20. Jahrgang | Nummer 3 | 30. Januar 2017

Bemerkungen

Eine gute Nachricht

Diese Wochen sind so voller schlechter Nachrichten, dass diese eine gute noch mehr ins Gewicht fiel und fällt. Barack Obama hat Chelsea Manning zum Ende seiner Amtszeit begnadigt. Im Mai soll sie nun freikommen, und ich hoffe sehr, dass der neue Präsident da nicht eingreifen wird. Zu 35 Jahren Haft war sie (zunächst noch als Bradley Manning) verurteilt worden, weil sie Dokumente an Wikileaks weitergegeben hatte, die aller Welt Kriegsverbrechen des US-Militärs vor Augen führten.
Die Verurteilung aufgrund eines alten Spionagegesetzes war über alle Maßen drakonisch, die härteste, die jemals in einem Whistleblower-Fall in den USA gefällt worden war. Ihre Unterbringung in Isolationshaft als Mann, der eine Frau werden wollte, in einem Militärgefängnis unter lauter Männern, ist von Menschenrechtlern zurecht als eine Art Folter betrachtet worden. Noch vor kurzem wurde von einem Selbstmordversuch berichtet.
Barack Obama, der in deutschen Medien derzeit als eine Art Kämpfer für das Gute und amerikanischer Held glorifiziert wird, kannte keine Toleranz gegenüber Whistleblowern. Dabei sind sie ein wichtiges Korrektiv für jede Demokratie – sie legen den Finger auf die Wunde, zeigen Missstände auf, die es zu ändern gilt. Siehe Edward Snowden und unser heutiges Wissen über die allgegenwärtige Überwachung des Bürgers durch die Geheimdienste. Nein, Obama hat sie mehr bestraft als jeder amerikanische Präsident vor ihm. Immerhin schien es ihm vor Ende seiner Amtszeit geboten, die Haftzeit von Chelsea auf sieben Jahre zu verkürzen. Wollte er sein diesbezügliches Image etwas aufbessern? Snowden und Assange als die anderen Bekannten unter den Whistleblowern sind von der „Milde“ nicht betroffen, der Abschreckungseffekt soll bleiben.
Dennoch – Obama hat für die eine gute Nachricht im Politikbetrieb der jüngsten Zeit gesorgt.

Margit van Ham

Momentane Augenblicke

An einem Rausch ist das Schönste der Augenblick, in dem er anfängt, und die Erinnerung an ihn.

Peter Panter

Nicht in die ferne Zeit verliere dich, den Augenblick ergreife, der ist dein.

William Shakespeare

Wo stehen die lautesten Deutschen im gefährlichsten Moment ihren Mann? Hinter der Gardine.

Wolfgang Eckert

Monde und Jahre vergehen, aber ein schöner Moment leuchtet das Leben hindurch.

Franz Grillparzer

Schreiben: damit sich ereignet, was jeder insgeheim wünscht: daß der Moment einen Moment lang Dauer behält und immer wieder erweckt werden kann.

Günter Kunert

Was ist Glück? Die Augenblicke wunschloser Hingebung.

Theodor Storm

In Augenblicken, wo man in völliger Dunkelheit steckt, belebt sich das Dunkel.

Kurt Tucholsky

Zwischen zu früh und zu spät liegt immer nur ein Augenblick.

Franz Werfel

Das Leben ist voll von schönen Momenten: ein Lottogewinn, ein gutes Abendessen, der Anblick einer schönen Frau – kleine individuelle Augenblicke. Doch wenn man dann einen Schritt zurück macht und sich das große Ganze ansieht, das ist dann tragisch. Was unsere Existenz wirklich bedeutet, ist nicht sehr angenehm.

Woody Allen

Genieße den Augenblick – denn heute ist der erste Tag vom Rest deines Lebens!

Dänisch

Nicht nur in unseren schlimmsten Augenblicken, auch in unsern besten kümmert uns keinerlei Würde, und wenn wir lieben, sind wir so wenig frei, gleich, brüderlich wie wenn wir hassen.

Adolf Muschg

(Gefunden von fbh.)

Kurze Notizen zu Genthin und Landsberg

Das Jerichower Land darf sich rühmen, die unbekannteste Gegend von ganz Sachsen-Anhalt zu sein. Nicht nur Ortsfremde, auch Einheimische tun sich schwer, Städte wie Gommern oder Möckern irgendwo auf der Landkarte zu verorten.
Das hat zwei Gründe: Zum einen wohnt kaum noch jemand in dieser Region östlich von Magdeburg; die einst namhaften Burgen, Klöster und Industriezentren haben längst an kultureller oder wirtschaftlicher Bedeutung verloren. Zum anderen kennen die Südländer im Land kaum den ausgedünnten Norden: Sie haben von den fruchtbaren Böden in der Börde und den Backsteinstädten in der Altmark zwar gehört, aber die Weinberge an der Unstrut und die Einkaufstempel von Güntherdorf bei Leuna kennen sie deutlich besser.
Genthin inmitten des Jerichower Landes ist besonders traurig in Vergessenheit geraten. Zwar hält die gewesene Kreisstadt beharrlich an dem ehemaligen Rang fest: Es gibt ein Kreismuseum und eine Kreisbibliothek. Doch der Kreis ist eben nach der wesentlich kleineren Klosterstadt Jerichow benannt (die nicht einmal über einen Bahnanschluss verfügt) und die Kreisverwaltung sitzt in Burg. In Genthin hingegen gibt es nur Spee Megaperls und zwei Lebensmittelentsorgungsanlagen.
Genthin liegt zwar nur zwei, drei Steinwürfe von der Kreisstadt entfernt und grenzt dank zahlreicher Eingemeindungen sogar an sie, aber beide Städte am Elbe-Havel-Kanal trennt kulturell recht viel. In Burg wird noch Ostmitteldeutsch gesprochen, in Genthin brandenburgisches Platt.
Trotz des für sachsen-anhaltische Ohren dümmlich klingenden „Ick“ und des noch dümmlicher wirkenden Verwechselns von mir und mich ist Genthin einen Besuch wert. Aber nicht wegen des Kreismuseums: Da liegen nur Gipskopien aus, die Originalzeugnisse der Kreisgeschichte sind im fernen Halle zu finden. Auch nicht wegen der eingemeindeten Dorfkirche Altenplathow. Sondern wegen der Natur. Und der Aussicht. Durch Genthin lässt es sich herrlich radelt oder paddeln. Für eine halbe Stunde kann man ganz gut nach links und rechts gucken, ohne sich zu verletzen: Genthin ist prototypisch kleinstädtisch, was ja auch eine Leistung ist. Und ein Spaziergang über den Markt oder durch die Brandenburger Straße (womit die Innenstadt beschrieben ist) tut auch nicht weh.

*

Es gibt doch tatsächlich Menschen, die von Leipzig und Halle nach Landsberg ziehen. Und nicht einmal wenige. Das ist recht erstaunlich, weil sonst eigentlich kein Ort in Sachsen-Anhalt ohne Schummelei (Eingemeindungen in rauen Mengen) irgendeinen Zuwachs zu verzeichnen hat.
Und dann auch noch Landsberg, wo sich, seitdem Markgraf Friedrich von Landsberg einst an vergifteten Kirschen starb, so rein gar nichts getan hat. Im Gegenteil: Von Friedrichs Burg steht nur noch eine Kapelle, an sein Reich erinnern nur noch kleine Details in den Wappen von Dresden, Delitzsch, Cottbus und Leipzig.
Rund um Landsberg aber kreuzen sich gleich drei Autobahnen, zieht eine Bundesstraße über die Dörfer und wurden drei Bahnstrecken verlegt, die von Berlin bis nach Cottbus führen – und der Leipziger Flughafen ist nur zwanzig Kilometer entfernt. Kurz: Landsberg bietet sich ideal als Großraum-Gewerbegebiet an und so findet sich noch im kleinsten Ortsteil ein Briefzentrum der Deutschen Post oder ein Logistikzentrum von eBay. Die Amerikaner sind da, die Chinesen, die Russen trotz Sanktionen auch: Wofür im verbauten Leipzig kein Platz ist, kommt auf die grüne Wiese von Landsberg.
Und das zieht Fachkräfte an. Und das lässt die Einwohnerschaft wachsen, und so ist Landsberg inzwischen die zweitgrößte Stadt im Saalekreis, größer als die alte Arbeiterstadt Leuna, die mittelalterliche Filmkulisse Querfurt oder der mondäne Kurort Bad Lauchstädt.
Im Gegensatz zur Rathausspitze, die offenbar etwas zu sehr und zu illegal am Aufschwung mitverdient hat und deshalb suspendiert wurde, ist es der Stadt gelungen, bei all dem Wachstum ihr Gesicht zu wahren: Die Blechlager sind hübsch draußen geblieben, das eigentliche Landsberg kommt immer noch wie eine Gartensiedlung daher. Im Sommer strömt der halbe Landkreis zum Felsenbad, die Hobbyflieger treffen sich auf dem Flughafen im Ortsteil Oppin, wohin zudem der regional bekannte Schnitzeltower lockt. Und im Winter ist rein gar nichts los. Wie es halt in all den Jahrhunderten schon immer gewesen ist – zwischen Kirschtod und Wende.

Thomas Zimmermann

WeltTrends aktuell

Die kürzlichen Gespräche in der Hauptstadt Kasachstans über den Waffenstillstand in Syrien brachten zwar eine Vereinbarung zwischen Russland, der Türkei und Iran, verdeutlichten aber erneut die komplizierte Lage in der Region. In den letzten Jahren sind dort bisherige Ordnungsmodelle zusammengebrochen, der Terrorismus expandierte, Staaten befinden sich im Zerfallsprozess. Im Thema des Heftes geht es sowohl um die aktuellen Entwicklungen in Syrien nach dem Waffenstillstand als auch um generelle Überlegungen zur „orientalischen Frage” und zu einem grundsätzlichen Wechsel der Politik des „Westens” gegenüber dem Nahen Osten.
Der WeltBlick beschäftigt sich mit aktuellen Entwicklungen in den japanisch-russischen Beziehungen und der Lage in Thailand nach dem Tod von König Bhumibol, aber auch der Kleinwaffenkontrolle in Afrika. Auf die Wahl von Donald Trump reagieren im Forum Autoren aus China, Israel und Kuba.
Die Europäische Union befinde sich in ihrer tiefsten Krise und drohe auseinanderzufallen, schätzt Gesine Schwan im Kommentar ein. Ihr Friedens-, Demokratie-, Wohlstands- und Solidaritätsprojekt müsse gerettet werden. Das erfordere auch einen Politikwechsel in Berlin. Das zentrale Projekt einer rot-rot-grünen Koalition solle die Rettung der EU durch Wiedergewinnung europäischer Solidarität sein.

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WeltTrends – Das außenpolitische Journal, Heft 124 (Februar) 2017 (Schwerpunktthema: „Neuordnung des Nahen Ostens“), Potsdam / Poznan, 4,80 Euro plus Porto. Weitere Informationen im Internet.

Blätter aktuell

Donald Trumps außenpolitische Vorstellungen gelten vielen Beobachtern als unklar oder inkohärent. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der neue Präsident durchaus über ein klares Bild der US-amerikanischen Rolle in der Welt verfügt. Dieses allerdings, so der Friedensforscher Michael T. Klare, sprengt das bekannte Bündnisdenken: Trump sieht die USA in einem ständigen Konkurrenzkampf mit anderen Mächten. Dabei gelte die Devise: US-Interessen zuerst!
Während die Welt darüber rätselt, wie sich die russisch-amerikanischen Beziehungen unter Donald Trump zukünftig entwickeln, nimmt der Investigativjournalist James S. Henry dessen Geschäftsbeziehungen in die Länder der ehemaligen Sowjetunion unter die Lupe. Seine Erkenntnis: Trump verfügt über ein weit verzweigtes Netzwerk, das aus der Privatisierungswelle der 1990er hervorging — und auch Mafiaverdächtige umfasst.
Nach der Weltwirtschaftskrise und der globalen Klimakrise folgt nun die Krise der liberalen Demokratie. Doch Krisen eröffnen immer Räume potentieller Veränderungen. Progressive Transformationen, so der Politikwissenschaftler Dieter Klein, erfordern jedoch eine gewisse Zustimmung der Machteliten. Das historische Beispiel des New Deal könnte als Inspirationsquelle linker Strategien dienen, um sozioökonomische Interventionen in eine neue gesellschaftliche Erzählung einzubinden.
Dazu weitere Beiträge – unter anderem: „Von Türken, Juden und Armeniern: Der Kampf um die Erinnerung“, „Der Fall Amri: Anschlag ohne Aufklärung?“ und „Österreich: Neutral und rechts?“.

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Blätter für deutsche und internationale Politik, Berlin, Februar 2017, Einzelpreis: 9,50 Euro, Jahresabonnement: 79,80 Euro (Schüler & Studenten: 62,40 Euro). Weitere Informationen im Internet.

Wirsing

Seit rund 25 Jahren schreibt Andreas Kurtz in der Berliner Zeitung über Hinz und Kunz, wenn die wenigstens ein bisschen prominent sind. Er kennt sie alle und weiß fast alles über sie. Glaubt man.
Als er über die Trauerfeier von Gisela May berichtete, erwähnte er als Trauergäste auch „die Schauspieler Jutta Wachowiak und Werner Friedmann“. Gut, die Wachowiak kennt fast jeder, aber wer ist Werner Friedmann? Niemand hatte je von diesem Schauspieler gehört.
Steckt ein Geheimnis dahinter?
Vorsichtshalber übernahm dpa den Namen, und so meldete auch der Teletext des ZDF die Teilnahme Friedmanns an dem Ereignis, ebenso wie die Aachener, die Siegener und andere Zeitungen, die dazu noch die anwesenden Sängerinnen Dagmar Frederic und Barbara Thalheim zu „Schauspiel-Kollegen“ der May ernannten.
Nachdem Werner Friedmann nun in aller Munde ist, sollte Mays langjährig befreundeter Kollege Werner Riemann überlegen, ob er sich nicht mit 83 Jahren in Friedmann umbenennt, denn dann wäre er endlich doch noch berühmt.
Gisela May indes würde Riemann vom Namenswechsel wohl abraten.

Fabian Ärmel