17. Jahrgang | Nummer 13 | 23. Juni 2014

Antworten

Frank Schirrmacher, viel zu früh gegangener Mitherausgeber der FAZ Wir waren ganz gewiss kaum je einer gänzlich übereinstimmenden Meinung, doch ein Manko war das nicht. Denn Demokratie ist lebendig in der konstruktiven Kontroverse. Und Ihre Beiträge zu Kernthemen unserer Gesellschaft waren stets kontrovers-inspirierend und damit häufig auch eine Anregung, den eigenen Standpunkt mal wieder einer zweifelnden Inventur zu unterziehen. Ihre Kritik am Irrsinn des totalitären Kapitalismus hatte andere Ansatzpunkte als die von Marx, aber der hätte, da er eine intelligente Klinge zu schätzen wusste, die Ihre womöglich als zeitgemäße Ergänzung der seinen gelten lassen. Im Übrigen: Hätte man als Linker vornehmlich mit Konservativen wie Ihnen zu tun, dann wäre das zwar eine intellektuelle Herausforderung der nicht eben durchschnittlichen Art, aber gerade deswegen könnte daraus vielleicht sogar mehr als nur friedliche Koexistenz werden. Und: Existierte ein Gott, dann wäre der für den Willkürakt, Sie mit 54 Jahren „abzuberufen“, einmal mehr zu tadeln. Wenn nicht von Ihnen, dann aber ganz gewiss von uns. Denn Sie werden uns fehlen!

Christian Bommarius, allweil Hellsichtiger – In einem Kommentar der Berliner Zeitung zum Schweigen der Bundesregierung zu den – zumal mit dem BND verstrickten – Aktivitäten amerikanischer Geheimdienste, namentlich der NSA, in Deutschland, stellen Sie schlussfolgernd präzise fest: „Bis 1990 war Deutschland nicht souverän, seit 1990 hat sich daran nicht viel verändert. Bei wem also sollte die Bundesregierung nach den Enthüllungen Snowdens protestieren? Sie haben ihr wohl nichts verraten, was sie nicht schon längst gewusst und geduldet hätte.“

Christian Wulff, Freispruchklopfer – „Der Rücktritt war falsch, und ich wäre auch heute der Richtige im Amt“, haben Sie uns wissen lassen, da Ihnen die Last einer Klage und gar einer Verurteilung nun rechtskräftig von den Schultern genommen worden ist. Allein dieser Satz, Verehrtester, belegt allerdings nun doch aufs schönste, dass Sie es nicht sind.

Alice Schwarzer, gern auch mal in Ratesendungen oder als Entertainerin in einer Kochshow – Wir hatten so gehofft, dass Sie Ihrer leidigen Steueraffäre final entronnen seien: 200.000 Euro Steuerschulden für ein auswärts gebunkertes Millionenvermögen beglichen und die, mit Verlaub, dumm-dreiste Begründung, nur für ein mögliches Exil angesichts der Hatz auf Sie vorgesorgt haben zu wollen, wieder raus aus den Medien. Wir sahen Ihrer omnipräsenten Rückkehr als „Scharfrichterin der öffentlichen Moral“ (FAZ) ebenso freudig wie erregt entgegen. Und nun dieses: Der Fiskus grapscht schon wieder nach Ihnen – Sie sollen weitere Einkünfte verschwiegen haben. Hoehnische Gazetten arbeiten dem Vernehmen nach bereits an Headlines wie: „In Landsberg sind noch Zimmer frei!“ Denn: Die mit der Selbstanzeige erhoffte Straffreiheit könnte verspielt sein … Wir fragen bang: Was kommt als nächstes? Ein exponentielles Hochschnellen der Zahlen, das aus der bis dato Hoeneß- eine Hoeneß-Schwarzer-Skala macht? Manche wetzen jedenfalls bereits die Messer – der vom Vergewaltigungsvorwurf freigesprochene Jörg Kachelmann etwa, über dessen Prozess sie „damals ausgesprochen einseitig […] in einem Boulevardblatt“ (FAZ) berichtet hatten“. Der postete jetzt: „Ich habe 2010 gelernt, dass sich jeder Idiot Gerichtsberichterstatter nennen darf. Also auch ich. Für wen darf ich zum Schwarzer-Prozess?“

Steve Walker, Trittbrettfahrer – eigentlich Fußmediziner in Oklahoma beglücken Sie nun die amerikanische Welt mit einem Konsumgut, an dessen Nachfrage in Gottes eigenem Land mit den unbegrenzten Freiheiten und Möglichkeiten gewiss kein Mangel sein wird. Für rund 1.000 Dollar bieten Sie die von Ihnen entwickelten „bodygard blankets“ (kugelsichere Decken) an, mit denen sich Kinder vor künftigen Amokläufen in Schulen schützen können. Die nächsten Ideen zum Schutz der Kinder werden nicht lange auf sich warten lassen: kugelsichere Schulkleidung, Stahlhelme für Kinder, Minengürtel um Schulen – für Profiteure aller Art steckt im Schutz der Kinder jede Menge Phantasie. Das Verbot von Handfeuerwaffen im Privatbesitz scheidet dabei allerdings auch weiter aus. Erschossene Kinder sind schließlich denn doch nicht mehr als ein Preis der Freiheit, und die ist auch dann heilig, wenn sie tödlich ist.

Hartmut Mehdorn, Dauerbaustellenchef – Sie haben Sie sich für die Einhaltung des nächsten BER-Eröffnungstermins verbürgt. Das ist tapfer, zumal Sie dabei dem Vernehmen nach nicht einmal die Finger ihrer Hände hinter Ihrem Rücken gekreuzt haben sollen. „Spätestens Ende des Jahres sind wir soweit, einen Termin zu nennen, und der wird es dann sein“, so also Ihr O-Ton zum Thema, der gerissener Maßen offen lässt, in welchem Dezennium des noch so jungen Jahrhunderts dieser märchenhafte Zeitpunkt liegen wird. Die Jüngeren unter uns werden es aber sicher vielleicht noch erleben.

Dmitri Rogosin, Vizepremier Rußlands – Am 12. Juni 1990, dem Tag der Unabhängigkeit (auch) Russlands von der Sowjetunion, so haben Sie via Twitter mitgeteilt, sei „der erste Riss im sowjetischen Felsen aufgetaucht“. Danach sei es zum Einsturz gekommen. Mit Bezug auf die Krim als den Beginn einer zumindest von Ihnen, dem einstigen Sowjetjournalisten, gewünschten und optionierten Rückwärtsrolle haben Sie hinzugefügt: „Wer wusste damals, dass es ein Vierteljahrhundert weiterbröckeln würde? Es ist an der Zeit, die Teile einzusammeln.“ Dass Äußerungen eines solch führenden Mannes im Kreml wie Ihnen die obwaltenden Befürchtungen um die Friedfertigkeit Russlands nur befeuern können, scheint Sie nicht zu stören, was besagte Befürchtungen nicht eben geringer macht.

Anja Helffenstein, festangestellte Postbotin – Dass bei der Deutschen Post gelegentlich Geduld angeraten ist, dürfte hinlänglich bekannt sein. Sie sind für die Ihre nun königlich belohnt worden. Nach 88 (in Worten: achtundachtzig) Zeitarbeitsverträgen als Postbotin in 17 Jahren sind Sie im mecklenburg-vorpommerischen Wittenburg nunmehr fest in das Kollektiv jener aufgenommen worden, die einen unbefristeten Arbeitsplatz ihr eigen nennen dürfen. Sicher, es bedurfte Ihrer gerichtlichen Klage wegen einer Nichtverlängerung Ihrer Zeitarbeit, weil Sie – einer zweieinhalbwöchigen Krankheit wegen – vom Lübecker Niederlassungsleiter aus „untragbar“ qualifiziert worden waren. Aber ein „Güte“-Termin beim Arbeitsgericht Schwerin hat´s nun möglich gemacht, dass jener Güte zum Durchbruch geholfen worden ist, für die die Post AG ihren Mitarbeitern gegenüber nachgerade legendär ist. Darüber, dass der Lübecker Niederlassungsleiter oder gar die ausbeuterische Zeitarbeitspraxis der Post untragbar wären, wurde bisher nichts verlautet.

Volker Heise, Filmemacher und Kolumnist – „Ein Ereignis wird von seinem eigenen Erfolg zu Tode geritten, was so lange nicht auffällt wie die Hypnose anhält“, haben Sie zum teutonischen Fußball-WM-Hype angemerkt; besser hätte man es nicht sagen können.