von Margit van Ham
Es ist, als sei ein Schalter umgelegt worden. Die Berichterstattung hierzulande über die NSA und ihre Helfer bei der Überwachung der Welt ist abgeebbt. Kaum noch etwas über Edward Snowden, über die inhaftierte Chelsea Manning. Dazu passt: Kein Wort vermeldeten deutsche Medien – mit Ausnahme des ND – über den jüngsten Auftritt der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff vor der Vollversammlung der UNO.
Dabei fand Dilma Rousseff klare Worte. Sie führte Beschwerde, dass die elektronische Spionagetätigkeit in Brasilien sehr gezielt stattfinde, persönliche Daten der Bürger wahllos abgefangen würden. Informationen von Wirtschaftsunternehmen – oft von hohem wirtschaftlichen und strategischen Wert – ständen im Zentrum der Spionage. Überdies seien die Kommunikation diplomatischer Einrichtungen Brasiliens, darunter der UN-Vertretung, und des Büros der Präsidentin abgefangen worden.
Rousseff stellte klar, dass es sich dabei um einen Völkerrechtsbruch und einen Affront gegen grundlegende Prinzipien zwischenstaatlicher Beziehungen handele. Eine souveräne Nation dürfe niemals ihre Interessen auf Kosten einer anderen souveränen Nation sichern. Das Recht auf Sicherheit der Bürger eines Landes dürfe niemals auf die Verletzung grundlegender Menschenrechte der Bürger eines anderen Landes gegründet werden.
Sie verwies auf ihren eigenen Kampf gegen autoritäre Regierungen und Zensur und betonte: „ […] ich kann nicht anders, als das Recht auf Privatsphäre des Einzelnen und die Souveränität meines Landes kompromisslos zu verteidigen.“ „Ich kann nicht anders“ – das hatte auch Edward Snowden gesagt. Es gibt Dinge, über die man nicht schweigen darf.
Die brasilianische Regierung, hat Rousseff versichert, werde ihre Anstrengungen verstärken, um Gesetze, Technologien und Mechanismen zu schaffen, die das rechtswidrige Abfangen von Kommunikation und Daten unterbinden. Sie rief die UN auf, eine führende Rolle bei den Bemühungen um einen diesbezüglichen zwischenstaatlichen Verhaltenskodex zu übernehmen. Informations- und Telekommunikationstechnologien dürften nicht zum neuen Schlachtfeld zwischen den Staaten werden. Die Zeit sei reif zur Schaffung von Regelungen, die verhindern, dass das Internet durch Spionage, Sabotage und Angriffe auf Systeme und Infrastrukturen anderer Länder als Kriegswaffe eingesetzt werde. Brasilien werde Vorschläge für die Schaffung eines multilateralen Rahmenabkommens machen.
Wie gesagt – kein Wort war hier über diese wichtige Rede zu hören. Die deutsche Regierung schien stumm und taub. Hat sie die Rede zur Kenntnis genommen? Was machen Journalisten? Haben sie die UN als Thema schon hinter sich gelassen? Die Berichte aus Syrien schienen genau zum richtigen Zeitpunkt zu kommen, um sich (unbemerkt?) von der unangenehmen NSA-Thematik abwenden zu können.
Die Schriftstellerin Juli Zeh, die sich seit langem für den Schutz von Meinungsfreiheit, Privatsphäre und Menschenrechten im Internet sowie die Gewährleistung von Netzneutralität einsetzt, hat nach dem kürzlichen Marsch von Schriftstellern aufs Kanzleramt eine neue Initiative gestartet, um nunmehr Rousseffs Rede massenhaft dem Kanzleramt zuzustellen. Juli Zeh wird noch viele Mitstreiter brauchen, damit die Bundesregierung endlich Taten zeigt.
Eine Arbeitsübersetzung des entsprechenden Teils der Rede von Dilma Rousseff vor der UN-Vollversammlung ist unter http://bit.ly/18jtL2s zu finden; zum Wortlaut der Rede (auch in Englisch) – hier klicken.
Schlagwörter: Dilma Rousseff, Edward Snowden, Margit van Ham, UNO