18. Jahrgang | Nummer 23 | 9. November 2015

Antworten

Sigmar Gabriel, SPD-Klarsteller – Auch wenn in der Kieler Staatskanzlei ein Miesepeter auf SPD-Ticket namens Torsten Albig hockt – wir erinnern uns: der Genosse zweifelte noch im Juli an, ob die Bezeichnung „Kanzlerkandidat“ für die SPD überhaupt noch passe… –, es wurde Zeit, dass Sie etliches klarstellten. Erstens setzten Sie 2017 auf „Sieg“, zweitens träten Sie gegen Angela Merkel an und drittens: „Natürlich will ich Bundeskanzler werden, wenn die SPD mich aufstellen will. Das ist doch gar keine Frage.“ Doch, das ist es. Eine Ansage im Stern reicht eben nicht aus. Und selbst nach heftigsten Debatten fällt auch uns kein Grund ein, weshalb ausgerechnet Sie…

Jürgen Flimm, Berliner Opern-Gourmet und Poet – Obwohl Sie ganz eigenhändig zum Richtfeste vor einiger Zeit eine Hymne auf die Senatsbaudirektorin dichteten („Regula, Du edle Maid Helvetiens…“ oder so ähnlich), ist Ihr Musentempel immer noch nicht fertig. Jetzt haben Sie endlich den wahren Schuldigen gefunden. Der Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses zum Staatsopernskandal ist es! Immerhin sei der Schuld daran, dass Sie keine Opern mehr auf der Baustelle singen lassen dürfen. „Wir dürfen da nicht mehr rein. Damit keine Spuren verwischt werden…“, teilten Sie dem staunenden Tagesspiegel mit. Es steht zu vermuten, dass die parlamentarischen Banausen – immerhin zweifeln die seit Monaten an, dass die fetten Mehrkosten für Ihren Nobelbau überhaupt gerechtfertigt sind – inzwischen auch den Bauarbeitern das Betreten der Baustelle verboten haben. Deren Arbeitspumps dürften noch entschieden mehr Spuren zerlatschen als die Gummistiefel der Frau Netrebko. Unser Vorschlag: Greifen Sie doch einfach in die Werkzeugkiste der Berliner Geschichte. 1448 setzten die Berliner die Schlossbaustelle der Hohenzollern unter Wasser („Berliner Unwille“). Setzen Sie die Keller der Oper wieder unter Wasser. Das sind die doch sowieso gewöhnt. Der Effekt wäre ein doppelter: Diese blöden Spuren wären weg. Und es bräuchte nur noch eines kleinen Stichkanals zur Spree und Ihre Sopranistinnen könnten die Barkarole aus „Hoffmanns Erzählungen“ von einer echten venezianischen Gondel aus singen. „Scala“ und „Met“ könnten dicht machen!

Thomas de Maizière (CDU), Flüchtlingskritiker – „Wir haben zu beanstanden, dass Flüchtlinge ohne jede Vorwarnung an bestimmte Stellen gefahren worden sind und dort unvorbereitet und ohne jede Vorsorge an die deutsche Grenze gekommen sind“, empörten Sie sich. Ja geht’s noch? Von welchem Stern am Firmament kommen Sie denn dahergeschneit?

Johanna Mikl-Leitner, Wiener Zaunbauspezialistin, ansonsten Innenministerin der Alpenrepublik (ÖVP) – „Die derzeitige Situation in Slowenien, Österreich oder auch in Deutschland beweist, dass wir so rasch wie möglich an einer Festung Europa bauen müssen“, erklärten Sie dieser Tage. Als quasi Berufspopulistin dürfen Sie gerne ignorieren, dass an der „Festung Europa“ seit Jahren gewerkelt wird. Sie haben offenbar auch vergessen, dass aus den Alpen schon einmal jemand eine Festung machen wollte, um fremdländische Barbarenstürme zu stoppen. Und vor allen Dingen haben Sie vergessen, dass die Europäische Union eben nicht an den steirischen respektive kärtnerischen Südgrenzen aufhört. Anders ist es nicht zu erklären, dass Sie die Errichtung eines 50 Kilometer langen Zaunes an der Grenze zu Slowenien verteidigen. Gehört Slowenien nicht zu Europa, irgendwie jedenfalls? Oder war es die Ansage Ihres deutschen Amtskollegen, der Sie die Hacken zusammenknallen ließ? Österreich müsse „wieder zu einem geordneten Verfahren zurückkehren … Ich erwarte, dass das ab sofort geschieht.“

Dieter Dehm, multifaktorales Mitglied des deutschen Bundestages – Auch Sie äußerten sich kürzlich – im Interview mit WDR 5 – zur Flüchtlingsfrage. Neben verschwiemelten Aussagen wie „da wir eine multifaktorale Situation haben, brauchen wir auch eine multifaktorale Antwort“, wurden Sie auf Drängen des Interviewers erstaunlich konkret: „Auf Dauer – es befinden sich 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht – können nicht alle nach Nord- oder Zentraleuropa kommen. Es muss eine Lösung geben.“ Mit Verlaub: All zu weit entfernt sind Sie da von der Zaunbauerin Mikl-Leitner nicht… Kinderärzte, Ingenieure und Architekten sollen Ihrer Auffassung nach in ihrer Heimat bleiben, wenn sie denn nicht „politisch verfolgt“ sind. Andere sprechen in solchen Fällen von „sicheren Herkunftsländern“… Unser Tipp an Sie: Hüllen Sie sich nächstens besser in Schweigen. Multifaktorales Geschwätz hilft niemandem weiter. Übrigens empfahl uns der Computer beim Abspeichern Ihres Interviews folgenden Dateinamen: „Ich denke nicht“. Aber das ist, wie Sie sicher messerscharf belegen können, bösartigste imperialistische Unterschleife von NSA, Bill Gates, Apple und dem State Departement in Kooperation mit der Atlantik-Brücke.

Claus Peymann, Ätz-Bolzen – Über die Verhältnisse hierzulande lästerten Sie unlängst: „Wenn Menschen über das Mittelmaß hinwegragen, haben sie keine Chance. Der bekannteste Mittelmaßpolitiker ist noch immer Helmut Schmidt. Das Riskanteste an ihm ist das Rauchen. Alles andere: Mittelmaß. […] Wer aus dem Mittelmaß rauswill, wird gekippt. Ganz brutal. Heute sterben die Politiker nicht mehr durch Meuchelmord, sie sterben an ihrer Dissertation, an der kleinen, alltäglichen Mogelei.“ Und über den Unterschied zwischen Politik und Kunst: „Die Politik sucht den Kompromiss, also wird immer nur Boulevard gespielt. Die Kunst sucht das Extrem. Das Theater kann Visionen aufbauen.“ Sowie über alte Schauspieler und alte Politiker: „Es gibt praktisch keine schlechten alten Schauspieler. Ab 70 sind sie alle gut. Die Politiker werden erst besser, wenn sie nicht mehr im Amt sind. Der Schmidt hat doch erst im Alter zu seiner Rolle gefunden.“
„Mehr“, rief der kleine Häwelmann, „mehr!“