17. Jahrgang | Nummer 2 | 20. Januar 2014

Parodie und Persiflage am Pfefferberg

von F.-B. Habel

Einbläuen möcht’ ich es meinen deutschen Landsgenossen, dass,
wer die Dinge heiter sagt, sie darum nicht weniger ernst sagt.
(Alfred Kerr)

Das Heitere wird unterschätzt. Gern wird von den Absurditäten in Sketchen oder Schwänken, die ein großes Publikum erreichen, behauptet, hier handele es sich im zeitlosen Humor. Gerade war anlässlich von Loriots 90. Geburtstag allenthalben zu lesen, der Meister wäre ein Humorist gewesen, der das Allgemeinmenschliche prägnant beschrieb. Auf den einen oder anderen Text von ihm mag es zutreffen. Letztlich ist aber auch Loriot ein scharfer Gesellschaftssatiriker, der dem Kleinbürgertum den Spiegel vorhielt und die Absurditäten in Medien und Politik herausarbeitete. „Herr Otto Mohl fühlt sich unwohl am Pol ohne Atomstrom.“ Der Satz ist albern, aber nicht unpolitisch. Gesteigert wird die Absurdität dadurch, dass die Aussage gegen den Willen des Moderators von einem Hund im deutschen Fernsehen gemacht wird, und potenziert dadurch, dass er nicht zu verstehen ist und Herrchen als Übersetzer fungiert. Allgemein menschlicher Humor???
Oder nehmen wir die gerade wieder im MDR-Fernsehen aufgetauchte dänische „Olsenbande“, die gern als alberner Kinderkram abgetan wird. Doch hier wird die irrationale Liebe der Dänen zum überflüssigen Königshaus persifliert, es gibt Anspielungen auf den damaligen „Butterberg“ der Europäischen Gemeinschaft, wirtschaftliche Fehlentwicklungen, wie sie von Brüssel aus nach wie vor ausgehen. Egon Olsen und seine Kumpane erleichtern mit Vorliebe gierige Managertypen um ihren betrügerisch erworbenen Zaster.
Auch, dass immer wieder die Macht von Industrie und Banken thematisiert wird, hebt die „Olsenbande“ aus dem bloßen Humorbereich hervor. So lassen Olsens geistige Väter Erik Balling und Henning Bahs (in den Worten von DEFA-Synchronautor Klaus Marschke) in „Die Olsenbande ergibt sich nie“ Kommissar Holm mit einem eindeutigen Statement auftreten: „Dänemarks verantwortliche Politiker haben aufgegeben. Sie haben zusammen mit Westeuropas  Politikern aufgehört, irgendwas zu tun. Handelsdefizite, Inflation, Unruhe auf dem Valutamarkt – nichts mehr. Sie schaffen es nicht. Deshalb haben sie das Angebot multinationaler Gesellschaften akzeptiert, die Westeuropas Wirtschaft übernehmen wollen. […] Politiker müssen Rücksicht nehmen auf die Wähler, auf die Bevölkerung. Das tun die nicht, die multinationalen Gesellschaften haben das nicht nötig. Die kümmern sich nur um die ganz realen Dinge: Budgetfragen, Rohstoffbeschaffung, Management und ihren Profit. […] Die Bevölkerung muß auch weiterhin denken, dass es die Politiker sind, die bestimmen. Woran soll sie sonst glauben? Es wäre schade um sie, könnte sie an nichts mehr glauben!“
Aus gutem Grund hat Peter Dehler diese Sequenz wörtlich in sein Theaterstück „Die Olsenbande dreht durch“ übernommen, bei dessen Uraufführung Balling, Bahs und „Kjeld“ Poul Bundgaard 1997 in Cottbus gefeiert wurden. Nach zahlreichen anderen Inszenierungen (derzeit noch in Anklam auf dem Spielplan) ist das Stück nun in einem ganz neuen Berliner Theater zu erleben. Am Pfefferberg an der Schönhauser Allee hat vor wenigen Monaten ein neues, gar nicht mal so kleines Theater eröffnet, das sich vor allem intelligenter Persiflage und witziger Parodie verschrieben hat. Seien es „Faust“ oder „Bonnie und Clyde“, „Romeo und Julia“ oder „Amphytrion“ – alle werden auf ihre grotesken Momente abgeklopft. Die „Olsenbande“ sollte man tunlichst vom Blatt spielen, und daran haben sich die Regisseure Ingo und Ralph Woesner auch gehalten. Die Zwillinge sind seit langem in der Berliner Off-Theater-Szene als „Woesner Brothers“ eine Größe und haben sich den Traum vom eigenen Theater erfüllt. Ingo spielt überzeugend Egon und Ralph hat Bennys Tänzelschritte fast noch besser drauf, als das Original. Um sich haben sie ein kleines Ensemble von spielbegeisterten Komödianten geschart – in der „Olsenbande“ sind es unter anderem Moritz Röhl, Daniella Erdmann, Marin Caktas und Franz Lenski – die nah an den Film-Vorbildern bleiben und doch ihre Eigenständigkeit wahren. An den nach wie vor aktuellen Anspielungen hat das Publikum seine helle Freude. Eine Drehbühne erleichtert den Szenenwechsel, aber da sie noch ziemliche Eigengeräusche hervorruft, sei der Regie geraten, hier doch die bewährte Filmmusik von Bent Fabricius-Bjerre einzuspielen. Das Publikum kann mitsummen…
Der Pfefferberg ist ein alter, ausgedienter Brauerei-Standort – gewesen! Seit neuestem wird an die gute Tradition angeknüpft, und es gibt dort selbstgebrautes Pfefferbräu-Bier, das man unbedingt verkosten sollte. Es muss nicht immer Tuborg sein!

Die Olsenbande dreht durch, Pfefferberg Theater, 10119 Berlin, Schönhauser Allee 176, nächste Vorstellungen am 28. und 30. Januar, jeweils 20.00 Uhr.