18. Jahrgang | Nummer 1 | 5. Januar 2015

Kulissenschieber für 007 …

von Hans-Peter Götz

… – ihn so zu nennen, wäre dem Schaffen von Ken Adam höchst unangemessen, obwohl er bei insgesamt sieben James Bond-Streifen für das Szenenbild (neudeutsch: production design) verantwortlich zeichnete, darunter für „James Bond jagt Dr. No“, den Auftaktfilm der Reihe (1962). Denn Adam bestimmte mit seinen stets hoch ambitionierten „Kulissen“, die von seinem Credo: „bigger than life“ geprägt waren, ganz entscheidend das Erscheinungsbild der gesamten Filme und deren stil- wie kultbildende Langzeitwirkung mit. Ohne dass das breite Publikum diese künstlerische Leistung im Einzelfall in der Regel überhaupt personifiziert, geschweige denn angemessen würdigt hat: Der Szenenbildner wird auf Filmplakaten üblicherweise nicht genannt und geht im Übrigen in den Abspannen der Filme selbst ebenso unter, wie die meisten anderen Beteiligten. Das galt auch für Ken Adam, den „berühmtesten Setdesigner der Welt“, wie ihn die Süddeutsche Zeitung nannte.
1921 als Klaus Hugo Adam in eine gutbürgerliche jüdische Familie in Berlin hineingeboren – der Vater war Miteigentümer eines Sportmodegeschäftes in der Friedrichstraße/Ecke Leipziger Straße –, wurde er samt Familie von den Nazis ins Exil getrieben. Die Emigration nach Großbritannien erfolgte bereits 1934. Vor der Internierung als „feindliche Ausländer“ nach Kriegsbeginn 1939 bewahrte der junge Adam seine Angehörigen möglicherweise durch seine freiwillige Meldung zum Royal Pioneer Corps. Später wurde er zum Jagdflieger ausgebildet und flog Kampfeinsätze. Damals noch ohne britischen Pass, war er bis 1944 der einzige deutsche Pilot in der Royal Airforce. Dann kam sein Bruder Dieter hinzu.
Bereits vor dem Krieg hatte Adam ein Architekturstudium begonnen. Zum Film kam er Anfang der 50er Jahre als Szenenbildner und wirkte bereits 1951 an zwei Klassikern ihres Genres mit: „Des Königs Admiral“, Regie: Raoul Walsh, Hauptdarsteller: Gregory Peck, und „Der rote Korsar“, Regie: Robert Siodmak, Hauptdarsteller: Burt Lancaster.
Mit dem War Room für Stanley Kubricks „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ von 1964, dieser bitterbösesten, im nuklearen Weltuntergang endenden Satire auf den Kalten Krieg und die Supermachtkonkurrenz zwischen den USA und der Sowjetunion, schrieb Adam Filmgeschichte. Im War Room, einem tief unter dem Pentagon verbuddelten Superbunker, debattiert die politische und militärische Führung der USA über das Für und Wider eines massiven Atomangriffs gegen die UdSSR, während die irrsinnigen Imponderabilien der gegenseitigen nuklearen Abschreckung das finale Desaster längst in Gang gesetzt haben. Der Film endete bekanntlich mit einer Sequenz zusammengeschnittener Aufnahmen von ebenso verheerenden wie exotisch-ästhetisch-faszinierenden Wasserstoffbomben-Testexplosionen – unterlegt vom weichen, einschmeichelnden Klang von Vera Lynns Schlager „We’ll meet again“ von 1940:
„We’ll meet again,
don’t no where, don’t no when
but I know,
we’ll meet again
some sonny day […]“
Die „Realität“ von Adams War Room war dermaßen suggestiv, dass Präsident Ronald Reagan – ein ehemaliger Hollywood-Schauspieler, vornehmlich in B-Movies – sich nach seiner Amtseinführung 1981 nach dessen Standort erkundigte.
Für den War Room hat Ken Adam aber ebenso wenig einen Academy Award („Oscar“) erhalten wie für seine James-Bond-„Kulissen“. Zweimal geehrt wurde er damit dennoch – für Kostümfilme zwar der anspruchsvolleren, aber keineswegs den Zenit seines Schöpfertums repräsentierenden Art: „Barry Lyndon“ (Regie: Stanley Kubrick, 1975) und „King George – Ein Königreich für mehr Verstand“ (Regie: Nicholas Hytner, 1994).
Zu den Spätwerken von Adam gehörte nicht zuletzt die Causa des deutschen Ausnahmedirigenten Wilhelm Furtwängler, seiner Einlassung mit dem Dritten Reich: „Talking Sides – Der Fall Furtwängler“ (Regie: István Szabó, 2001).
Insgesamt 70 Filme hat Ken Adam mitgestaltet. 2012 übergab er der Deutschen Kinemathek sein Archiv mit über 4.000 Zeichnungen, Fotografien und Dokumenten (inklusive seiner Familiengeschichte seit Kindertagen), Modellen sowie Ehrungen, darunter auch die beiden „Oscars“. Das Museum für Film und Fernsehen am Berliner Potsdamer Platz zeigt derzeit eine repräsentative, sorgfältig kuratierte Auswahl, an der insbesondere Adams Setskizzen ein ums andere Mal faszinieren. Angefertigt hat der Künstler diese mit einem speziellen Zeichenstift. Der ist natürlich auch in der Exposition zu sehen.

„Bigger Than Life. Ken Adam’s Film Design“; noch bis 17.05.2015; Museum für Film und Fernsehen, Potsdamer Straße 2, 10785 Berlin; Dienstag bis Sonntag: 10-18 Uhr, Donnerstag: 10-20 Uhr, montags geschlossen.