von Hartmut Pätzke
Vor dem kleinen Haus Am Feldberg 3 in Berlin-Kaulsdorf, wenige Schritte neben der viel befahrenen Straße Alt Kaulsdorf, erinnert eine „Berliner Gedenktafel“ an Erich Knauf und Erich Ohser, die beide von 1942 bis 1944 in diesem Haus wohnten. Erich Knauf wurde nach einer Denunziation von den Nationalsozialisten zum Tode verurteilt und am 2. Mai 1944 hingerichtet, Erich Ohser ging zuvor am 5. April in den Freitod (siehe „Ein deutsches Künstlerleben“, Blättchen 23/2011).
Erich Knauf und Erich Ohser waren Freunde. Seit 1921 war Knauf Redakteur in Plauen und vielfältig kulturell tätig. Schon 1922 hat Erich Ohser den Förderer seines Schaffens in einer Porträtzeichnung festgehalten. Erich Kästner schrieb: „Erich Ohser, Erich Knauf und Erich Kästner, zwei Sachsen aus Plauen und einer aus Dresden, ein Schlosser, ein Setzer und ein Lehrer, die ihre Berufe an den Nagel hängten, ihren Talenten vertrauten, ihre Erfolge hatten…“ 1927 waren die drei „Eriche“ schicksalhaft miteinander verbunden. In der Plauener Volkszeitung hat Knauf das Kästner-Gedicht „Das blaue Heft“ mit einer Zeichnung von Ohser veröffentlicht, das dann im Karnevalsheft der Staatlichen Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig erschien und im hundertsten Todesjahr Beethovens als „Tempelschädigung“ angesehen wurde. Kästner und Ohser wurde fristlos an der Neuen Leipziger Zeitung gekündigt. Sie siedelten nach Berlin über.
1928 erschien der erste Gedichtband Kästners, „Herz auf Taille“ mit Illustrationen von Ohser. Knauf folgte ihnen zum August 1928, nachdem er durch Bruno Dreßler als Lektor und Literarischer Leiter der Büchergilde Gutenberg berufen wurde. Der Anstieg der Mitglieder der Vereinigung des Bildungsverbandes der Deutschen Buchdrucker von 45.000 auf 85.000 Mitglieder fällt in die Zeit Knaufs. Gemeinsam mit seinem Zwickauer Kollegen Walther Victor der am Sächsischen Volksblatt unter der Leitung von Max Seydewitz tätig war, hatte er am 24. August 1924 in Leipzig an der Gründungsversammlung der Büchergilde Gutenberg, der „Gemeinschaft von Autoren, Druckern und Buchlesern“, teilgenommen. In seinen „Betrachtungen zum Tag des Buches 1930“ bestätigte Knauf, die Büchergilde Gutenberg zu einer wirklichen Buchgemeinschaft der Werktätigen zu machen. Mit seinen eigenen Bänden „Empörung und Gestaltung. Künstlerprofile von Daumier bis Kollwitz“ (1928) – Walter Ballhause (1911-1991) hatte hieraus seine erst spät entdeckten Anregungen für seine sozialkritischen Fotos bezogen –, „Ça ira! Reportage aus dem Kapp Putsch“ (1930, beruhend auf eigenen Erlebnissen), „Daumier“ (1931, ausgezeichnet als eines der „Schönsten Bücher“) und der Herausgabe sowohl des Kurt-Eisner-Buches „Welt werde froh!“ (1929) mit einem Vorwort seines Vaters Heinrich Knauf und „Das blaue Auge“ mit Zeichnungen von Alfred Kubin (1930), hat er Beispielhaftes geschaffen. Knauf war ein Mann der Weltliteratur. B. Traven, der von Ernst Preczang für die Büchergilde Gutenberg entdeckt worden war, stieg zu einem außerordentlich beliebten Autor auf. Knauf erweiterte das Programm um russische und sowjetische Autoren. Von Michail Sostschenko erschien „Der Stiefel des Zaren“ mit Zeichnungen von Erich Ohser, der mit Kästner in das revolutionäre Land reiste. Die schärfste Bildsatire der Weimarer Republik, „Mein Vorurteil gegen diese Zeit“ mit 100 Holzstichen von Karl Rössing, konnte 1932 erscheinen. Rössing schrieb mir im Juni 1985 aus Marchtrenk: „Es war meine Absicht einen Verleger zu finden – ich fand ihn in Erich Knauf. Genauer gesagt, war der ihm Vorgesetzte Bruno Dressler, der gewonnen werden musste. Es dauerte wochenlang bis eine Einigung zwischen Knauf und Dressler gefunden war.“ Als die SA am 2. Mai 1933 in die Geschäftsräume eindrang, war Knauf schon auf unbestimmte Zeit, aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen zum Fortgang der Büchergilde Gutenberg zwischen ihm und Dreßler, beurlaubt worden. Knauf war kein Anhänger der schwankenden Haltung sowohl der Führung der Gewerkschaften als auch der Sozialdemokraten. Die Nazis gliederten das Unternehmen in die Deutsche Arbeitsfront ein. Hin und wieder schrieb Knauf für das 8-Uhr Abendblatt, das der Redakteur, Walther Victor, Jude, Knauf überließ. 1934 veröffentlichte Knauf dort eine Opernkritik, „nicht Staats- sondern Volksoper“, die den Zorn Hermann Görings erregte und für Knauf zu einem zehnwöchigen Aufenthalt im Konzentrationslager Oranienburg, wo er den Tod Erich Mühsams erlebte, und ins KZ Lichtenburg führte. Dem folgte der Ausschluss aus dem Reichsverband der deutschen Presse. Als Schriftsteller galt er als „untragbar“. Kurt Günther hat ihn 1934 als einen stolzen Mann porträtiert (Kunstsammlungen Gera). In der Industrie- und Filmwerbung findet Knauf ein kärgliches Auskommen.
Als er dann zwischen 1939 und 1942 Urlaub in Italien mit seiner zweiten Frau Erna (geb. Donath) machen kann, ist er Pressechef der „Terra“. Das Filmunternehmen hat nur sehr wenige Nationalsozialisten. Ausgebombt bezieht er, gleich Erich Ohser, eine Unterkunft in Kaulsdorf. Hauptmann Schultz, Herausgeber des Deutschen Lichtbildes und dessen Frau notieren sich, was Knauf und Ohser sagen, denunzieren sie. Nachdem Knauf von Freisler zum Tode verurteilt worden war, wagen es nur wenige Menschen, sich für sein Leben einzusetzen, einer von ihnen war Heinz Rühmann. Noch nach dem Tod von Knauf wurde „Heimat, deine Sterne“ gesungen, das er für den Film „Quax, der Bruchpilot“ (1941) geschrieben hatte. Komponist auch von „Glocken der Heimat“, sowie einer ganzen Reihe anderer Lieder, war Werner Bochmann (1900-1993), der zufälligerweise ebenfalls aus Meerane stammte.
Es hat nicht an Versuchen gefehlt, Knaufs Leben und Werk zu würdigen. Die seit 1947 in Frankfurt am Main ansässige, aus dem Schweizer Exil zurückgekehrte Büchergilde Gutenberg für die Westzonen, unter der Leitung von Helmut Dreßler (1910-1974), tat für Knauf nichts. Walther Victor, zurückgekehrt aus dem amerikanischen Exil, der sich um einen Knauf-Gedenkband, noch aus Hellerau bei Dresden 1947 bemühte, gab 1950 auf. Victor führte in Berlin die kurzlebige Büchergilde Gutenberg für die DDR. Das gesamte Material, das er gesammelt hatte, bewahrte er für den Tag der deutschen Einheit. 1990 sollte im Aufbau-Verlag eine zweibändige Erich-Knauf-Ausgabe erscheinen, herausgegeben von dem Meeraner Schriftsteller Wolfgang Eckert, dem Erna Knauf den Nachlass ihres Mannes und die Rechte 1986 übergeben hatte. Der Senat von Berlin hatte kein Interesse. 1998 erschien im Chemnitzer Verlag Eckerts Knauf-Biographie „Heimat, deine Sterne“, die äußerst nachlässig vom Verlag betreut wurde. Die Dauerleihgabe von Wolfgang Eckert im Meeraner Kunsthaus erinnert an den Sohn der Stadt. In Plauen wurde 1994 noch mit Unterstützung des Ohser-Sohnes Christian (1931-2001) die e.o.plauen-gesellschaft gegründet.
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