17. Jahrgang | Nummer 10 | 12. Mai 2014

Subway to Sally

von Thomas Behlert

Bald ist es wieder so weit, da werden sich als normal eingeschätzte Menschen in sackähnliche Kleider zwängen, den Lendenschurz umlegen und mit Kind und Kegel die Mittelalter-Feste bevölkern. Zerfallene Burgen oder kaputt aussehende Innenstädte sind dann voller Gaukler, Töpfer und Korbflechter. Endlich sieht man wieder Zeugs, das man gar nicht braucht. Trotz ökologisch verschrobener Ansichten und theoretischen Wissens sind die Müllbehälter nach wenigen Stunden mit Pfandflaschen und Plaste in allen Ausführungen vollgestopft. Die Dixie-Klos, die ein waschechter Mittelalter-Kämpfer natürlich übersehen wird, laufen schnell über, obwohl die Bier- und Bratwurstpreise einen unbekümmerten Einkauf eigentlich nicht zulassen. Zu diesen Festen, die in der Sonne nach allem möglichen, nur nicht nach Freiheit riechen, stehen immer die typischen Musikkapellen auf den mit modernster Technik ausgerüsteten Bühnen. Nur ein Galgen oder auf Bettlaken gemalte Krähen erinnern an das Mittelalter (Sic!). Die angeheuerten Bands, die ganz zufällig gerade ein neues Album „am Start haben“, passen dazu, wie der Wickelrock zur Töpferin. Da wären Corvus Corax, die ziemlich authentisch die Maultrommel und den Dudelsack spielen, die Tod und Teufel einbringenden Schandmaul, In Extremo mit verdammt nervenden Dudelsäcken (dudeln tun die, das kannste glauben) und schließlich Subway To Sally aus Potsdam. Musikalisch hat sich das Septett nicht großartig weiter entwickelt, was auch gar nicht nötig ist, da sich die Fans sonst erschrecken würden. Auf dem nun vorliegenden Album „Mitgift“ ist demzufolge eine Mischung aus unheimlichem Minnegesang, etwas Metal, rudimentären irischen Folkeinflüssen und jeder Menge überflüssigem Hardcore zu bewundern. Wer den ersten Chart-Erfolg „Bannkreis“ aus dem Jahre 1997 kennt, das Live-Erlebnis „Schrei“ (2000) und „Herzblut“ ebenso, der kann auch mit „Mitgift“ etwas anfangen. In Sachen Text haben sich Eric Fish (voc, Pipes, Flöte), Frau Schmitt (Violine), Ingo Hampf (g), Bodenski (g, Hurdy Gurdy), Simon (g), Sugar Ray Runge (b) und Simon Michael (dr) diesmal auf Mord und Totschlag geeinigt. Die vorhergehenden Themen Hexen, böse Rittersleute, Saufgelage, Geister und Spielleute dürften ausgereizt sein und wurden von den bereits genannten Kapellen in letzter Vielfalt verbraten. Subway To Sally, die sich 1992 gründeten, fragten bei Lydia Benecke an, die Psychologie, Psychopathologie und Forensik in Bochum studierte, ob sie nicht mit in die komplizierten Gefilde der Kriminalpsychologie hinab tauchen könnte. Wer seine Diplomarbeit über Persönlichkeitseigenschaften von Sadomasochisten verfasste, kann auch mit Musikern zusammenarbeiten.
Nun geht es um tiefgreifende Persönlichkeitsprofile und menschliche Tragödien, die vom Songwriter Bodenski zu fast gefährlichen Stücken umgeschrieben wurden. Es war schon so, dass die Musiker im Geist zu Massenmördern wurden und sich in die Gemütswelt der Verbrecher hineindenken konnten und wollten: „Wir haben tiefe Einblicke hinter die Fassade von Mördern bekommen und konnten die Geschichten, die wir in unseren Songs nacherzählen, ganz anders wahrnehmen.“ „Für immer“ ist dabei genauso zweideutig-eindeutig, wie Falcos „Jeanny“. In „Grausame Schwestern“ wird die Eifersucht der dunklen und kalten Schwester mit finsteren und zuweilen unheimlichen Tönen erläutert und im tödlichen Hit „Arme Ellen Schmitt“ besingt Fish den Tod eines schönen Mädchens, das erst geliebt und dann mit einem Schuss ins Herz gemeuchelt wird. Die Moral zum Song ist ziemlich wirr und verquer.
Wer sich nun diese elf, in satten Sound gekleideten, Songs angehört hat, könnte ebenfalls viele Tode sterben. Also lieber in kleinen Häppchen konsumieren oder zu freundlicherer Musik greifen.

Subway To Sally: CD „Mitgift – Mördergeschichten“, Universal, 17,99 Euro.