von Janine Küchhold
Im März 2014 ist die bisher schlimmste Ebola-Epidemie in Westafrika ausgebrochen und hat bisher schätzungsweise 3.500 Todesopfer (Stand 6.10.2014) zur Folge. Laut Angaben der WHO besteht Grund zu der Befürchtung dass sich noch etwa 21.000 weitere Menschen mit dem Virus infizieren, bevor die Epidemie gestoppt werden kann. Bisher haben sich zwar mit den 7.492 Infizierten (Stand 3.10.2014) weniger Menschen mit dem Virus angesteckt als zunächst befürchtet, aber dennoch hat die Epidemie die Region Westafrika in eine tiefe Krise gestürzt.
Um die schnelle Ausbreitung der Epidemie erklären zu können, muss man sich die historischen und kulturellen Gegebenheiten der betroffen Länder genauer ansehen. Nur so lässt sich nachvollziehen, wieso sich innerhalb so kurzer Zeit so viele Menschen mit dem Virus infizieren konnten und warum es den Regierungen so schwer fällt, geeignete Gegenmaßnahmen einzuleiten. Eine Ursache ist sicherlich die große Skepsis gegenüber „westlicher“ Medizin, besonders in den ländlicheren Regionen. Bevorzugt werden hier noch immer traditionelle Heilverfahren, was allerdings auch noch durch einen erheblichen Mangel an modernen Alternativen begünstigt wird. Das Hauptproblem bei der Bekämpfung der Epidemie ist allerdings das tief in der Gesellschaft verankerte Misstrauen gegenüber den eigenen Regierungen. Negative Erfahrungen mit brutalen Diktatoren, Bürgerkriegen, Lebensmittelnotständen und Korruption veranlassen viele zu der Annahme, dass die Regierungen auch in dieser Krise nicht in der Lage oder gewillt sind, angemessen zu reagieren. Und tatsächlich ließ eine Stellungnahme der Regierungen in Guinea, Sierra Leone und Liberia lange auf sich warten. Die späte Reaktion und das Unterschätzen der Krankheit tragen maßgeblich zu der raschen Verbreitung bei. Hinzu kommt die mangelnde Erfahrung im Umgang mit einer Epidemie von dieser Größenordnung. Auch die Tatsache dass die Analphabetenquote in den besonders armen ländlichen Regionen so groß ist, dass es kaum möglich ist, durch Aktionen wie dem Verteilen von Flugblättern und Infobroschüren vor dem Virus zu warnen, erschwert die Bekämpfung der Epidemie zusätzlich.
Die elf Jahre, die seit Beendigung des liberianischen Bürgerkrieges vergangen sind, haben offensichtlich nicht ausgereicht, um die im Krieg zerstörte Infrastruktur wieder so weit herzustellen, dass zumindest eine medizinische Grundversorgung gewährleistet werden kann. Vor allem aber fehlt es vielerorts an einfachen materiellen Ressourcen wie Handschuhe, Schutzkleidung, Mittel zur Desinfektion und Medikamente um zumindest die Symptome des Virus zu bekämpfen. Besonders in Liberia stellt dies ein kaum überbrückbares Hindernis dar, da es nicht möglich ist, vorgeschriebene Hygienestandards einzuhalten. Die Quittung für diese Vernachlässigung seitens der Politik erhält man jetzt. Durch den Mangel an einer medizinischen Grundausstattung, infizieren sich auch immer mehr Helferinnen und Helfer mit dem Virus. Die Bereitschaft, in den betroffenen Regionen medizinische Hilfe zu leisten, wird dadurch reduziert sodass es nun auch noch zu einem akuten Helfermangel gekommen ist. Die große Skepsis gegenüber den Helferinnen und Helfern aus dem Ausland sorgt außerdem immer wieder für Ausschreitungen in den isolierten Regionen, in Krankenhäusern oder bei Aufklärungsveranstaltungen. Auch Fluchtversuche in Quarantänestationen gehören zu der Tagesordnung.
Die Ursachen für die Epidemie aber allein in den betroffenen Ländern zu suchen wäre zu kurz gefasst. Lange hat es die Pharmaindustrie versäumt, in die Ebolaforschung zu investieren, da es nicht als ausreichend gewinnbringend erachtet wurde. Medizinerinnen und Mediziner, die in den Ebolagebieten im Einsatz waren berichteten außerdem, dass viele der mit dem Virus Infizierten bereits Vorerkrankungen wie Malaria oder Tuberkulose hatten. Mit einer Kombination aus einer häufig armutsbedingten Vorerkrankung und dem Ebolavirus läuft die Überlebenschance gegen Null. Dabei sind bei einem Großteil dieser Erkrankungen bereits Impfstoffe oder zumindest Medikamente vorhanden. Zum Einsatz kommen diese aber nie. Vielerorts wäre dem medizinischen Personal bereits geholfen, wenn ihm Schutzkleidung, Handschuhe und Desinfektionsmittel zur Verfügung gestellt werden würde. Diese Einsicht erreichte sowohl die Regierungen Sierra Leones und Liberias als auch die WHO und viele Staaten, die sich zur Hilfe bereit erklärt hatten spät. Zu spät. Ohne das Einhalten von hygienischen Mindeststandards kann sich das Virus ungehindert weiter verbreiten. Die bisher eingeleiteten Gegenmaßnahmen der Regierungen wirken da eher wie Schönheitskorrekturen um sich nicht vorwerfen lassen zu müssen, dass man untätig zusieht wie das Land in die Katastrophe schlittert. Nicht nur dass diese überstürzten und verzweifelten Maßnahmen in keiner Weise zur Bekämpfung der Epidemie betragen, sie schaffen sogar neue Probleme die die Situation weiter verschlimmern und letztlich sogar dazu beitragen dass sich das Virus noch weiter verbreitet.
Die Grenzen Guineas, Liberias und Sierra Leones wurden bereits nach kurz nach Bekanntwerden der ersten Ebolafälle geschlossen. Außerdem wurde der nationale Notstand ausgerufen. Einige Fluggesellschaften fliegen die betroffenen Regionen nicht mehr an. Öffentliche Einrichtungen mussten in den am stärksten betroffenen Regionen geschlossen werden, und teilweise wurden sogar ganze Städte unter Quarantäne gestellt. Zu dem Problem der raschen Verbreitung und der Versorgung bereits infizierter Personen kommen nun auch noch Unruhen in der Bevölkerung und Lebensmittelknappheit hinzu. Außerdem mangelt es an Hilfe und Betreuung für die Überlebenden und Kinder, die durch das Virus zu Waisen geworden sind. Um einer weiteren Verbreitung entgegenzuwirken, haben die Regierungen Guineas, Liberias und Sierra Leones beschlossen, die am schlimmsten betroffenen Regionen militärisch abzuriegeln, so dass niemand herein oder heraus kommt. Eine ausreichende Lebensmittelversorgung kann somit nicht mehr gewährleistet werden. Dies verursacht weitere Konflikte in den betroffenen Regionen und veranlasst Menschen dazu, sich komplett abzuschotten und Lebensmittel zu bunkern oder aus der Region zu fliehen. Ohnehin weigern sich viele Lebensmittelhändler die Ebolagebiete zu beliefern, aus Angst sich selber infizieren zu können. Nach Auffassung der Welthungerhilfe wird sich diese Problematik in den nächsten Wochen noch weiter verschlimmern. Bis wann die flächendeckende Versorgung mit den grundlegenden Lebensmitteln wieder gewährleistet werden kann, ist mehr als unklar, da dies stark vom Verlauf der Epidemie abhängt.
Auch mit längerfristigen Folgen in der Wirtschaft wird zu rechnen sein. So prognostizierte Donald Kaberuka, der Chef der AfDB (Afrikanische Entwicklungsbank), dass das Wirtschaftswachstum in Sierra Leone im Vergleich zum Vorjahr um 4 Prozent sinken wird. Für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes, welches ohnehin zu einem der Ärmsten der Welt gehört, stellt dies einen herben Rückschlag dar. Aus Angst vor einer möglichen Infektion verlassen immer mehr Geschäftsleute, Händler und Investoren die betroffenen Regionen, was den Handel von Gütern und Dienstleistungen sowie die Umsetzung wirtschaftspolitischer Projekte kaum mehr möglich macht. Auch immer mehr Entwicklungspersonal aus dem Ausland entscheidet sich für die Ausreise aus den betroffenen Ländern. Solange die Epidemie nicht gebremst werden kann, ist auch hier nicht mit einer Verbesserung zu rechen. Zu erwarten ist außerdem, dass die Menschen in den betreffenden Ländern mit einer Einschränkung ihrer Grund- und Menschenrechte konfrontiert werden. In den vollständig isolierten Regionen ist dies bereits der Fall. Inwieweit dies zur Bekämpfung der Epidemie beiträgt, kann man nur abwarten. Es stellt sich bereits jetzt aber als eine eher fragliche Methode heraus. Wahrscheinlicher ist es, dass es das Problem eher verschlimmert, beziehungsweise neue Probleme, wie Versorgungsnotstände und Unruhen geschaffen werden. Vielerorts sind diese Befürchtungen bereits eingetroffen. Dennoch wäre es zu einfach, das Ebolavirus für alle Probleme in den Ländern Guinea, Liberia und Sierra Leone verantwortlich zu machen. Einen erheblichen Mangel an einer medizinischen Grundversorgung, Lebensmittelknappheit und mangelnde Infrastruktur auf dem Land hat es schon vorher gegeben. Die Epidemie befördert diese Probleme lediglich an die Oberfläche und macht des Weiteren deutlich, wie überfordert die Regierungen mit einer solchen Krise sind. Und damit sind bei weitem nicht nur die Regierungen der betroffenen Länder gemeint.
Schlagwörter: Ebola, Janine Küchhold, Liberia, WHO