von Peter Petras
Durch den Luftangriff auf ein Flüchtlingslager im Dorf Al-Kammuna in der Provinz Idlib vor der türkischen Grenze, im Nordwesten Syriens, waren am 5. Mai 2016 mindestens 28 Menschen getötet worden, darunter viele Frauen und Kinder. Der UNO-Nothilfekoordinator Stephen O’Brien zeigte sich entsetzt und sprach von einem „möglichen Kriegsverbrechen“. Kommentatoren verwiesen darauf, dass ein solcher Anschlag die Friedensverhandlungen erschwere, ja unmöglich machen könnte.
Frankreich sah – wie nicht anders zu erwarten –die Schuld sofort beim syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Syriens Militär wies – wie ebenfalls zu erwarten – jede Verantwortung für den Luftangriff weit von sich. Es gäbe Informationen, „Terrororganisationen“ würden in letzter Zeit absichtlich zivile Ziele attackieren. Und in der Umgebung jenes Lagers kontrollieren islamistische Banden das Terrain. Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte, es habe sich kein russisches oder anderes Flugzeug über dem fraglichen Gebiet befunden. Die Sicherheitsberaterin des US-Präsidenten Barack Obama, Susan Rice, und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini äußerten ebenfalls Kritik. Da das relativ verhalten geschah, war zu vermuten, dass die Streitkräfte der USA und die NATO bereits zu diesem Zeitpunkt dank ihrer Aufklärungssatelliten im Weltraum wussten, dass der russischen Feststellung mit Fakten jedenfalls nicht zu widersprechen war. Am 7. Mai gab es westliche Videos und Fotos, aus denen hervorgeht, dass die Flüchtlinge offensichtlich Opfer von Gas-Kanister-Raketen wurden, wie sie von islamistischen Söldnern eingesetzt werden. Hinweise für Einschläge von Raketen, die von Flugzeugen abgeschossen werden, gab es nicht.
Gleichwohl wurde im deutschen Fernsehen wieder einmal Propaganda betrieben. Das heute-journal brachte am Abend des 6. Mai in den Nachrichten schreckliche Bilder von dem Lager, den Löscharbeiten und den Zerstörungen sowie aufrüttelnde Bilder von den Betroffenen. Der Reporter berichtete sachgerecht, dass „der Tod aus der Luft“ kam, ob mit Flugzeugen oder Raketen wisse man nicht. Er sagte: „Bisher weiß niemand mit Sicherheit, wer für den Angriff verantwortlich ist.“
Anschließend wurde ein Interview mit Dr. Guido Steinberg eingeblendet. Er wurde von Moderator Claus Kleber vorgestellt als „Fachmann für die Region“ bei der „Denkfabrik“ Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin, die „die Regierung berät“. Tatsächlich ist Steinberg gelernter Islamwissenschaftler, der nicht nur in Köln, sondern auch in Damaskus studiert und über Religion und Staat in Saudi-Arabien promoviert hat. Bis 2005 – so steht es zumindest bei Wikipedia – war er „Terrorismusreferent“ im Bundeskanzleramt, also noch unter Gerhard Schröder.
Auf Klebers Frage, wer denn ein Interesse an einem solchen Terroranschlag haben könnte, antwortete Steinberg prompt: „das Regime“, also Assads Regierung. Es wolle „mit allen Mitteln Zivilisten bekämpfen“ und die sunnitische Bevölkerung vertreiben, um freies Schussfeld gegen die islamistischen Milizen zu haben. Es sei davon auszugehen, dass „das Regime verantwortlich“ ist, das Verbrechen passe zu seiner Strategie.
Da war es wieder, das „Assad muss weg“-Gerede als das Alpha und Omega deutscher Syrienpolitik. Kein Wort davon, dass die Assad-Regierung in die Friedensverhandlungen mit der nicht dschihadistischen Opposition eingewilligt hat, dass es auf Druck Russlands auch dem Waffenstillstand zugestimmt hatte. Aus diesem Waffenstillstand sind von Seiten sowohl der USA und Russlands als auch Assads und der Opposition der sogenannte Islamische Staat (IS) und die anderen dschihadistischen Banden ausgeschlossen. Die Regierung und Russland wie auch die USA und ihre Koalition der Willigen bekämpfen auch weiterhin den IS, wenngleich mit unterschiedlicher Intensität. Deshalb kann nur der IS an einer Sabotage der Friedensverhandlungen interessiert sein, bekämpft er doch seinerseits die Assad-Regierung wie die nicht-dschihadistische Opposition.
Steinberg, der „Fachmann für die Region“, sollte das wissen. Er hat es aber nicht gesagt. Ob der ausgebuffte Journalist Kleber absichtlich die Propagandarederei von Steinberg gesendet hat, die in offenem Gegensatz dazu stand, was Sekunden zuvor von „vor Ort“ berichtet wurde, um mal zu zeigen, über welche „Denkfabriken“ dieses Land so verfügt, oder ob er meinte, der Zuschauer heutzutage merke den Widerspruch ohnehin nicht, wissen wir nicht.
Das Fazit lautet: In Deutschland ist „Denkfabrik“ nicht gleichzusetzen mit Wahrheits- oder Wissensfabrik. Möglicherweise will Guido Steinberg sich auch nur wieder den Weg ins Kanzleramt oder zu anderen höheren Weihen eröffnen. Aber eine Politikberatung, die vorher fragt, was die Politik denn so hören möchte, und das dann liefert, trägt nicht zur Beratung, sondern nur zur Reproduktion falscher Politik bei.
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