von Edgar Benkwitz
Es ging recht locker zu, als sich am Ende seines 48-Stunden-Aufenthaltes in Washington am 26. Juni der indische Premierminister Narendra Modi und Gastgeber Donald Trump der Presse stellten. Trump war in bester Stimmung, er scherzte, dass die USA mit ihren wirtschaftlichen Zuwachsraten Indien (jährlich sieben Prozent!) bald überholen würden. Sich selbst und Modi bezeichnete er als weltweite Anführer im sozialen Netzwerk Twitter. Modi nahm die gute Stimmung auf, er lachte über die Feststellungen Trumps und umarmte seinen Gesprächspartner.
Der indische Regierungschef hatte aber auch gut lachen, da der Besuch in Washington für ihn zufriedenstellend verlief. Das war vorher nicht klar – es gibt ernste Probleme in den wirtschaftlichen Beziehungen, hervorgerufen durch die Amerika First-Politik, außerdem musste mit der Unberechenbarkeit und Sprunghaftigkeit Trumps gerechnet werden, der noch vor wenigen Wochen über Indien hergezogen war. Doch in Zeiten des Umbruchs der internationalen Beziehungen ist Indien bemüht, nicht den Anschluss zu verlieren, bestehende Positionen zu erhalten und möglichst auszubauen. Eine erste persönliche Begegnung der beiden Staatsmänner noch vor dem multilateralen G20-Gipfel, sollte auch den Eindruck korrigieren, dass die neue Administration auf Grund anderer Prioritäten Indien zu wenig Aufmerksamkeit schenke.
Premier Modi wusste, wo er seinen Partner packen konnte. Schon vor dem Besuch ließ er wissen, dass strategische und Sicherheitsfragen für ihn absoluten Vorrang haben. So äußerte er: „Die indisch-amerikanischen Beziehungen sind eine bestimmende Partnerschaft mit globaler Bedeutung“ oder „Die Logik unserer strategischen Beziehungen ist unbestreitbar“. Doch würde dieser selbstbewusste Modi, der sich als unverzichtbarer Partner mit der Großmacht USA gleichstellt, damit im Weißen Haus Gehör finden? Nun, die indische Diplomatie kennt die Probleme der ehemaligen westlichen Führungsmacht bestens, entsprechend wurde ihr Chef eingestellt.
Die US-Administration erfüllte zunächst einen lang gehegten Wunsch Indiens, indem sie klare Feststellungen zum Anteil Pakistans am internationalen Terrorismus traf. Das Land wurde in der Gemeinsamen Erklärung aufgefordert sicherzustellen, dass sein Territorium nicht für terroristische Aktivitäten gegen andere Staaten benutzt wird und die Täter der zahlreichen grenzüberschreitenden terroristischer Attacken(konkret genannt werden die furchtbaren Attentate von Mumbai und Pathankot) vor Gericht gestellt werden. Weiterhin wurde einer der Hauptverantwortlichen für terroristische Anschläge im indischen Teil Kaschmirs, der von Pakistan unterstützte und sich dort seit 28 Jahren aufhaltende Syed Salahuddin, Chef der Hizbul Mujahideen, auf die US-Liste der globalen Terroristen gesetzt. Beide Seiten vereinbarten auch einen Konsultationsmechanismus zur Bestimmung und Kennzeichnung von Terroristen.
Balsam für Indiens Seele dürften auch die Feststellungen zu den Aktivitäten Chinas in Südasien sein. Indien hatte bekanntlich vor wenigen Wochen Pekings Seidenstraßen-Gipfel mit der Begründung brüskiert, dass die Verbindung von Westchina zum Arabischen Meer durch von Indien beanspruchte Territorien im Norden Kaschmirs verlaufe. Im Washingtoner Abschlussdokument wird nun von den chinesischen Aktivitäten in Pakistan gefordert, die Souveränität des Landes, die territoriale Integrität sowie den Umweltschutz zu respektieren. Weiterhin wird China aufgerufen, seine riesigen Investitionen in Pakistan transparent und die Schuldenfinanzierung verantwortlich zu gestalten. Diese Prinzipien ausgerechnet von den USA zu hören, ist natürlich ungewöhnlich. Die Inder waren aber sehr zufrieden, denn ihre Vorbehalte samt der Sprachregelung wurden von den USA übernommen.
Doch bekanntlich hat jedes Zugeständnis seinen Preis, gerade bei Donald Trump. Das zeigte sich zunächst bei der Schwerpunktsetzung in der internationalen Politik: Bekämpfung terroristischer Bedrohungen, Förderung von Stabilität in der indo-pazifischen Region, Ausweitung eines „freien und fairen“ Handels sowie Stärkung der Energie-Verbindungen. Diese Aufzählung lässt bereits die Handschrift der neuen Administration erkennen. Und seine Lesart verkündete Trump auch gleich der Presse: „Unsere beiden Streitkräfte arbeiten ständig daran, die Zusammenarbeit zu verbessern. Im nächsten Monat werden sie mit der japanischen Flotte die größten Seemanöver durchführen, die je im Indischen Ozean stattgefunden haben.“ Zu Afghanistan wollen beide Regierungen enge Konsultationen führen und kooperieren.
Allerdings fragt man sich, was das in Zukunft für das umfangreiche, zumeist friedliche Engagement Indiens in Afghanistan bedeutet. Wird Indien, das befürchten muss, durch China und Pakistan an den Rand gedrückt zu werden, nun aktiv an der Seite der USA stehen? Auffallend ist das Fehlen jeglicher Bezugnahme auf die Probleme in Nahost und den Iran. Diese Region ist für Indien lebenswichtig, es bezieht von dort den größten Teil seiner Öl- und Gasimporte, die dort arbeitenden sieben Millionen Inder überweisen jährlich 35 Milliarden US-Dollar in die Heimat. Eine Verschärfung der Situation dort, angestachelt durch die USA, kann Indien nicht gleichgültig sein. Doch in Washington schwieg der indische Premierminister dazu. Auch das Pariser Klimaschutz-Abkommen, dessen Erhalt Indien will, fand keine Erwähnung.
Obwohl die bilateralen Probleme zwischen beiden Staaten kaum erörtert wurden, drückte der US-Präsident ihnen seinen Stempel auf. Unverblümt forderte er, dass für den Export von US-Gütern nach Indien bestehende Hindernisse beseitigt werden. Auch eine große Gruppe von Abgeordneten des Parlaments hatte in einem Brief an Trump die indische Handelspolitik scharf kritisiert und freien Zugang zum indischen Markt gefordert. Werden diese Forderungen möglicherweise Teil eines Deals im Trumpschen Sinne werden? Das hieße gewissermaßen eine Verrechnung dieser Forderungen mit indischen Anliegen, wie die Rücknahme der vorgesehenen Einschränkung von Arbeitsvisa für hochqualifizierte indische Techniker in den USA, der beträchtliche indische Handelsüberschuss sowie die Verlagerung der Geschäftstätigkeit von US-Firmen nach Indien. Es geht dabei um hohe Milliardenbeträge zugunsten Indiens, die Trump ein Dorn im Auge sind.
Keine Probleme scheint es hingegen bei den Waffenlieferungen zu geben, nachdem Indien vor einem Jahr den Status eines Major Defence Partners erhielt. So gut wie besiegelt wurde der Verkauf von 22 Drohnen vom Typ Predator für über zwei Milliarden Dollar und eines weiteren riesigen Transportflugzeuges C-17 Globemaster-III für 366 Millionen Dollar. Während die modernen Drohnen über dem Indischen Ozean zur Überwachung von Schiffsbewegungen eingesetzt werden sollen, vergrößert die indische Luftwaffe zugleich systematisch ihre Transportkapazitäten. Sie besitzt bereits zehn C-17 Globemaster sowie dreizehn C-130J Super Hercules, die für insgesamt 6,2 Milliarden Dollar vor allem für einen schnellen und massiven Truppen- und Materialtransport angeschafft wurden. Weitere umfangreiche Lieferungen von militärischem Großgerät sind vorgesehen, auch die mögliche Errichtung einer Produktionslinie für das Kampfflugzeug F-16 in Indien. Bezeichnenderweise fehlten in den Reden und Dokumenten Feststellungen zu Bildung, Wissenschaft, Kultur und Gesundheitswesen.
Twitter-Champion und Kassenwart Trump dürfte mit seinem Vorgehen vorerst zufrieden sein. Premier Modi auch, doch er hat sich weit aus dem Fenster gelehnt. Vor allem die Feststellungen zur Sicherheitslage in der indo-pazifischen Region lassen immer stärker eine Parallelität indischer und amerikanischer Interessen erkennen. Die indische Öffentlichkeit betrachtet mit einiger Skepsis die erreichten Resultate, die Reaktionen Pakistans, aber vor allem Chinas sind ungewöhnlich scharf.
Schlagwörter: China, Donald Trump, Edgar Benkwitz, Indien, Narendra Modi, Pakistan, Rüstungszusammenarbeit