wahrhaft genialen Ausschmückungen“. Auch dass bei Pückler gediegenes Schlemmen zur täglichen Lebensart gehörte, hat zu einem angenehmen Ambiente beigetragen. Augusta vermerkte an ihren Gatten: „Wir hatten das beste Diner dessen ich mich seit langem erinnern kann beim Fürsten.“
Die Gaumenfreunden im Einzelnen lassen sich in den penible geführten Tafelbüchern Pücklers – es handelt sich um fünf in Saffian-Leder gewandete Folianten mit Goldschnitt, in denen von 1854 an bis zu Pücklers Tod 1871 sämtliche Gäste und Menüs komplett aufgeführt sind – nachlesen. Derzeit in einer Vitrine im Rahmen der im Mai eröffneten Ausstellung „Augusta von Preußen. Die Königin zu Gast in Branitz“.
Gleichwohl – Übernachtung war vonseiten der Gäste nicht vorgesehen. Nach sechs Stunden brach man wieder auf und war nach Wiederankunft in Babelsberg doppelt so lange in Salonwagen und Kutschen unterwegs gewesen, als man beim Fürsten geweilt hatte.
Und diese, heute würde man sagen Stippvisite, trägt eine ganze Ausstellung? Durchaus, wenn man nicht zu eng an das eigentliche Sujet herangeht. Schließlich bietet Pücklers Leben auch als Globetrotter sowie Reise- und Bestsellerschriftsteller (Pseudonym: „Semilasso“, zu Deutsch „der Verstorbene) viel zum Erzählen. Nicht zuletzt dank seines nimmermüden Skribentenfleißes: Allein von seiner großen Orienttour von 1834 bis 1840 hat er 6000 Manuskriptseiten hinterlassen.
Und auch Augusta von Preußen ist zu Unrecht nahezu völlig in Vergessenheit geraten. Sie war immerhin die Stifterin des Roten Kreuzes im Reiche ihres Gatten und offene Pazifistin. Letzteres hatte eine heftige Abneigung gegen Bismarck und dessen Politik zur Folge. Bereits 1862 hatte Augusta in einer 18-seitigen Denkschrift versucht, dessen Ernennung zum preußischen Ministerpräsidenten zu verhindern; in diesem Zusammenhang ist ihr Ausruf überliefert: „Nur um Gottes Willen den nicht zum Minister!“ 1866 intervenierte sie wiederholt bei Wilhelm gegen einen Krieg mit Österreich. Allerdings ebenfalls erfolglos.
All dies und vieles mehr erfährt man in dieser sorgfältig und mit einem Händchen fürs Detail kuratierten Exposition.
„Augusta von Preußen. Die Königin zu Gast in Branitz“. Fürst-Pückler-Park Branitz, Robinienweg 5, 03042 Cottbus; noch bis 31. Oktober; weitere Informationen im Internet.
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