19. Jahrgang | Nummer 9 | 25. April 2016

Antworten

Cox Habbema, Bühnen- und Filmzauberin – Es ist schwer vorstellbar, dass Sie ganz still und dann auch noch für immer von uns gegangen sind. Die Nachricht von Ihrem endgültigen Abgang von den Brettern, die die Welt bedeuten, hat uns erschüttert. Ihre kluge Bauerntochter und so große Regieleistungen wie Hacksens „Senecas Tod“ am Deutschen Theater mit Eberhard Esche in der Titelrolle haben sich uns eingebrannt. Wir sind uns sicher: Bei Lesen der olympischen Pressemeldungen erlitten sowohl Melpomene als auch die Thalia einen Schock.

Daniela Hannemann-Erdinç, Pressesprecherin Sputnik Mediateam – Sie teilten uns mit, dass der Zugang zu Ihren Internet-Seiten „wegen technischer Überprüfungen und rechtlicher Einschätzung“ am 15. April von der türkischen Regierung gesperrt worden sei. Das muss Sie nicht sonderlich beunruhigen. Ähnliches ist der Monatszeitschrift Sputnik in der späten DDR auch widerfahren. Das Ergebnis ist bekannt.

Günter Nooke, Einheits-Wippen-Juror – Empört nahmen Sie die Bundestagsentscheidung zur Kenntnis, das überteuerte Betonteil nicht zu bauen, jedenfalls nicht in Berlin: „Es braucht einen Aufschrei!“ Vollkommen korrekt haben Sie das Personalpronomen „es“ benutzt. „Es“ legt sich hinsichtlich des Geschlechtes nicht fest, das Kind ist „es“. Ihre Forderung ist kindisch. Sie scheinen das zu wissen… Niemand braucht ihren Aufschrei wirklich. Unsere Kinder übrigens am allerwenigsten. Die haben sowieso nach unser aller biologischen Abgang den von uns verzapften baulichen Quatsch am Hals.

Hans Dieter Pötsch, guter Mensch von Wolfsburg, armutsgefährdet – Ihr Lebtag lang haben Sie sich aufgeopfert: Seit 2003 für VW und Porsche und seit 2015 verschleißen Sie sich als Aufsichtsratsvorsitzender der Wolfsburger Autoschrauber. Anstandshalber sollten Sie für den Verlust ihres sicheren Arbeitsplatzes als Finanzvorstand des Konzerns mit zehn Millionen Euro Abstandszahlung getröstet werden. VW ist bekannt für sein soziales Herz. Aber nun sind wir wirklich enttäuscht über den miesen Umgang mit den Wolfsburger Beschäftigten. 30 Prozent Verzicht sollen die Konzernmanager bei ihren Bonus-Zahlungen hinnehmen! Und das alles nur, weil wegen einer fehlerhaften Software („die Dieselthematik“) lächerliche 80 Milliarden Euro Verlust aufgelaufen sein sollen. Wegen Strafzahlungen, Rechtsanwaltskosten und Kundenentschädigungen, wie das Handelsblatt meinte melden zu müssen. Da bleiben ja nur noch sieben Millionen für Sie übrig! Herr Pötsch, wir verneigen uns voller Demut vor Ihrer Großherzigkeit, trotz dieses erwiesenen Undanks diesen Knochenjob weiter ausüben zu wollen.

Slavoy Žižek, Philosoph – Es gibt ja immer noch ökonomische Rattenfänger, die uns weismachen wollen, und ebensolche Vollpfosten, die daran glauben, dass der globale Finanzcrash von 2008 kein Versagen der sogenannten freien Marktwirtschaft war, sondern Ergebnis übermäßiger staatlicher Regulierung. Kurzformel: Sozialstaat verhindert freie Entfaltung des Marktes. Diesem Nonsens haben Sie eine mit dem Titel „Finanz-Porno“ versehene geballten Ladung verpasst: „Die Lehre aus den Panama Papers ist, dass genau das nicht der Fall ist: Korruption ist keine zufällige Abweichung des globalen kapitalistischen Systems – sondern Teil seiner grundsätzlichen Funktionsweise. Die Wirklichkeit, die die Panama Papers beschreiben, ist die der Klassentrennung. So einfach ist das. Sie zeigen auf, wie wohlhabende Menschen in einer Welt leben, in der andere Regeln gelten. Eine Welt, in der das Rechtssystem und die Behörden die Reichen nicht nur schützen, sondern sogar die Rechtsstaatlichkeit systematisch untergraben, um ihnen entgegenzukommen.“ Wir haben weder Ihrem Titel noch der Ladung irgendetwas hinzuzufügen!

Petro Poroschenko, ausländisches Staatsoberhaupt – „Ich reiche allen Oppositionskräften die Hand.“ Das sagten Sie nach der Wahl Wolodimir Groismans zum neuen Kiewer Premier. Wir kommentieren das jetzt mal lieber nicht. Angesichts des wieder in Mode gekommenen § 103 StGB fiel der Blättchen-Redaktion auf, dass sie sich noch immer nicht dazu durchgerungen hat, einen Sitz-Redakteur zu benennen.

Edmund Stoiber, Schrecken der Bürokratie – Einst wurden Sie nach Brüssel entsorgt und mit der Titanenaufgabe betreut, der Bürokratie den Garaus zu machen. Wie erfolgreich das gelungen ist, war am 20. April im berühmten Restaurant „Auerbachs Keller“ in Leipzig zu begutachten. Der Keller war nämlich an jenem Mittwoch, sonst ein normaler Geschäftstag, zu, um – einen „Tag der Bürokratie“ einzulegen. Warum? Weil es nicht möglich ist, alle für die 110 Mitarbeiter gesetzlich vorgeschriebenen Schulungen bei laufendem Betrieb fristgerecht durchzuführen. Für diesen Fall drohen allerdings Geldbußen. Doch gleich einen ganzen Tag? „Der wird kaum reichen“, hatte Restaurant-Chef Bernhard Rothenberger im Vorfeld erläutert: „Eine Stunde Hygiene und Gefahrenschutz, eine halbe Stunde Datenschutz, eine halbe Stunde Brandschutz, eine Stunde Erste Hilfe, dann folgen Unterweisungen zur Nutzung von Leitern und Tritten sowie zum Heben und Tragen. Zuletzt sind der Mutterschutz und diverse Spezialthemen dran.“ Mittwoch sei ein schwacher Tag, aber 20.000 Euro Umsatzausfall habe man trotzdem. Im normalen Alltag habe sein Restaurant im Übrigen „ständig Besuch von Kontrolleuren. Berufsgenossenschaft, Brandschutz, Jugendschutz, Hygiene, diversen Versicherungen, Künstlersozialkasse. Der Zoll schaut nach, ob ich Leute schwarz beschäftige […]. Vom Finanzamt sind fast jedes Jahr bis zu drei Leute drei Wochen bei uns. Es ist immer irgendjemand da, der etwas aufschreibt und kontrolliert.“ Da drängt sich doch tatsächlich die Frage auf: „Ist der Stoiber in Brüssel schon fertig, und hat er etwas bewirkt?“

Gwyllyn Samuel Newton (Glenn) Ford, unvergessener Westerner – Zu einem großen US-Filmpreis hat es in Ihrer Schauspieler-Karriere nicht gereicht – kein Golden Globe, kein Oscar. Aber in der „Western Hall of Fame“ ist Ihr Name verewigt, und das zu Recht: „3:10 To Yuma“ („Zähl bis drei und bete“; Regie: Delmer Daves, 1957), in dem Sie einen Ihrer eher seltenen Bösewichte gaben, zählt zu den Klassikern des Genres (2007 durch ein Remake mit Russell Crowe in der Hauptrolle erneut in den Kinos); „Cowboy“ (Regie: Delmer Daves, 1958; zugleich die einzige Westernrolle des unvergessenen Jack Lemmon) ist ein Streifen von teilweise fast dokumentarischer Authentizität, und in dem Monumentalwestern „Cimarron“ (Regie: Anthony Mann, 1960) stellten Sie (an der Seite von Maria Schell) einen Zeitungsherausgeber im Wilden Westen dar, der sich – sehr zum Ärger seiner weißen Zeitgenossen – heftig für die Rechte der Indianer einsetzt. Im US-Kino von 1960 keine Selbstverständlichkeit. Überdies galten Sie als Nummer drei unter Hollywoods Leinwand-Revolverhelden – nach John Wayne und James Arness zogen Sie als drittschnellster! Am 1. Mai würden Sie 100 werden. Wir ziehen unseren Stetson und leeren ein Glas Bourbon auf Sie!