18. Jahrgang | Nummer 14 | 6. Juli 2015

Antworten

Hans-Jochen Tschiche, Verstorbener – Wer die unwiederholbar aufregende Zeit zum und nach dem DDR-Ende und dessen Akteure noch in Erinnerung hat, wird an einer solchen wie an Sie nicht vorbeikommen. Mit Bärbel Bohley und anderen hatten Sie als Theologe  im September 1989 das Neue Forum begründet und sich dann auch als Abgeordneter der ersten und letzten frei gewählten Volkskammer als eine moralische Instanz erwiesen; eine, die es Ihnen auch verbot, sich als Kommunistenfresser zu gerieren, wie manch andere Weggefährten unter den Bürgerrechtlern. Enttäuscht vom Übernahmeprozedere der Ex-DDR durch Kohls CDU wurden Sie später Mitglied der Bündnisgrünen und waren dann jahrelang deren Fraktionschef im Magdeburger Landrat. Nun ist mit Ihnen ein kostbares weil noch immer rares Beispiel politischer Kultur verlorengegangen, was auch uns betrübt.

Stefan Kaiser, Politikwissenschaftler und Volkswirt – In einem Spiegel-online-Kommentar zu Griechenlands Finanzkrise schreiben Sie unter anderem: „Angesichts der wirklichen Probleme des Landes ist diese Detailversessenheit völlig absurd. Man muss sich das einmal vorstellen: Da verhandeln die mächtigsten Frauen und Männer Europas über die Zukunft eines Landes, vielleicht sogar über das Schicksal der gesamten Europäischen Union. Und am Ende soll alles daran hängen, ob die griechischen Bauern ihre Steuervergünstigungen für Benzin behalten dürfen oder die Unternehmensteuer auf 28 oder 29 Prozent angehoben wird?“ Dem ist kaum etwas hinzu zufügen.

Horst Seehofer-CSU-Zündler – Sie wüssten aus (natürlich!) vielen Gesprächen mit seinerzeit „deutschen Heimatvertriebenen“, dass diese den zum Beispiel von Gauck gebrauchten Vergleich mit den heutigen Flüchtlingen nach und in Deutschland „nicht gerne hören“; deutsche Flüchtlinge spielen wohl in einer anderen Empathieliga. Mal abgesehen davon, wie viele Gespräche Sie mittlerweile mit den aktuellen Flüchtlingen geführt haben mögen: Wenn Sie an all das die Forderung knüpfen, dass es „jetzt auch […] auch um massenhaften Asylmissbrauch“ gehe, den Sie also als Thema im Thema präferieren, dann ist das nichts anderes als eine Steilvorlage für zum Beispiel (!) jene guten Deutschen, die derzeit in Freital den „Asylmißbrauchern“ auch Rettungsstätten in Deutschland zur Hölle machen möchten. Glückwunsch zu so viel staatsmännischem Verantwortungsbewusst sein, beziehungsweise zur neuerlichen Selbstoffenbarung. Danke – wir haben uns in Ihnen zumindest nicht geirrt.

Elizabeth Alexandra Mary Windsor – Ihr königlicher Besuch in unserem schönen, im Stillen aber offenbar noch immer unter dem Verlust der Monarchie leidenden Gemeinwesen hat neuerlich unter Beweis gestellt, dass Fassungslosigkeit einen Namen hat: deutsches Mediengebaren! Wobei man attestieren muss, dass auch bei dieser Ihrer fünften Visite im teutonischen Lande eines Ihrer früheren Vorfahren die Diskretion des hiesigen Journalismus gegenüber den ganz tiefen Geheimnissen Ihrer Persönlichkeit noch immer funktioniert: Nicht einmal der gnadenlos investigative Boulevard hat versucht, die Farbe jener Seide preiszugeben, mit der Ihre Handtasche (die blaue!) innen gefüttert ist. Vielleicht wird aber die deutsche Presse bei Ihrem nächsten Besuch bei uns den aufklärenden Rigorositätsgrad der britischen Branchen-Kollegen erreicht hat, und dann fällt hoffentlich auch dieses letzte wohlgehütete Geheimnis

Bodo Ramelow, Chefthüringer – „Die Nato setzt auf aggressive Interventionspolitik, aber Russland ist eben auch kein Friedensstifter“, haben Sie im Kontext des Ukraine-Konfliktes geurteilt. Nun könnte man das für eine binsenweise Analyse halten, wären nicht gar zu viele Linke damit beschäftigt, besagte Vorgänge nach dem tradiert einseitigem Bewertungsmuster von Täter-Opfer zu beurteilen, bei dem Moskau allein das Opfer ist…

Wolfgang Schäuble, fleischgewordener Rechenschieber – Kaum jemand dringt so hartnäckig darauf, dass gegenüber Griechenland die Regeln des EU-Stabilitätspaktes nicht aufgeweicht werden. Nun ist dagegen, betrachtet man das alles ausschließlich prinzipiell, natürlich kaum etwas zu sagen. Außer vielleicht eine Erinnerung daran, dass es Deutschland war, dass zwischen 2002 und 2005 durchgehend die festgelegte Defizitmarke seines Haushalts von drei Prozent des BIP überschritten hat, 2010 dann ein weiteres Mal. Brüssel, das eigentlich verpflichtet war, dies per festgelegter Instrumente – darunter auch erkleckliche Strafzahlungen – zu sanktionieren, hat das immerhin eingeleitete Verfahren aber 2007 straffrei eingestellt. Unsereins hat wenig davon vernommen, dass Deutschland gegen diesen Großmut mit Hinweis auf die Unverletzlichkeit der EU-Regelungen protestiert hätte.