20. Jahrgang | Nummer 13 | 19. Juni 2017

Antworten

Sahra Wagenknecht, linke Aufmischerin – „Die LINKE kann dieses Land aufmischen.“ Solche Sprüche sichern vor allem in Wahlkampfzeiten Jubel auf den Parteitagen von links bis rechts. Wer „aufmischen“ will, braucht Mehrheiten. Wir erinnern Sie ungern an die linken Wahlergebnisse der letzten zwei Jahre, aber es ist offenbar nötig: Sachsen-Anhalt 16,3 Prozent (-7,3), Rheinland-Pfalz 2,8 Prozent, Baden-Württemberg 2,9 Prozent, Berlin 15,6 Prozent (+3,9), Mecklenburg-Vorpommern 13,2 Prozent (-5,2), Saarland 12,8 Prozent (-3,3), Schleswig-Holstein 3,8 Prozent, Nordrhein-Westfalen 4,9 Prozent. In den Umfragen hat sich Ihre Partei für die Bundestagswahlen bei 8 Prozent eingependelt. „Aufmischen“ geht anders. Oder wollten Sie etwa nur den ungeliebten Sozis mögliche Koalitionsträumereien austreiben? Das ist Ihnen allerdings in Hannover trefflich gelungen.

Theresa May, Was-scheren-mich-die-Menschenrechte-Politikerin – Horatio Lord Nelson gilt als Held von Trafalgar. Dass er 1799 die Republikaner Neapels massakrieren ließ, ist weitgehend vergessen. Dass Arthur Wellesley, 1. Duke of Wellington, ein ebenso stinkreaktionärer Demokraten- und Menschenrechtsfeind war, ist durch den Mythos von Waterloo zumindest auf dem europäischen Kontinent weitgehend verdrängt worden. Nun bewegt uns die spannende Frage, welchen Mythos um Ihre Person Sie zu weben beabsichtigen? Wir suchen gebannt auf den Karten der Ozeane, welche Inselchen Sie in Thatcherscher Tradition zurückzugewinnen gedenken… Ihre jüngste Ankündigung – „Wenn uns unsere Menschenrechtsgesetze daran [am Kampf gegen den Terror – d. Red.] hindern, werden wir die Gesetze dahingehend ändern, dass wir das tun können.“ – lässt erheblichen Bedarf nach patriotischem Ablenkungsgetöse in schlechtester Tory-Tradition vermuten. God save Britain!

Alexander König, MdL/CSU und prinzipienfeste oberfränkische Frohnatur aus Hof/Saale – Genau! „Wir lassen uns in Bayern nicht von jemandem eine Bahn bezahlen, die wir nicht möchten“, erklärten Sie der Ostthüringer Zeitung. Gemeint ist die Höllental-Bahn, die man im Bahnhof Lichtenberg, kurz vor der Demarkationslinie zwischen dem freiheitlichen Freistaat und dem kommunistisch diktierten Thüringen in Relikten museal besichtigen kann. Es geht zwar nur um knappe 5,5 Kilometer, aber damit kämen die thüringischen Bolschewisten in kaum noch kontrollierbaren Horden möglicherweise per Bahn bis nach Hof oder ins bayerische Staatsbad Steben, um das dortige Spielcasino zu plündern. Rote Horden, dammische! Oder geht es etwa um die Geschäftsinteressen der Besitzer einer Mineralwasserfabrikation in der Nähe der Bahntrasse, die Furcht vor der Bahn haben? Wie auch immer, es kommt überhaupt nicht in Frage, dass „es einem kommunistischen Ministerpräsidenten gelingen könnte, einen CSU-Ministerpräsidenten davon zu überzeugen, gegen den Willen einer von Kommunisten enteigneten Familie zu handeln“! Teufel, da kommt doch wieder die „Mineral“-Sippe ins Spiel… Egal, Kommunismus geht gar nicht! Soweit kommt’s noch, dass der Genosse Ramelow wie weiland W. I. Lenin auf dem Führerstand einer Dampflokomotive ins Bayerische einfährt!

Hannes Wader, lebende Liedermacherlegende – Sie begannen als anarchischer Bürgerschreck und gaben sich auf dem Cover Ihrer ersten Platte „Hannes Wader singt“ ein Outfit wie der Rattenfänger von Hameln, dem Sie später einen Ihrer unvergesslichen Ohrwürmer widmeten. Auf dieser Scheibe auch das Lied auf „Frau Klotzke“, dessen erste Strophe noch die harmloseste war: „Es ist wieder Sommer, meine Nachbarin, / Ich kenne das schon, ich schauʼ gar nicht mehr hin, / Öffnet das Fenster nach beiden Seiten / Und beginnt zwei Kissen vor sich auszubreiten. / Eins für sich selbst und eins für den Hund – / Dessen haarloser Wanst ist überall wund, / Ein krankes Tier, das mehr kriecht, als es läuft, / Weil sein Hängebauch über den Boden schleift! / Die Frau beugt sich raus, sie ist überaus fett, / Und schleudert ihre Titten übers Fensterbrett.“
Dabei wäre es zu dieser Platte fast gar nicht gekommen, denn kein Musikverlag wollte sich mit Ihnen einlassen. Auch Fürsprache Ihres lebenslangen Freundes Reinhard Mey, mit dem Sie zuvor durch Westberliner Kneipen und Clubs getingelt waren, half nichts. Erst die Bekanntschaft mit dem leider bereits verstorbenen Knut Kiesewetter brachte den Durchbruch. Der hatte bei Phlipps eine sehr erfolgreiche Witze-Platte produziert und drohte dem Label, eine zweite werde es nicht geben, wenn nicht… So erschien 1969 „Hannes Wader singt“, wurde ein Erfolg und Ihre Karriere nahm Fahrt auf. Hätte aber 1971 schon wieder zu Ende sein können: Sie gerieten ins Räderwerk der RAF-Fahndung, nachdem Sie einer Bekannten Ihre Wohnung überlassen hatten und die dort, während Sie durch Europa trampten, mit Sprengstoff experimentierte. Die Dame, die sich Ihnen als „Hella Utesch“ vorgestellt hatte, hieß mit bürgerlichem Namen Ensslin, Gudrun. Danach wollten Veranstalter Sie nicht mehr auf ihrer Bühne sehen und Sender Sie nicht mehr über den Äther gehen lassen. Solidarität Ihrer Zunftkollegen, darunter wieder Reinhard Mey, half Ihnen, diese Existenzkrise zu überstehen. Ihre Gesinnung wurde linker, und das zeigten Sie auch: Von 1977 bis 1991 waren Sie Mitglied der DKP. Später tourten Sie zusammen mit Konstatin Wecker, und zu Ihrem 60. Geburtstag gab es in Ihrer Heimatstadt Bielefeld einen gemeinsamen Abend mit diesem sowie Reinhard Mey – „verewigt“ auf dem Doppelalbum „Mey, Wader, Wecker – das Konzert“ von 2003. Ihre Abschiedstournee startet am 1. Oktober.
Am 23. Juni werden wir heftig an Sie denken und auf Ihren 75. anstoßen!

DER SPIEGEL, als Panikmacher a class of its own – In seiner Ausgabe 24/2017 berichtete das Hamburger Magazin: „Die Probleme der Bundeswehr mit dem Kampfhubschrauber ‚Tiger‘ sind dramatischer als bisher bekannt. Zurzeit verfügen nur 18 Piloten über die Voraussetzungen, die für Flüge in Einsatzgebieten erforderlich sind. Das reicht gerade aus, um den ‚Tiger‘ ein Jahr lang in Mali einsetzen zu können.“ Und legte gleich noch eine Kohle nach: „Bis heute sind von den 123 Pilotenstellen für den ‚Tiger‘ nur 62 besetzt, von denen 18 die Vorgaben für Einsätze (‚mission readiness‘) erfüllen.“
Zwar konnte der Klarstand an einsatzbereiten und bedingt einsatzbereiten Maschinen bis März 2016 auf sagenhafte 15 erhöht werden (nach durchschnittlich lediglich sechs noch im Jahre 2015), aber nur vier davon sind seit Ende Januar 2017 überhaupt nach Mali verlegt worden …

Ambrose Bierce, genialer Erzähler & begnadete Spottdrossel – Der Bürgerkrieg in den USA (1861–1865) wurde zum prägenden Erlebnis Ihres Lebens und Ihrer literarischen und journalistischen Produktion. Ihr Markenzeichen war Ihr sarkastischer, schwarzhumoriger Stil. Neben Edgar Allan Poe galten Sie als Erfinder und Meister des Genres der Gänsehaut verursachenden unheimlichen Shortstory. Es ging aber durchaus auch noch kürzer, wie Ihr erstmals 1911 unter diesem Titel erschienenes „Wörterbuch des Teufels“ zeigt, das Sie über Jahrzehnte zusammengetragen hatten. Darin definieren Sie unter anderem: „Glück, das – Angenehmes Gefühl; erblüht aus der Betrachtung fremden Elends.“ Und: „Politik, die – Vom verkommenen Teil unserer kriminellen Schichten bevorzugter Lebensunterhalt. – […] Die Leitung öffentlicher Angelegenheiten zu privatem Vorteil.“ Und nicht zuletzt: „Revolution, die – Abrupter Wechsel der Missregierungsform.
1913 begaben Sie sich in die Wirren der Mexikanischen Revolution, um, wie man später unterstellte, planmäßig nie wieder aus diesen aufzutauchen. Trotzdem ist es eher unwahrscheinlich, dass Sie noch unter den Lebenden weilen, denn am 24. Juni haben Sie Geburtstag. Den 175. inzwischen. Wir werden Ihrer ehrend gedenken.

Ha Vinh Tho, Glücksverwalter – Sie leiten seit einiger Zeit das „Zentrum für Bruttonationalglück“ des Königreiches Bhutan. Anthroposophen empfanden ihre seinerzeitige Ernennung als Bestätigung, hatten Sie doch einst die Tanzlehre Rudolf Steiners erlernt und arbeiteten auch an einer richtigen Waldorfschule. Nun ist das mit dem bhutanesischen Nationalglück so eine eigene Sache: Wer sich nicht richtig assimiliert – Nepalesen etwa – fliegt raus. Die Häuser von „Staatsfeinden“ werden auch mal kurzerhand niedergerissen, aber Glück ist eben immer Glückssache. Und Glück als Staatsziel zu haben ist ja auch nicht unbedingt falsch. Nur entwickeln sie neuerdings so merkwürdige Ideen: Den heutigen Kapitalismus halten Sie für nicht unbedingt vereinbar mit dem Bruttonationalglück. „Es braucht eine radikale Infragestellung des jetzigen Systems“, zitiert Sie die Süddeutsche Zeitung. Wir stimmen Ihnen zu. Aber mit Eurythmie ist da wohl nicht viel zu machen…