von Fritz E. Gericke
Sie töten mit dem Schwert – nicht nur, aber auch.
Sie töten die Guten – nicht nur, aber auch.
Das Schwert ist die Waffe mit der sie die Guten töten, die Geiseln, Opfer auf dem Altar ihres Wahns. Sie schlagen ihnen damit die Köpfe ab. Sie machen Bilder davon und stellen sie ins Netz. Sie sind ja moderne Gotteskrieger. Sie halten die abgeschlagenen Köpfe in die Kamera oder lassen sie halten, von Kindern. Sie sind grausam, brutal, unbarmherzig, schrecklich. Der, dessen abgeschlagenen und noch blutenden Kopf sie da in die Kamera halten, war einer von denen, die gekommen waren, um den vom Krieg Gebeutelten zu helfen, der war kein Krieger. Er war einer der dem Töten ein Ende bereiten wollte.
Welcher Gedanke war der letzte, der in diesem Kopf gedacht wurde? Ein Gedanke an die Frau, an die Kinder, an die Eltern? Ein Fluch vielleicht? Ein Gebet? Reue, ein Guter sein zu wollen? Menschen sind nicht gut, und er war ein Mensch. War es dieser Gedanken? Wollte er vielleicht jetzt doch lieber der sein, der das Schwert schwingt und nicht der, der seinen Streich empfängt? Vielleicht war dieser letzte Gedanke aber gar nicht rational, vielleicht war der letzte Gedanke Hoffnung, immer noch Hoffnung. „Die haben doch keinen Grund mich zu töten.“ Man sagt, die Hoffnung stirbt zuletzt. Doch das ist falsch! In diesem der ganzen Welt gezeigten Kopf war die Hoffnung längst gestorben – es sei denn sie galt der ewigen Seligkeit, wenn da noch Glauben war, Glauben an einen Gott, an Engel oder ein Paradies.
Oder war es Angst, graue Angst, die Angst vor dem Schmerz, wenn die Klinge den Hals durchtrennt? Angst, dass der Kopf noch weiterdenkt, ohne seinen Körper, dass er schreien will, aber nicht mehr kann, weil die Lungen mit dem Rest des Körpers bereits leblos am Boden liegen? Aber vielleicht war da auch Nichts, ein leer gedachtes Gehirn, das aufgeräumt war wie ein Zimmer, das man für immer verlassen muss?
Und was geschah in den anderen Köpfen, in denen, die nicht abgeschlagen werden sollten und die nicht abgeschlagen wurden? Was oder woran dachte der Man mit dem Schwert? Dass er gleich einen Menschen töten würde, der nicht gekommen war um ihn zu töten, sondern um seinen Brüdern oder Schwestern, seinen Kindern oder Eltern oder ihm selbst zu helfen zu überleben? Dachte vielleicht auch er an das versprochene Paradies, wo 72 Jungfrauen für die Ewigkeit auf ihn warten werden? Dachte der Mann mit dem Schwert, er sei ein Guter, weil er im Namen seines Gottes tötete?
Gotteskrieger fragen nicht, ob einer gut oder böse ist. Sie töten ihn auch nicht, weil er anders ist, sie töten, weil er anders denkt. Das aber würde voraussetzen, dass ein Gotteskrieger denkt. Was, wenn er nur glaubt? Glaube ist für einen der denkt immer auch mit Ungewissheit. verbunden, mit Zweifeln. Zweifelt der Mann mit dem Schwert, heimlich, denn sonst wäre er ja selbst des Todes?
Gotteskrieger töten die Un- oder Andersglaubenden, die mit ihrem Hiersein die Welt verschmutzen. Sie maßen sich an, das Recht zu haben, sie auszumerzen, obwohl es doch ihr Gott war, der ihnen das Leben geschenkt hat. Waren die Anderen, die nicht so glaubten wie sie, unvollkommen? Hatte Gott einen Fehler gemacht, den zu korrigieren sie berufen waren? Waren sie dann nicht klüger als Gott, weil sie die Fehler erkannten, die er gemacht hatte, oder waren sie nur willenloses Werkzeug, dieses sich irrenden, unvollkommenen Gottes, mit dem er wie ein Bildhauer mit dem Schmirgel den Feinschliff vornehmen ließ?
Diese Gotteskrieger, wollen sie wirklich in sein Paradies, in das Paradies eines Gottes, der so unvollkommen ist, dass sie ihm helfen oder gar korrigieren müssen, um den Ausschuss zu eliminieren, den er produziert hat?
Sie töten die Guten mit dem Schwert, denn die, die an einen Gott glauben, der allen seinen Geschöpfen das Recht auf Leben mit auf den Weg gegeben hat, sind ihnen am gefährlichsten. Sie sind gefährlicher als die, die nicht glauben. Das haben die Gotteskrieger von heute mit den Christen des Mittelalters gemein.
Das Töten der Guten verursacht den größeren Schmerz. Der Schrecken, den das Töten der Guten und Hilfreichen durch die Hand eines Gotteskriegers verbreitet, ist ungleich größer, als das maschinelle Töten mit automatischen Waffen je sein kann. Es ist grausam, weil es als real empfunden wird. Das Töten mit automatischen Waffen, mit ferngesteuerten Drohnen mit Atombomben, mit Gas oder biologischen Mitteln wird virtuell wahrgenommen. Der Mann, der die Drohne steuert sitzt hunderte von Kilometern weit weg, unerreichbar für die, die er bekämpft – noch unerreichbar. Er sieht den Feind auf einem Bildschirm, auf dem er in seiner freien Zeit, virtuelle Gute gegen virtuelle Böse kämpfen sieht. Der Feind, den er sieht ist nicht real, er ist nur ein Bild, und wenn es nicht der Feind ist, den seine Drohne zerfetzt, sondern irgendwelche anonymen andere Menschen, sie sind und bleiben virtuell, Kollateralschäden einer noch immer nicht perfekten Tötungsmaschine. Wer so tötet, tötet nicht grausam, denn zur Grausamkeit gehört, dass man dabei ist, den Schweiß, das Blut, den Urin, die Angst selber riecht. Angst ist ansteckend, die muss überwunden werden. Wenn ich sie rieche, muss ich meine eigene Angst überwinden, um den zu töten, der keine Schuld hat. Das ist grausam – für alle, für Beteiligte und Unbeteiligte?
Für die, die sich Gotteskrieger nennen, sind die Guten nicht nur deshalb so gefährlich, dass sie sie brutal und abschreckend umbringen müssen, weil andere um sie trauern werden und deren Trauer sich in Zorn verwandeln könnte, sondern weil sie ihnen das Paradies streitig machen werden. Wenn es das Paradies geben sollte, dann werden die Gemordeten als erste an der Tür stehen und sie werden denen, die sie, ihre Freunde, ihre Verwandten töteten, den Eintritt zu wehren wissen.
Und was geschieht in den Köpfen derer, die dabeistehen und zusehen? Der Tod der öffentlich Gemordeten dringt auch in ihre Hirne ein. Er brennt sich ein, der Anblick des abgetrennten Kopfes in der Hand des Henkers oder gar eines herbeigerufenen Kindes. Das Hirn kennt kein „Delete“ kein „Löschen“, es ist unvollkommener als ein Computer. Doch es ist genau die Unvollkommenheit die es menschlicher macht, weil es nicht auf Knopfdruck reagiert und nicht dem Willen des Denkens unterliegt, es denkt, es erinnert unabhängig vom Wollen.
Ahnen oder wissen die mordenden Gotteskrieger, dass sie das Recht verwirkt haben, das sie wie ein Banner vor sich her tragen? Sie haben es sich genommen, sie haben es ihrem Gott geraubt, es zur Willkür gewandelt. Kein Krieger kann ein gerechter Krieger sein, da er immer Partei, immer ein Urteilender ist, auch über die Schöpfung und Geschöpfe seines Gottes. Der Gott, zu dem sie beten, mag er auch menschlichem Denken, Verlangen oder Sehnen entsprungen sein, nimmt Zorn und Rache für sich selbst in Anspruch, er überträgt sie nicht selbsternannten Parteigängern: „Die Rache ist mein, sprach der Herr“, entspringt der gleichen Quelle, aus der sich auch der Glaube der Gotteskrieger speist.
Keiner der tötet handelt im Auftrag seines Gottes, er benutzt ihn, um seine eigene Gier nach Macht zu befriedigen, Herr über Leben und Tod zu sein.
Schlagwörter: Fritz E. Gericke, Gotteskrieger, Töten