von Wolfgang Hochwald
Es gibt in der populären Musik nicht so oft Geschichten, die es zu erzählen lohnt. Eine Ausnahme bildet das Leben von Bill Fay – vielleicht weil dessen Geschichte sich über fünf Jahrzehnte und zwei Generationen hinzieht und somit so gar nicht in die kurzlebige Musikwelt passt. Oder aber weil wir immer noch gern etwas hören wollen, was wie ein Märchen anmutet.
Bill Fay, der heute Anfang 70 ist, hat 1970 und 1971 zwei Langspielplatten mit etwas obskurem Folkrock veröffentlicht. „Bill Fay“ und „Time of the Last Persecution“ fanden jedoch wenige Käufer, so dass die Plattenfirma den Vertrag mit Fay kurzerhand beendete. Dieser zog sich zurück und verdiente sein Geld, wie es heißt, als Erntehelfer, Gärtner, Putzmann oder in der Fischabteilung eines Supermarkts. Fay selbst sprach in einem Interview davon, dass er sich in dieser Zeit damit abgefunden hatte, musikalisch „deleted“, also so viel wie ausgelöscht oder annulliert zu sein.
Die beiden Platten jedoch wurden von Musikfans als Geheimtipps weitergegeben und 1998 noch einmal veröffentlicht. Jeff Tweedy von Wilco, REM und Nick Cave spielten Songs des Künstlers und versuchten, Kontakt zu ihm aufzunehmen. Doch es waren ein Mann namens James Henry und sein Sohn Joshua, die die künstlerische Rückkehr von Bill Fay auf den Weg brachten. Joshua hatte die alten Vynils von Bill Fay in Vaters Plattensammlung gefunden und teilte dessen Begeisterung für die Musik. Der Traum eines jeden musikbegeisterten Vaters wurde wahr: Die Musik, die man liebt, wird an die Kinder weitergegeben.
Doch Joshua tat noch einen Schritt mehr. Inzwischen selbst Anfang 30 und Musikproduzent, suchte er Anfang der 2010er Jahre Bill Fay und fand einen Mann, der seit 40 Jahren seine Musik am Piano nur noch für sich selbst zu Hause aufnahm und „imaginary records“ machte, wie er es selbst beschrieb. Aus diesen Unmengen an Material entstand dank Joshua Henrys Einsatz 2012 die Platte „Life Is People“. 41 Jahre nach seiner letzten Veröffentlichung fand Bill Fay endlich breite Anerkennung – und verzichtete auf die materielle Entlohnung. Er gab seinen Anteil am Verkaufserlös an „Ärzte ohne Grenzen“ weiter.
Nun ist „Who Is The Sender?“ erschienen, Bill Fays neueste Veröffentlichung, wieder von Joshua Henry produziert. Der Rezensent hatte vor kurzem die Möglichkeit, den Kölner Dom nachts in einer kleinen Gruppe zu besuchen. Ein Wunder der Baukunst fast alleine erleben. Ein ähnlich erhebendes Gefühl stellt sich beim Hören von „Who Is The Sender?“ ein. Eine schwelgende, vielleicht gospelartige Musik, die kitschig wäre, wenn sie denn nicht von diesem alten Mann mit hohem Ernst und tiefer Liebe vorgetragen würde. Arne Willander schreibt in seiner Plattenkritik im Rolling Stone: „Bill Fay hat eine Transzendenz und Jenseitigkeit erreicht, die so erschüttert, wir nur etwas sehr, sehr Großes erschüttert: eine Geburt, letzte Worte, das Erhabene der Natur, eine religiöse Erfahrung, eine Liebe.“
Dieser Eindruck entsteht nicht zuletzt durch Bill Fays Texte. Er beklagt einerseits die aus den Fugen geratene Welt, dass unsere Steuern für Waffen ausgegeben werden („War Machine“) und Kinder Kriegsopfer sind („Underneath the Sun“), andererseits aber hat man auch das Gefühl, dass er seinen Frieden mit dieser Welt gemacht hat. Die Suche nach dem höheren Sinn und Gottes Hilfe („Bring It On Lord“) könnte hippiehaft und naiv klingen, wenn man nicht spürte, wie persönlich und ehrlich die Texte des Künstlers sind.
All songs written by Bill Fay heißt es auf der CD, aber der Künstler sieht sich nur als Sprachrohr. Oft fragt man sich bei mystischen Songs, woher die besondere Wirkung solcher Lieder kommt. Bill Fays Antwort im Titelsong: „Had a song delivered through my ears today / Through the chords on this piano that I play / Who is the sender I´d really like to know.“ Und schließt den Song mit „I wanna say thank you to the unknown sender far away“.
Auch diese Bescheidenheit macht die Geschichte des fast vergessenen großen alten Mannes erzählenswert.
Bill Fay: Who Is The Sender?, Dead Oceans, 2015, 14,99 Euro.
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