19. Jahrgang | Nummer 15 | 18. Juli 2016

Medien-Mosaik

von bebe

Einen Schatz haben vor wenigen Jahren die Deutsche Kinemathek und der Aufbau-Verlag gehoben: unveröffentlichte Kurzerzählungen einiger der bekanntesten deutschsprachigen Literaten des 20. Jahrhunderts. Vicky Baum, Heinrich und Klaus Mann, Joseph Roth und Felix Salten sind nur die bekanntesten unter ihnen. Dazu kommen prominente Filmleute, wie der Komponist Ralph Benatzky, der Schauspieler Fritz Kortner und der Regisseur Reinhold Schünzel. Sie alle versuchten in der Emigration, in Hollywood Fuß zu fassen, und boten ihre Geschichten zur Verfilmung an. Wiederentdeckt wurden sie im Nachlass des Agenten Paul Kohner, der 1921 19-jährig zum Film nach Hollywood geholt wurde, wo er sich besonders seit den dreißiger Jahren für Emigranten aus dem deutschsprachigen Raum einsetzte. Die veröffentlichten Texte sind in unterschiedlicher Ausarbeitung. Manchen sieht man den vorläufigen Charakter deutlich an, andere sind kleine Kunstwerke. Immer aber findet man charakteristische Züge der Autoren wieder, seien es melodramatische bei Vicky Baum oder geistreich politische wie bei Klaus Mann, der – noch immer aktuell – die Vereinigten Staaten von Europa heraufbeschwört.
Die Herausgeber haben umfangreiche Kommentare zu den Texten und ihren Verfassern geliefert und in Kohners Briefwechsel manch interessantes Detail ausgegraben. So kann man nachlesen, wie einfühlsam – wenn auch aus guten Gründen ablehnend – Kohner auf den damals 70jährigen Satiriker Roda-Roda einging. Schade, dass von ihm kein Text in den lesenswerten Band Eingang fand.

Wolfgang Jacobsen/ Heike Klapdor (Herausgeber): In der Ferne das Glück, Aufbau-Verlag, Berlin 2013, 500 Seiten, 26,99 Euro, als E-Book bei Weltbild, 19,99 Euro.

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Eine junge, angehende Staatsanwältin fühlt sich überfordert und wird zur Aussteigerin. Ein durchaus sympathischer Beginn des Films „Ferien“, der sich danach sacht verläppert. Es gibt keine Fabel im eigentlichen Sinne, nur Episoden mit Figuren, deren Beziehungen nicht deutlich werden. Jede und jeder scheint hier einen psychischen Knacks zu haben, der nicht erklärt wird. Vielleicht strebte die Regiedebütantin, die die HFF „Konrad Wolf“ absolviert hat, etwas frei Schwebendes an, was ihr bei vielen faden Gags jedoch nicht gelang. Britta Hammelstein in der Hauptrolle wird von dem zur Drehzeit 14-jährigen Jerome Hirthammer an die Wand gespielt. Golo Euler sollte aufpassen, dass er wieder aus der Schublade herauskommt, in der er stets den negativen Pol in einer Beziehung spielt. Eine Überraschung ist immerhin der Jurist und Erfolgsautor Ferdinand von Schirach, der einen menschenscheuen, verschlossenen Sonderling glaubwürdig, aber doch einschichtig spielt. Und dann ist da noch Detlev Buck in einer Vaterrolle, die er auch bei den Dreharbeiten ausübte, denn er ist der Vater der Regisseurin Bernardette Knoller. Dass Kinder in die Fußstapfen ihrer Eltern treten, kommt bei Bäckern oder Autoschlossern ebenso vor wie bei Medizinern und Künstlern. Das Handwerk kann man erlernen – das „gewisse Etwas“ ist nicht erlernbar und hat sich bei Frau Knoller noch nicht Bahn gebrochen.

Ferien, Regie Bernardette Knoller, DCM Filmdistribution, seit 7.7. in ausgewählten Kinos.

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Als Verfasser der Liebes-Novellen „Rheinsberg“ und „Schloß Gripsholm“ ist Kurt Tucholsky bekannt. Aber erst mit der vor fünf Jahren bei Rowohlt abgeschlossenen Gesamtausgabe wurde bekannt, dass der Autor eine dritte Erzählung hinterlassen hat. Sie war nicht für den Druck bestimmt und liegengeblieben. „Seifenblasen“ ist nämlich (Überraschung!) eine Filmerzählung, ein Exposé. Natürlich geht es auch ums Verlieben, aber wie in den beiden anderen Erzählungen ging es Tucholsky darum, zusätzlich die Konventionen der Zeit aufs Korn zu nehmen. In diesem Fall ist es die damals noch nicht so genannte Transgender-Thematik. Es geht um Barbara, ein „Fräulein Nummer“ am Varieté, das als Damenimitator zu einem umjubelten Star wird, in den sich viele Frauen verlieben – Frauen und ein Mann, der auf einem Wochenendausflug entdeckt, was es mit ihr auf sich hat. Dazu kommt noch eine etwas weit hergeholte Kriminalgeschichte. Barbara ist also eine Frau, die vorgibt, ein Mann zu sein, der sich abends auf der Bühne in eine Frau verwandelt. Ganz schön kompliziert, aber wer eine der drei Verfilmungen von „Viktor und Viktoria“ gesehen hat, weiß, wie doppelbödig das funktioniert.
Tucholsky, hier als Peter Panter tätig, zeigte in seinem Filmtext, dass er durchaus filmisch denken konnte. Bei ihm spielte die moderne Technik in Gestalt von Telefonen eine Hauptrolle. Er entwickelte für den damals noch ganz neuen Tonfilm bereits in seinem Szenarium dramaturgisch begründete Geräusch-Collagen. Dazu griff er auf seine Stärken zurück, den Mutterwitz und den Einsatz zahlreicher Chansons.
Peter Panters Exposé von 1931 für die Nero-Film blieb unverfilmt. Den Stoff griff Robert Liebmann für die Ufa auf und schrieb besagten „Viktor und Viktoria“ für den damaligen Publikumsliebling Renate Müller. Ihr Konterfei schmückt auch den Titel der seit kurzem erhältlichen ersten Einzel-Edition des Textes als E-Book. Eine Print-Fassung ist in Vorbereitung. Michael Töteberg hat ein kundiges Vorwort geschrieben, in dem er Tucholskys schwieriges Verhältnis zum Medium Film darlegt.

Kurt Tucholsky: Seifenblasen – Eine Filmerzählung, Rowohlt Rotation, E-Book, 3,99 Euro.