20. Jahrgang | Nummer 3 | 30. Januar 2017

Garstiges zu lieblichen Weisen

von Hans-Peter Götz

Es soll – trotz wiederholter Besprechungen in diesem Magazin – immer noch vereinzelt Zeitgenossen geben, denen das Oldenburger Ex-Lehramtsaspiranten-Duo Simon & Jan kein Begriff ist. (Letzterer, Jan, übrigens ausgesprochen mit extrem kurzem „a“ und mindestens dreifachem „n“ – sehr norddeutsch halt.). Und so schickt sich der Autor ein weiteres Mal an, in Sachen „Mangeltatbestand, hier: Abhilfe“ ein Stück voranzukommen. Veranlassung gibt das neue Programm der Minimal-Combo, „Halleluja!“ betitelt, mit dem die beiden derzeit touren.
Vorweg für Kenner: Einem ihrer Markenzeichen bleiben die beiden auch dieses Mal unbedingt treu – dem extremen Auseinanderklaffen von Inhalt und Form bei nicht wenigen ihrer Lieder oder, wem das zu akademisch ist, ihren garstigen Texten zu gar lieblichen Weisen. Vorgetragen auf akustischen Gitarren.
Und nun wieder für (Immer-noch-)Nicht-Kenner: Eine ziemlich exemplarische Vorstellung davon, wie garstig die Texte von Simon & Jan ausfallen können, liefert im neuen Programm das Lied „Was geschieht mit süßen Tier’n?“:

Michas Mama hat zwei Möpse, beide heißen Berlusconi.
Unterscheiden wäre sinnlos, denn man sieht sie sowieso nie.
Die poppen da den ganzen Tag im Hundebungalow.
So ’n bisschen Bunga Bunga, und die Möpse sind schon froh.
Micha hat das schnell kapiert und sie mit ’nem Skalpell kastriert.
Wie niedlich die Eunuchen nun nach ihren Eiern suchen.

Was geschieht, was geschieht, was geschieht mit süßen Tier’n,
Wenn kleine Jungs zu Hause die Geschichte korrigier’n …

Micha hatte eine Ente mit dem Namen Donald Trump.
Sie hatte kaum Talente, und sie spielten Forrest Gump.
Er brach ihr beide Beine, woll’n mal schauen, wie sie rennt.
Dann gab er ihr noch Feuer, um zu seh’n, wofür sie brennt.
Er sagte: „Lauf, mein Donald, lauf!“ Sie guckte ganz entsetzt.
„Na mein kleines Trumpeltier, wer humpelt hier denn jetzt?“

Was geschieht, was geschieht, was geschieht mit süßen Tier’n,
Wenn kleine Jungs zu Hause die Geschichte korrigier’n …

Eines Tages landet Beatrix von Storch in seinem Garten.
Was mit ihr gescheh’n ist – dreimal dürft ihr raten.
Eines steht nur fest, sie hat ein letztes Mal gestunken,
Und Micha hat am Gartenzaun gewunken.

Was geschieht, was geschieht, was geschieht mit süßen Tier’n,
Wenn kleine Jungs zu Hause die Geschichte korrigier’n …

Micha hat ein Meerschwein, das Sarrazin heißt.
Und überall ganz ekelhaft in die Ecken scheißt.
Micha hat das gleich erkannt:
Er schmeißt sein Meerschwein an die Wand.
Nun klebt er da wie Knete
An der Wohnzimmertapete.
Michas Mama meinte: „Micha Maus,
Wir gehen heute aus.“
Micha sagte: „Geht doch –
Ich knet’ noch.“

Aber wie soll man die „gar liebliche Weise“ beschreiben, in der dieses jeglicher political correctness hohnsprechende Machwerk intoniert wird? Also wer einfach mal den „Lindenbaum“ in der Vertonung von Schubert und der Darbietung durch die King’s Singers oder „Im schönsten Wiesengrunde“ in der Aufnahme mit dem Alexandrow-Ensemble von 1948 ansummt, der ist rasch zumindest bei der Stimm- und Stimmungslage, in der die Oldenburger Barden solche Blasphemereien zu Gehör bringen. Eine derzeit auf einheimischen Klein- und Großkunstbühnen ziemlich einmalige Melange.
Dafür scheint es unter professionellen Kennern hinreichend ausgemachte Fans zu geben, denn preisgekrönt ist das Œuvre der beiden bereits mehrfach. 2016 konnten der Musikpreis des Bayerischen Kabarettpreises sowie der mit 5000,- Euro dotierte Förderpreis der Stadt Mainz im Rahmen des Deutschen Kleinkunstpreises der Sammlung hinzugesellt werden.
Doch zurück zu „Halleluja!“. Unter den Liedern des Abends sind etliche gute Bekannte – ob „Meine Mama“, die beim Kochen so gern mit einem bekannten Rauschmittel würzt, oder „Herzilein“ mit der beruhigenden Botschaft, dass dank nachhaltigem Senioren-Schunkeln in einschlägigen Heimen das Abendland längst noch nicht verloren ist, bis zu … Hört man alles immer (noch) wieder gern. Das gilt auch für den Da-singt-der-ganze-Saal-mit-Titel „Krawall und Remidemi“ der Gruppe Deichkind, von der Simon & Jan einige Lieder im Angebot haben.
Andererseits – ein paar neue Stücke mehr hätten auch nicht von Schaden sein müssen.
Wer sich fragen sollte, was an dem Programm denn nun „Halleluja!“ ist, der muss bis ganz zum Schluss warten. Dann ertönt Leonard Cohens ultimativer Heuler – ohne jede Verhohnepipelung, mit angemessener Inbrunst. In der Interpretation der Oldenburger aber eher an die Version von Jeff Buckley erinnernd – also noch mit einen gehörigen Touch Seele mehr als beim Original.

„Halleluja!“: Nächste Tourneetermine: 04.02. – Brüggen; 05.02. – Wuppertal; 08.02. – München; 09.02. – Mainz. Weitere Informationen im Internet.