von Thomas Behlert
In der kalten Jahreszeit ist ein heimischer Herd Gold wert. An diesen setzt man sich dann und liest ein gutes Buch oder hört sich ein spannendes Hörbuch, zum Beispiel von Gert Prokop, an. Denn wie es der Literaturmarkt so will, sind gerade zwei seiner wichtigsten Science-Fiction-Geschichten auf Tonträgern erschienen. Über 120 Minuten lang kann man beste Unterhaltung mit den international bekannten Kriminalfällen „Wer stiehlt schon Unterschenkel“ und „Der Tod der Unsterblichen“ genießen.
Der 1932 in Richtenberg/Vorpommern geborene und 1994 in Berlin durch Selbstmord aus dem Leben geschiedene Schriftsteller Gert Prokop schrieb neben Büchern für die Jugend, die allesamt Klassiker der DDR-Literatur genannt werden müssen, vor allem spannende dicke Bücher für die Generation „Lesen, egal wo“. Jeder Erwachsene des Ostens, der als Jugendlicher Bücher unter der Bettdecke mit den Augen verschlang, weiß, dass Gert Prokop den Waisenjungen Pinky als Detektiv spannende Fälle lösen ließ. Mit viel Liebe zum Detail und mit einem ausgeprägten Hang zur Spannung verfasste der Schriftsteller Kriminalromane, die in der Zukunft angesiedelt sind und immer jede Menge Gesellschaftskritik aufweisen. Doch bevor er sich ganz der Spannung widmete, besuchte Gert Prokop die Kunsthochschule in Weißensee und arbeitete in den 1960er Jahren als Journalist und Redakteur für die Wochenzeitung NBI (Neue Berliner Illustrierte). Ab 1971 machte sich Prokop als Schriftsteller selbstständig und krempelte gleich mit der utopischen Erzählung „Der Tod der Unsterblichen“ die Science-Fiction- und Kriminalliteratur um, da bei ihm beide Genres auf sehr unterhaltsame Weise zusammen kamen. Später folgte „Wer stiehlt schon Unterschenkel“, ein Roman, der die heutige Zeit vorwegnimmt und mit verschärfter Gesellschaftskritik brilliert: Die USA ist zu einem totalitären Staat mutiert, in dem Konzerne unbeschränkte Macht haben und der Staat die totale Überwachung vorantreibt. Na, da gibt es doch mittlerweile schon Beispiele. Der zwergenhafte Privatdetektiv Timothy Truckle versucht trotz Ausbeutung, Überwachung und Polizeigewalt einige Fälle mit unorthodoxen Mitteln zu lösen, wobei er gleichzeitig als Agent der Untergrundbewegung für Freiheit und demokratische Ziele kämpft.
Nun muss man die genannten Bücher nicht mehr unbedingt lesen, sondern kann sie endlich als Hörbuch genießen. Der Schauspieler und Vorleser Peter Rauch, den Berliner Theaterbesucher bereits als Mitwirkenden in den Stücken „Unterm Birnbaum“ (nach Theodor Fontane) und „Der Triumph des Siegers“ (nach Erzählungen von Anton Tschechow) im Theater am Palais kennen, hat unter der Regie von Andreas Kallwitz eine hörenswerte Aufnahme entstehen lassen. Mit einer unverkennbaren Stimme, die rau, knarzend und dunkel klingt und mit der Rauch jedem „Mitwirkenden“ den Charakter verpasst, den Prokop meint, ist eine Suchtgefahr nicht auszuschließen. Man möchte gar nicht mehr weghören und genießt die Aufnahmen auf einen Ritt.
Gert Prokop: Die unglaublichen Kriminalfälle des Timothy Truckle, Euverge GmbH, Berlin 2015, 6,50 Euro.
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