von Ulrich Busch
Als Spätfolge der Finanzkrise der Jahre 2007ff. ist jetzt eine Diskussion darüber entbrannt, welchen Stellenwert künftig das Bargeld in den entwickelten Volkswirtschaften haben soll. In Dänemark ist bereits eine Entscheidung gefallen: Der Annahmezwang für Bargeld wird demnächst aufgehoben und ab 2018 werden keine neuen Banknoten mehr ausgegeben. Andere skandinavische Staaten werden diesem Beispiel folgen. In Deutschland hingegen tut man sich damit noch schwer: Hier findet erst einmal eine Diskussion darüber statt, bevor eine so weitreichende Entscheidung gefällt wird. Und das kann dauern. Die Bundesbank hat vorsorglich darauf hingewiesen, dass für die nächste Zeit keine Einschränkungen des Bargeld-Gebrauchs geplant seien. Dies gilt sicherlich für die Euro-Zone insgesamt – zumindest vorerst.
Gegenwärtig spielt das Bargeld im privaten Zahlungsverkehr noch eine große Rolle. Mehr als die Hälfte aller Ausgaben von Privatpersonen werden in bar, also mittels Banknoten und Münzen, getätigt und rund 78 Prozent aller Transaktionen erfolgen in barer Form. Unbestreitbar ist aber auch, dass die Nutzungsintensität von Bargeld Jahr für Jahr zurückgeht und dieses im Zahlungsverkehr zunehmend durch unbare Zahlungsinstrumente abgelöst wird. Die wichtigsten Instrumente dieser Art sind Girocard (Debitkarte) und Kreditkarte. Am weitesten verbreitet ist in Deutschland die „girocard“ (vormals „ec-Karte“). 94 Prozent der Bevölkerung besaßen 2011 eine solche Karte. In anderen Ländern ist demgegenüber der Einsatz von Kreditkarten mehr verbreitet. In Deutschland besitzen nur 33 Prozent der Bevölkerung eine Kreditkarte, meistens als Ergänzung zur Girokarte. Hinzu kommen Instrumente wie die Geldkarte, das Lastschriftverfahren, die Überweisung und Internetzahlverfahren wie PayPal und Giropay. Wann welches Zahlungsinstrument jeweils zum Einsatz kommt, hängt wesentlich von der Liquiditätsausstattung ab, also vom verfügbaren Bargeldbestand im Portemonnaie zum Zeitpunkt der Zahlung. Zweitens von der Höhe des Zahlungsbetrages und drittens vom Alter der Zahler. Während ältere Menschen Bargeld bevorzugen, neigen jüngere zu elektronischen Zahlungsverfahren. Unabhängig von der Popularität einzelner Zahlungsinstrumente in der Gegenwart ist für die Zukunft auf jeden Fall mit einer beschleunigten Substitution von Bargeld durch unbare, insbesondere elektronische, Zahlungsinstrumente zu rechnen. Und zwar bis zur vollständigen Abschaffung des Bargeldes und der baren Zahlung.
In der Debatte über die Zukunft unseres Geldes, die auch unter den „Wirtschaftsweisen“ geführt wird, wird von einigen Ökonomen die Position vertreten, dass die Substitution des Bargeldes durch unbare Zahlungsmittel bewusst forciert werden sollte. Die dafür angeführten Gründe sind einleuchtend: Erstens würden dadurch die Europäische Zentralbank, die Geschäftsbanken und der Handel, letztlich die gesamte Volkswirtschaft, enorme Kosten einsparen, denn die Bargeldwirtschaft ist in jeder Hinsicht die denkbar teuerste überhaupt. Zweitens würde der gesamte Zahlungsverkehr dadurch transparenter und sicherer werden. Und drittens würden „die Märkte für Schwarzarbeit und Drogen austrocknen“ (Peter Bofinger). Dafür spricht auch die Tatsache, dass Banknoten zu 200 Euro und 500 Euro überwiegend kriminellen Machenschaften, vom Drogenhandel bis zur Steuerhinterziehung, dienen, kaum aber dem normalen Zahlungsverkehr. Ihre Emission erfüllt daher keine volkswirtschaftlich wünschenswerte Funktion. Sie gehören besser verboten. Dem wird von anderen Ökonomen jedoch heftig widersprochen. So betont zum Beispiel der Freiburger Wirtschaftswissenschaftler Lars Feld, dass Bargeld „geprägte Freiheit“ sei und seine Existenz es dem einzelnen Bürger ermögliche, „sich dem Zugriff des Staates zu entziehen“, zum Beispiel durch Schwarzarbeit oder Steuerhinterziehung, sofern er dies für „legitim“ halte. Während in dieser Kontroverse Interessengegensätze fachspezifisch ausgetragen werden, machte der renommierte Harvard-Volkswirt Kenneth Rogoff, kürzlich auf weitere finanzwirtschaftlich bedeutsame Aspekte einer möglichen Bargeldabschaffung aufmerksam. Er wies darauf hin, dass es in einer Welt ohne Bargeld keine Chance mehr gäbe, sich den Auswirkungen einer „Politik des leichten Geldes“ der Zentralbanken zu entziehen. Diese Auswirkungen bestünden vor allem in Negativzinsen auf Guthaben, wodurch Millionen Sparer enteignet werden würden. Dieses Argument ist nicht von der Hand zu weisen, es wird aber dadurch relativiert, dass das Bargeld heute nur noch einen Anteil von fünf bis zehn Prozent am gesamten Geldvolumen hat, weshalb die Wirkungen der Geldpolitik auch so schon greifen. Andererseits sind im Falle einer Inflationspolitik der Notenbanken die Besitzer von Bargeld auch nicht besser dran als diejenigen, die ihr Geld auf Konten deponiert haben. Interessant sind diese Überlegungen aber vor allem auch deshalb, weil sie die Folgen der Bargeldabschaffung im Kontext mit der aktuellen Krisenbewältigung diskutieren oder, anders gesagt, weil die Bargeldabschaffung hier als Voraussetzung für eine effektive Zentralbankpolitik thematisiert wird. Dies eröffnet ganz neue Horizonte für die künftige Geldpolitik, in deren Licht die alten Konzepte, zum Beispiel von Silvio Gesell, zur Verhinderung der Bargeldhortung und zur Beschleunigung des Geldumlaufs verblassen. Hierin zeigt sich aber auch, wohin die Reise geht, wodurch so manche Alternativkonzepte, zum Beispiel die Vorstellung geldloser „Tauschringe“ oder die hinterwäldlerische Idee der Organisation des Güterverkehrs mittels „Regionalgeld“, als das erscheinen, was sie tatsächlich sind, nämlich rückwärtsgewandte und für eine moderne Volkswirtschaft gänzlich untaugliche Utopien. – Die Wirtschaft der Zukunft wird als eine bargeldlose Geldwirtschaft organisiert sein. Die Finanzkrise hat möglicherweise geholfen, auf dem Weg dahin einen Schritt voranzukommen.
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