von Eckhard Mieder
Ich weiß nicht, warum Günther Jauch in der öffentlichen Wahrnehmung, die ja eine Wahrnehmung der Medien durch Medien ist, mithin handelt es sich um eine Bespiegelung und um Narzissmus – also ich weiß nicht, warum G. J. als Journalist durchgeht.
Ich weiß nicht, wer Günther Jauch als Journalisten installiert hat. Ich weiß auch nicht, warum er das mit sich machen lässt. Geld könnte eine Antwort sein, Eitelkeit, einflüsternde Schmeichelei, Verantwortung für die Mitarbeiter seiner Firma, all das könnten Antworten sein. Oder auch, weil es nicht so viele Pappnasen im medialen Geschäft gibt, die den Nerv und die Chuzpe für einen medialen Auftritt haben, da gibt es dann eben das Allzweckgesicht Jauch.
All das ändert nichts an dem Fakt, dass G. J. ein familiär-pfiffiger Entertainer ist, doch ein sauschlechter Journalist. Er mag, höre ich gerüchtehalber bis nach Hessen, ein Förderer, Mentor, Spender der Stadt Potsdam sein. Aber das könnte er auch sein, wenn er Schokolade fabrizierte und genug damit verdiente.
Das sollte ihn freuen. Das muss ihn nicht kränken. Es ist nicht unbedingt ein Lob, Journalist genannt zu werden. Dieser Beruf hat einen schlechten Ruf. Das Paradoxe ist: Trotzdem lesen die Leute Zeitungen, trotzdem schauen sie Informationsformate im Fernsehen, trotzdem hören sie Nachrichten im Radio. Da muss ein informationeller Masochismus herrschen. Ich tue mir etwas an, von dem ich weiß, dass es mich schmerzt, und ich gewinne Lust aus meiner wissentlichen Selbstopferung.
Oder ich irre mich. Ich kenne mich in den allgemeinen Rezeptionsgewohnheiten nicht aus. Vielleicht lesen die Leute ja gar nicht mehr Zeitung; schon gar nicht die „Qualitätszeitungen“, von denen ich neuerdings viel lese, als würde eine Behauptung schon dadurch wahr, dass sie unentwegt wiederholt wird. (Leider tut sie das. Wenn einem oft genug gesagt wird, das Salz auch Zucker sein kann, glaubt er es irgendwann. Jede Wette. Wir sind so.)
Vielleicht schauen die Leute im Fernsehen nur noch Krimis, Shows und Kochsendungen, und das Bedürfnis nach Dokumentationen und Informationen ist eher gering oder wird nur von denen behauptet, die altmodisch auf diesen, diesen, diesen ominösen Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens bestehen? Worin besteht der? Wochenlang Wettbewerbe des Wintersports zu übertragen, genauuuuu!
Vielleicht hören die Leute Radio allenfalls noch im Auto auf der Autobahn und dort am liebsten die Verkehrsmeldungen und Schlager. Und dann ist das alles in summa wurscht, ob jemand als echter oder behaupteter Journalist arbeitet. Drei, vier, fünf grade Sätze kriegste für ne story schon hin. Und wenn du ein Mikrofon so halten kannst, dass deine Frage reinpasst, und du das Mikrofon rechtzeitig deinem „Gesprächs“partner vor die Fresse hältst, dass der da reinlabern kann – Bombe! Biste auch einer: ein Journalist oder eine Journalistin, die Gender-Frage lassen wir mal draußen jetzt.
Womöglich arbeitet mein Fernseh-Hero Jauch genauso und sagt sich: Ich gehe auf den Sender, tue, als sei ich ein politisch gebildeter und politisch wahnsinnig engagierter Bürger, und rattere mich so durch. Letztlich ist es völlig egal, was Medienkritiker, das Feuilleton oder die Leute, die nicht gänzlich einen an der Klatsche haben, sagen. Frei nach den Ärzten: „Mein Name ist Günther, mein Name ist Günther Jauch, und jetzt kommt das, was ich am zweitliebsten mach, manche nennen es Talkshow, doch für mich ist es nur Krach.“ Denn das allerliebste, scheint mir, ist „Wer wird Millionär?“. Da isser echt jut.
Noch anders. Vermutlich ist G. J. ein politisch interessierter Bürger. Wie es ein jeder ist, der brav seinen Wahlzettel faltet, beim Biere das eine und das andere sagt und fragt, sich aufregt und wieder abregt. Aber die sind in der Regel nicht Moderatoren. Die stellen oder setzen sich nicht in ein Studio. Die trauen sich auch nicht mit dem Blick einer gekränkten Robbe und den Mundwinkeln eines Dobermanns in eine Kamera zu schauen und einen Kreis von Disputanten zu steuern. Dazu braucht es mehr als Fragezettel und (k)ein Gefühl für Timing. Oder braucht es doch nicht mehr, um auf einem Super-Sendeplatz am Sonntagabend pseudojournalistisch tätig zu werden?
Wobei auch dieser Platz, ähnlich wie der Tatort davor, eine Gewohnheitsschlampe ist. Es gibt so viele schlechte Tatorte, dass ich mich schämen sollte, sie immer und immer wieder sonntags zu besuchen. Es gibt so viele schlechte Sendungen aus dem Gasometer – bei dem Wort zucke ich übrigens jedes Mal zusammen; obwohl ich Berliner bin und diesen Talk-Ort kenne –, dass ich mich genieren sollte, dieser Schlampe meine Aufmerksamkeit zu schenken. So bin ich eben auch nur – ein Masochist.
Vielleicht ist das das Geheimnis des Fernsehens und seiner Gesichter. Vielleicht ist das das Geheimnis des G. J.: Einmal drauf, immer gut drauf, und ehe sich das Personenkarussell des öffentlich-rechtlichen Fernsehens auch nur einmal gedreht oder jemanden vom Hüh-Hott-Pferdchen geworfen hat, vergehen die Jahre, und wer sich so lange hält, der wird – in des Wortes doppelter Bedeutung und ist noch dazu bedeutend – ausgehalten.
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Schlagwörter: Eckhard Mieder, Fernsehen, Günther Jauch, Journalist