von Peter Liebers
Peter Emmerich ist wahrscheinlich der dienstälteste Pressesprecher aller Festivals der Welt, in jedem Falle der, der den Bayreuther Festspiele am längsten dient. 25 Jahre hat er das Amt inne, in unserer Zeit eine unvorstellbar lange Frist. Die Jahre allein aber sind es nicht, die seine Anwesenheit in der fränkischen Festspielstadt zu etwas Besonderem machen. Es ist eine märchenhaft anmutende Geschichte, die von der Realität des Mauerfalls vor 25 Jahren in die deutsche-deutsche Wirklichkeit geholt wird. Sie beginnt für den jungen, nahe der sächsischen Elbmetropole geborenen Theaterwissenschaftler und Regieassistenten im Jahr 1985, als der Patron der Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele, Wolfgang Wagner, an der wiederaufgebauten Dresdner Semperoper das populärste Werk seines Großvaters, „Die Meistersinger von Nürnberg“, inszeniert.
Wolfgang Wagner war zu dieser Zeit bereits für die internationale Musikwelt eine Legende und seine Regiearbeit an der Semperoper für die Opernfreunde der DDR geradezu eine Sensation. Er schuf für die Dresdner Staatsoper eine Adaption seiner Bayreuther „Meistersinger“-Inszenierung. Für den musiktheaterbegeisterten jungen Peter Emmerich eine Offenbarung, schließlich war Wagners Inszenierung die erste eines westlichen Opernregisseurs in der DDR. „Meine Dresdner Tätigkeit wirkte dahin, dass es infolge der Bemühungen des damaligen Intendanten Gerhard Schönfelder gelang, nach zwanzigjähriger Unterbrechung wieder Musiker, Inspizienten, Assistenten und Chorsänger aus der DDR durch mich nach Bayreuth zu verpflichten“, erinnert sich Wolfgang Wagner in seiner „Lebensakte“ jener Jahre. Für prominente Sänger und Regisseure hatte es bereits vorher keine „totale Ausreisesperre“ gegeben. Dass Emmerich im Herbst 1987 von Wagner zu den Proben einer Neuinszenierung des „Ring des Nibelungen“ auf den Grünen Hügel eingeladen wurde, zeugt von Wolfgang Wagners Vertrauen und Wertschätzung dem jungen Dresdner Regieassistenten gegenüber, aber auch von dem „sehr, sehr intensiven Einsatz des Festspielleiters bei den entsprechenden Behörden der DDR“, erklärt Emmerich das Phänomen seiner Anstellung im Pressebüro der Festspiele. „Wie Wagner das hingekriegt hat, das weiß ich bis heute nicht“, erzählt er und dass er nie Mitglieder der SED gewesen sei, „und ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich kein Kommunist bin“. Dennoch war Peter Emmerich seit 1986 sogenannter Reisekader, was bedeutete, dass er in den Westen reisen durfte. Eine Notwendigkeit und Chance zugleich, die sich aus den zahlreichen Gastspielen der Dresdner Staatsoper im Ausland ergab, zumal das Ensemble in den 1960er bis 1980er Jahren mit Solisten wie Theo Adam oder Peter Schreier und seiner legendären Staatskapelle weltweit hohes Ansehen genoss.
Adam und gleichfalls im Ensemble der Staatsoper Dresden bewährte, international geschätzte jüngere Solisten wie Christiane Hossfeld, Reiner Goldberg oder Ekkehard Wlaschiha stehen in den Annalen der Bayreuther Festspiele und somit für deren sängerisches Niveau. Zwar habe er zu keiner Zeit daran gedacht, eine Gastspielreise ins westliche Ausland zu nutzen der DDR den Rücken zu kehren – und doch erfüllte sich 1988 für den musiktheaterbesessen Peter Emmerich ein Traum. Als Wolfgang Wagner ihn bei der Zusammenarbeit an seiner Dresdner Neuinszenierung des „Fliegenden Holländers“ als einen „überaus engagierten Assistenten in vielen Gesprächen und Diskussionen näher kennen und schätzen lernte“, wie der Regisseur in seinen Erinnerungen schreibt, „erreichte ich das Unikum, dass er für drei Jahre von der Staatsoper Dresden beurlaubt wurde, und wir stellten fest, dass mit ihm die Position des Pressesprechers ganz im erhofften Sinne besetzt sein würde“. Freilich ließen sich die DDR-Behörden Zeit, aber im Frühjahr des Schicksalsjahres 1989 war es dann soweit, und Emmerich zog auf den Grünen Hügel. Das bedeutete jedoch keine Übersiedelung aus der DDR in die Bundesrepublik. Außerhalb der Festspiele kam Emmerich noch vertraglich vereinbarten Assistenzen und Abendspielleitungen an der Semperoper nach, was ihm den Kontakt zu seinen Kollegen und vor allem zu seiner Familie bewahrte. Seine Frau, eine Musikalienhändlerin, durfte nämlich nicht einmal zu Besuch nach Bayreuth.
Die veränderte politische Situation nach dem 9. November befreite Peter Emmerich von der Anfechtung, sein längeres Bleiben in Bayreuth nicht doch eines Tages durch eine „Republikflucht“ zu sanktionieren. Mit der diesjährigen Festspielsaison ist Emmerich 25 Jahre im Amt, und er hat in dieser Zeit so manche Stürme auf dem Grünen Hügel erlebt. So war er dem mit den Jahren zunehmend angefochtenen Patriarchen ein verlässlicher Berater, und er hat die bewegte Geschichte der Generationenwechsels von Wolfgang Wagner hin zu seinen Töchtern Katharina und Eva bei den Bayreuther Festspielen als ein verlässlicher Partner mitgestaltet. Was heißt, dass Emmerich das Vertrauen des Enkels Richard Wagners eingelöst hat und sich für die Neugestaltung der Bayreuther Festspiele für Veränderungen zur Verfügung stellt. Ganz im Sinne der vom Gründer Richard Wagner geforderten „Werkstatt Bayreuth“. Peter Emmerich ist froh, dass er so das Vertrauen Wagners einlösen konnte, das dieser seit Mitte der 1980er Jahre immer wieder in ihn gesetzt hatte. Und weil sich dieses Zutrauen in der inzwischen fünf Jahre währenden Zusammenarbeit mit der 36-jährigen Festspielchefin Katharina Wagner erweist, blickt der Jubilar optimistisch in die Zukunft. „Es war niemals langweilig“, versichert er mit seinem unverwüstlichen sächsischen Humor, „auch wenn es sich jedes Jahr scheinbar zu wiederholen scheint, braucht es immer wieder einen neuen Anlauf, etwas zustande zukriegen“, meint Emmerich. „Seien es die Programmhefte, die sich in den letzten Jahren in Gestalt und Inhalt im Sinne einer Werkgeschichte mehrfach verändert haben, und wenn man auch in jeder neuen Saison nicht bei null beginnt, so hilft Routine deshalb nur bedingt, weil immer neue Menschen und neue Technologien das Bild der Festspiele prägen.“ Und dass der Treppenwitz, Bayreuth erreichten alle technischen und künstlerischen Entwicklungen immer erst sehr viel später als andere Kunstorte in der Welt, inzwischen längst Geschichte ist, ist nicht zuletzt dem beharrlichen Wirken Peter Emmerichs zu danken, der auch künftig die Herausforderungen der Zukunft auf dem Grünen Hügel unerschrocken annimmt.
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