von Angelika Leitzke
Sollte trotz allen Glaubens an die menschliche Unsterblichkeit der eigene Todesfall eintreffen: Man sterbe nicht, vor allem hinterlasse man kein Testament! Erstens erfordert das einen gewissen Schreibaufwand – abhängig von der Größe der Mobilien und Immobilien, die Sie vermachen wollen. Zweitens sind Sie womöglich zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie Ihr Testament aufsetzen, schon so dement, dass Sie weder wissen, wie viele im Ausland lebende Kinder Sie haben, noch über sonstige latente, aber erbberechtigte Verwandte Kenntnis haben. Ohnehin haben Sie längst jeglichen Überblick über Ihr Hab und Gut verloren. Drittens: Sollten Sie Ihr Testament nicht in Ihrer Schublade verwahren, sondern es bei einem Amtsgericht hinterlegen wollen, dürfen Sie gleich 100 Euro mit hinterlegen.
Was der Testamentsschreiber oft nicht ahnt: den Zeit- und Geldeinsatz für die Hinterbliebenen, Ihre Erben also, die Unsummen an Notariate, Nachlassgerichte und sogar an Steuerbehörden zu zahlen haben, bevor sie überhaupt nur einen Schuh von Ihnen erhalten dürfen. Alle möchten an Ihrem Tod etwas verdienen, als würde es nicht schon reichen, Beerdigungsinstitute den Rachen mit Geld zu stopfen: für ein bürgerliches Normalbegräbnis etwa 3000 Euro. Die Blaskapelle, die Ihnen zum Tod eins pfeifen will, inklusive.
Man hinterlasse also kein Testament. Automatisch erben, sofern Ihr Ehepartner schon vor Ihnen das Zeitliche gesegnet hat, zuallererst Ihre leiblichen Kinder. Man hinterlasse kein Testament: siehe Heinz Berggruen! Der 2007 verschiedene Kunst-Milliardär drückte sich so vor der Hingabe von Wertgegenständen wie einigen Cézannes, van Goghs, Braques und Picassos an Museen, die darauf im Falle seines Todes als eine Art von postumer Wiedergutmachung spekulierten, nachdem „Heinzi“ mit seinen hochkarätigen Leihgaben an öffentliche Kunstinstitutionen Steuern und Versicherungskosten gespart hatte.
Für Ihre Nachkommen gelte: Man schalte kein Notariat ein. Die hohen Gebühren, die hinsichtlich der Erbschaftsbearbeitung hier fällig werden, entsprechen in keiner Weise dem Aufwand, den dieser Dienstleistungsbetrieb vermeintlich betreibt, der mit dem kassierten Geld nur moderne Kunst für seine Büroräume kauft. Man schalte auch deswegen kein Notariat ein, weil es sich so viel Zeit für Ihren Nachlass nimmt, dass Sie entweder ein bis zwei Jahre in die Röhre schauen müssen oder selbst vom Schlag getroffen werden, ehe Sie Ihr Erbe rechtmäßig antreten können.
Wenn Sie schon erben sollen oder wollen, bitte möglichst nur mobile Gegenstände von geringem Wert wie D-Mark-Stücke, Hausgerümpel oder Memorabilien, darunter alte Familienfotos, das Holzkruzifix über dem Bett oder die letzten Hauspantoffeln. Jeder Nachlass von höherwertigen mobilen Objekten wie Chippendale-Stühlen, Max-Liebermann-Gemälden, Hitlers „Mein Kampf“ (Erstausgabe!), Oldtimern, Yachten und Privatjets, ferner immobilen Ein- und Mehrfamilienhäusern oder Schlössern reizt nicht nur jedes Finanzamt, sondern ist hinsichtlich des optimalen Weiterverscherbelns an Dritte individuell zu beurteilen, was entsprechende Fachkenntnisse heranzuziehender Experten erfordert, die wiederum an Ihnen, den Erben, ihr Geld verdienen wollen. Mag einiges für Sie als Erbe von scheinbar unschätzbarem Wert sein: Für unsere kapitalistische Marktgesellschaft ist es das beileibe nicht, da doch der Wert dessen, was einmal wert war, ständig im freien Fall begriffen ist.
Man habe als Erbe auch möglichst keine Vorfahren, da sonst diverse Erbscheine erforderlich sind, die – da im Original nur noch im Zerfallszustand – vom Nachlassgericht neu fabriziert werden müssen, was zu einer sehr kostspieligen Angelegenheit werden kann. Rechnen Sie ruhig mit 500 Euro pro Scheinchen. Man habe natürlich möglichst auch keine Geschwister, geschweige denn Halbbrüder oder Halbschwestern, mit denen man eventuell vor Gericht um seinen Anteil streiten muss – auch Rechtsanwälte kosten Geld.
Falls Sie sich trotzdem mit einem Testament herumschlagen müssen und ein Notariat anpeilen – belegen Sie rechtzeitig einen Kursus in deutscher Rechtschreibung und Grammatik und engagieren Sie auch einen Graphologen, der Sie beim Entziffern der Sütterlin-Schrift, in der eventuell das Testament Ihrer verstorbenen Mutter noch abgefasst ist, mit Rat und Tat unterstützt. Da Notariate im schriftlichen Ausdruck offiziell abgesicherte Kretins sind, Sie aber dennoch jede Zeile dessen, was man für Sie bearbeitet, genau durchlesen müssen, um nicht übers Ohr gehauen zu werden, sollten Sie mit einer entsprechenden Rechtschreibqualifikation gerüstet sein. Wundern Sie sich auch nicht, wenn Sie die diversen Vornamen Ihrer verstorbenen Eltern auf den Papieren der zuständigen Behörden nicht mehr wiedererkennen. So lässt sich aus einer Margaretha leicht eine Margarete oder Margret machen. Adalbert, Adelbert, Adalbero, Adelbrecht, Adalbrecht dürften sich dabei zum reinsten Spekulationsobjekt bei den Nachlassgerichten entwickeln, die an einer Berichtigung der von ihnen falsch geschrieben Namen reich werden – Sie aber arm.
Zwar haben deutsche Rechtshüter den Ruf, äußert pingelig bei Forderungen zu sein. Sollten Sie selbst aber etwas von ihnen wollen, behalten sie sich das Recht vor, nicht nur viel Zeit verstreichen, sondern auch keinerlei Sorgfalt walten zu lassen. Wieso auch? Ist doch ein Notar wörtlich genommen lediglich ein „Geschwindschreiber“, und auf künstlerische Ästhetik müssen Sie ohnehin verzichten, da nicht jeder Notar so stimmlich geübt ist wie ein Dr. Falke aus der Strauss-Operette „Die Fledermaus“. Vorausgesetzt natürlich, Sie zählen nicht zu den Leuten, die eine beträchtliche Erbschaft zu verrechnen haben. Erst ab 400.000 Euro aufwärts können Sie mit einer privilegierten Behandlung Ihrer Sache rechnen.
„Deines Reichtums wird sich ein Erbe bemächtigen“, konstatierte Horaz schon vor 2000 Jahren. „Sterben und Erben bringt viel Kummer“ oder: „Wer auf Schuhe hofft, die er erben soll, muss erst einmal barfuß laufen“ heißt es im Schatz der deutschen Sprichwörter. Jeder, der sich seiner eigenen Sterblichkeit bewusst ist, sollte diesen Schatz kennen.
Schlagwörter: Angelika Leitzke, Erbschaft, Recht, Testament