17. Jahrgang | Nummer 26 | 22. Dezember 2014

Antworten

Fritz Rudolf Fries, Weltensucher – Am 17. Dezember schlossen Sie Ihre Werkstatt für immer ab. Sie suchten immer Welthaltigkeit in die Enge eines kleinen Landes zu bringen, das Sie nie richtig verstehen konnte und wollte. Nach dessen Untergang waren es die Ohrenbläser der vermeintlichen Sieger, die Sie und Ihr Werk mit dem gehabten Repertoire der Torheiten glaubten in den Orkus des Vergessens spülen zu können. Ein sinnloses Unterfangen, Ihre Romane nahmen den Geist des unbotmäßigen Rabelais und des großen Cervantes auf. Wir sind uns sicher, auf der hispanischen Wolke da ganz oben werden Sie heute mit Cortázar und Neruda und Márquez und Garcia Lorca und noch ein paar anderen einen himmlischen Vino Tinto aus Mendoza in galizischen Pokalen zum Klingen bringen lassen… Wir sind traurig.

Klaus Koch, BuschFunker – „Modern ist immer nur für eine bestimmte Zeit, die vergeht“, zitiert das neue deutschland Sie in einem Glückwunschartikel anlässlich das 25. Geburtstages Ihres Labels „BuschFunk“. Wir schließen uns an: Werden Sie bloß nie „modern“! Machen Sie weiter so gute Platten! Sie produzieren Kunst, und gute Kunst biedert sich nicht an. Wir haben immer wieder gerne Ihren Weg gekreuzt, wir wollen das auch weiterhin gelegentlich tun können. Das ist egoistisch von uns, aber darauf: „Sto lat!“

Lutz Bachmann, Dresdener Frontmann der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) – Sie geben sich betont unmartialisch und sind also nicht gegen „Asyl an sich“ sondern nur gegen die „verfehlte Asylpolitik“, und dies demokratisch und gewaltfrei. Wie es um Ihre geistige und moralische Verfasstheit in der Tiefe bestellt ist, darüber gibt der Ton diverser Twittereinträge aus der jüngeren Vergangenheit allerliebste Auskunft. Gregor Gysi ist da schon mal ein Stasischwein, und die Grünen Ihnen zufolge „gehören standrechtlich erschossen diese Öko-Terroristen! Allen voran Claudia Fatima Roth“. Die SPD haben Sie kurzerhand als „Verbrechertruppe“ tituliert. Damit nicht genug: Recherchen der Sächsischen Zeitung haben an den Tag gebracht, dass Sie wegen Drogenhandels nur auf Bewährung frei sind und zu Ihrem Repertoire Einbruch, Diebstahl, falsche Verdächtigung, Anstiftung zur Falschaussage, Verletzung der Unterhaltspflicht, Trunkenheit am Steuer und Körperverletzung gehört haben. Das hat nicht jeder Pionier einer demokratischen Volksbewegung zu bieten. Respekt!

Edward Snowden, exilierter Enthüller – Die Internationale Liga für Menschenrechte (ILMR) hat Sie mit der „Carl-von-Ossietzky-Medaille“ ausgezeichnet. Sie, die Dokumentarfilmerin Laura Poitras und der Journalist Glenn Greenwald, die in diese Ehrung einbezogen wurden, haben mit ihren historisch einmaligen Enthüllungen die umfangreichste verdachtsunabhängige Überwachung aller Zeiten aufgedeckt, lautet – kurz gefasst – die Begründung für diese Ehrung, der wir uns gern anschließen.

Rainer Schwarz, Flugplatzdirektor in Rostock-Laage – „Ich persönlich habe mich da in keinster Weise überfordert gefühlt“, erklärten Sie am 19. Dezember der erstaunten Weltöffentlichkeit in Gestalt eines Untersuchungsausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses. Nur mal so am Rande: Ihre von Bescheidenheit zeugende Äußerung bezieht sich auf Ihre vor knapp zwei Jahren per Rausschmiss beendete Arbeit als Chef der Berlin-Brandenburgischen Flughafengesellschaft. War da nicht mal was mit einem Bauprojekt namens „Airport Willy Brandt“, von Lästermäulern inzwischen „Problem-BER“ genannt? Auf jeden Fall hat Ihr Satz gute Chancen, als Manager-Scherz des Jahres 2014 in die Annalen einzugehen.

Athina Onassis, griechische Milliardenerbin Bei einem Reittournier in Genf sind Sie schwer gestürzt, wobei Sie glücklicherweise unverletzt blieben. Ihr Pferd musste dank seiner Verletzungen eingeschläfert werden. Wir danken den Nachrichtenagenturen und einem Verbreiter wie Spiegel-online dafür, dass wir über dieses folgenschwere Geschehen informiert worden sind und setzen das Blättchen-Banner auf Halbmast.

Dick Cheney, ehedem US-Bush-Vize – Sie wüten aufgebracht über das CIA-Folterpapier und finden für dieses Worte, mit denen Sie unserem Bild von Ihnen die Notwendigkeit ersparen, es zu Ihren Gunsten zu verändern. „Der Bericht ist voller Scheiße“, haben Sie nun rotzfrech erklärt und den Autoren des Berichtes vorgeworfen, vor dessen Veröffentlichung nicht wenigstens mit ihnen gesprochen zu haben. Dieser Anwurf sitzt aber nun wirklich wie die Faust aufs Auge, denn Sie hätten gewiss verbindlich gewusst, wie es zugegangen ist in US-Folterstätten und wer dafür die Hauptverantwortung trägt.

Angela Merkel, Un-merkwürdige – Auf dem Parteitag Ihrer bayerischen Schwester CSU sind Sie von parteioffiziellen Rhetoren mal Angelika und mal Angelia genannt worden. Haben also nahezu zehn Jahre Kanzlerschaft nicht ausgereicht, dass man sich bei den Hütern und Bewahrern der reinen deutschen Sprache wenigstens Ihren Namen merkt, werden Sie, um das zu erreichen, wohl noch zwei Amtszeiten dranhängen müssen; God save germany!

Alexej Uljukajew, russischer Wirtschaftsminister – Mit bemerkenswerter Courage haben Sie Ihrem Präsidenten widersprochen, der für die Rubel- und Wirtschaftskrise Ihres Landes „ausländische Spekulanten“ verantwortlich gemacht hatte. Zwar würde den Sanktionen des Westens und dem Abflauen der Weltkonjunktur auch ein Anteil am derzeitigen Währungs- und Wirtschaftsdesaster zukommen, zuallererst sei aber die ungelöste Strukturkrise des stark staatskapitalistisch geprägten Wirtschaftssystems, dessen „Kosten dauernd wachsen“, für den Schlamassel verantwortlich. Das immerhin deckt sich mit den Einschätzungen jener, die die Aggressivität nach Außen als Versuch werten, das bisherige Unvermögen Russlands, sich – ähnlich China etwa – endlich zu einer wirklichen Wirtschafts-Weltmacht zu entwickeln, deren Potenzen, abgesehen von Raumfahrt und Rüstung, sich nicht im Rohstoffexport erschöpfen.

Marco Reuss, nur am Fußball Intelligenter – Nachdem Sie bereits mehrfach wegen überhöhter Geschwindigkeit auffällig waren, hat die Polizei nun festgestellt, dass Sie gar kleinen Führerschein besitzen und Sie für diese Straftat dazu verurteilt, 90 Tagessätze zu berappen. Das allein wäre nicht mitteilenswert, wenn es sich dabei nicht um 540.000 Euro handeln würde. Ihr Tagesverdienst beträgt demzufolge 6.000 Euro. Dass sich die Entlohnung von Balltretern so knapp über der Armutsgrenze bewegt, verdient denn doch, verbreitet zu werden.

Ulrich Matthes, Zeitungsjunkie & Journalismusbeweihräucherer – Sie bekannten jüngst gegenüber einem Hamburger Nachrichtenmagazin, ein Zeitungsjunkie zu sein, und: „Ein toll geschriebener journalistischer Text löst […] in mir […] Verzückung aus! Journalismus ist Kunst, jedenfalls ist für mich jeder gelungene journalistische Text ein Kunstwerk. Ich lese ihn mit dem gleichen Respekt und der gleichen Freude wie einen literarischen […].“ Damit jedoch nicht genug: Bei Kleist „nehme ich die Musikalität eines Textes wahr. Für mich ist auch ein guter journalistischer Text eine Partitur.“ Einen Seitenblick warfen Sie dabei auch aufs Internet: Das „verführt übrigens viele komplette Idioten dazu, ihre Meinung kundzutun“. Manche feierten das als Demokratisierung, hielt Ihnen das Nachrichtenmagazin entgegen. „Na ja. Die Meinungsäußerung ist doch nicht dadurch demokratisiert, dass Leute, von denen man früher einen dämlichen Leserbrief bekam, sich jetzt an ihre Computer setzen und in der Öffentlichkeit vor sich hin brabbeln! Ich glaube nicht recht an eine Schwarmintelligenz. Ich glaube an die Intelligenz von einzelnen Menschen.“ Und Ihr Fazit: „[…] ich finde, dass der Journalismus ein wesentliches Pfund unserer Gesellschaft ist.“ Das fand das Magazin dann „fast ein bisschen weihevoll“. Durchaus – aber das war auch längst mal fällig.