von Dieter B. Herrmann
Die Frage nach intelligentem Leben außerhalb der Erde ist ein „Dauerbrenner“. Schon in antiken Texten taucht sie auf und ist seitdem niemals aus dem Denken der Menschen verschwunden. Vor allem für science fiction-Autoren war und ist „Leben da draußen“ ein unerschöpfliches Thema. Immerhin, es geht um die „großartigste Geschichte von allen“, wie der Buchautor Ben Moore meint. Doch Moore (geb. 1966) ist Professor für Astrophysik an der Universität Zürich und alles andere als ein Phantast. Er will eine „alternative Sichtweise präsentieren“, die auf wissenschaftlichen Forschungsergebnissen beruht. Und dabei verblüfft er schon durch seine offenkundige Überzeugung, die Frage sei gar nicht, „ob es da draußen überhaupt Leben gibt, sondern wie dieses Leben aussehen könnte“.
Für diese Ansicht gibt es allerdings gute Gründe, die man vor wenigen Jahren noch nicht ins Feld führen konnte. Umfangreiche astronomische Suchaktionen, sowohl von der Erde aus als auch mit Raumteleskopen, haben in jüngster Zeit eine immer größere Zahl von Planetensystemen bei fernen Sonnen zutage gefördert. Von diesen „Exoplaneten“ kennen wir gegenwärtig bereits knapp 2.000 Exemplare bei fast 500 Sternen. Hinzu kommen noch rund 2.000 Objekte, die vorerst als Kandidaten zu betrachten sind. Unser eigenes Sonnensystem erweist sich dabei im Vergleich als keineswegs typisch. Planeten kommen auch bei viel größeren und ebenso bei deutlich kühleren Sonnen vor als der unseren und die Massen der extrasolaren Planeten überdecken einen bedeutend weiteren Bereich als bei uns. So fand man Gasriesen mit zehnfacher Jupitermasse, die ihren Zentralstern in sehr geringem Abstand umkreisen, solche von erdähnlicher Masse mit teilweise extrem kurzen Umlaufszeiten von nur wenigen Tagen und andere Exoten.
Doch das muss nichts bedeuten, denn Leben ist weitaus anpassungsfähiger als wir noch vor kurzem wussten. So entdeckte man auf der Erde zahlreiche Lebewesen, die unter extremen Bedingungen leben und sich munter vermehren. Einigen dieser Extremophilen lassen sich weder von Permafrost noch von weit über 100° C heißen vulkanischen Quellen tief unter der Oberfläche des Ozeans beeindrucken. Sie benötigen für ihren Stoffwechsel weder Photosynthese noch Sauerstoff. In einer südafrikanischen Goldmine wurden sogar Bakterienpopulationen entdeckt, die in Millionen Jahre alten Wassereinschlüssen bei absoluter Dunkelheit leben und ihre Energie einzig aus dem Zerfall dort vorhandener radioaktiver Elemente beziehen. Auch 10.000 Meter unter dem Meeresspiegel – der Druck beträgt hier das Tausendfache des atmosphärischen Luftdrucks – leben Kreaturen, die sich bei einer Temperatur von gerade mal 2° C eifrig vermehren. Schalentiere, Aale und rote Krabben wurden in bis zu 7.000 Meter Tiefe gefunden. Der Rekordhalter ist – wie Moore zu berichten weiß – das Bakterium Planococcus halocryophilus, das bei minus 25° C prächtig gedeiht. Andere Bakterien widerstehen Strahlungsintensitäten, die tausendmal so hoch sind wie eine für den Menschen tödliche Dosis. Erstaunlich widerstandsfähig sind auch die Bärtierchen. Sie überstehen widrigste Umstände, indem sie dann ihren Stoffwechsel auf weniger als ein Prozent des Normalen reduzieren, aber in „besseren Zeiten“ wieder aktiv werden.
Aus alldem schließt Moore, dass sich einfachstes Leben auch unter extrem unwirtlichen Bedingungen, zum Beispiel auf Asteroiden, entwickelt haben könnte, das dann bei Kollisionen solcher Körper mit der Erde hierher getragen wurde und den langen Weg der Evolution begann. Deshalb hält er Leben auch für ein allgemeinverbreitetes Phänomen im Kosmos, dessen Existenz nicht unbedingt an Bedingungen gebunden ist, wie sie auf der Erde herrschen. Man ist geneigt, dieser Idee durchaus beizupflichten, nachdem man aus des Autors Feder die erstaunliche Geschichte der Entwicklung des Lebens auf der Erde vernommen hat. Zwar sind viele Fragen noch offen, aber insgesamt scheint es doch so, dass unter dem Walten der Naturgesetze ein geradezu unbeirrbarer Weg von den Einzellern bis zum Menschen geführt hat, wobei allerdings auch viele Zufälle eine Rolle spielten. Aber solche Zufälle gehören zur Evolution und sie treten überall auf, auch „da draußen“.
Doch wie sehen die Außerirdischen denn nun aus? Darüber lässt sich der Autor in vielerlei lesenswerten Details, eine Geschichte der science fiction eingeschlossen, geistreich aus. Die interessante Antwort möchte der Rezensent hier nicht verraten, damit das Buch so viele Leser hat, wie es verdient. Ein kleines Manko hat das empfehlenswerte Werk – das übrigens ohne Abbildungen auskommt – allerdings: Ein Sachregister wäre wünschenswert gewesen.
Ben Moore: Da draußen. Leben auf unserem Planeten und anderswo, Kein & Aber AG, Zürich-Berlin 2014, 352 Seiten, 22,90 Euro. Der Beitrag erschien zuerst in neues deutschland/22. November 2014. Wir danken dem Verlag für die freundlicherweise erteilte Abdruckerlaubnis.
Schlagwörter: Außerirdische, Ben Moore, Dieter B. Herrmann, Kosmos, Leben