16. Jahrgang | Nummer 22 | 28. Oktober 2013

Die Müll-Ecke

von Günter Hayn

Das Indefinitpronomen „man“ kam jahrhundertelang harmlos daher. „Man nehme ein halbes Pfund Mehl und dreieinhalb Korinthen…“ Sowohl die Köchin als auch der Konditor verstanden, was zu tun sei und handelten entsprechend. Allenfalls nahm man vier Korinthen, um sich beim Zerschneiden der Trockenfrucht nicht in den Zeigefinger zu säbeln. „Man“ ist in der Linguistik traditionell weder Genus noch Numerus zuzuweisen.
Im 20. Jahrhundert verlor das Wörtchen aber seine Unschuld. Politik und Medien bemächtigten sich seiner: „Man wird sich ihren Namen merken!“ Das war aus dem Munde eines Machtbesitzers der deutliche Wink, schnellstens die Landesgrenze hinter sich zu bringen. „Man sollte sich diesen Namen merken!“, steht im Leitartikel einer tonangebenden politischen Postille. Aha, da wird jemand nach oben gehievt… „Man wird sich dieses Problems annehmen müssen und zeitnah eine Lösung vorschlagen…“, tönt es vom Podium der Regierungspressekonferenz.  Nichts wird passieren. „Zeitnah“ ist schon eine zu nichts verpflichtende Fristsetzung. Und alle wissen, dass in diesem Falle „man“ synonym mit „niemand“ zu setzen ist. Das ausgelutschte Pronomen erlebte vor wenigen Jahren allerdings wider Erwarten eine kleine Renaissance: als Kriegsbeil pseudofeministischer Propaganda. In weiser Kenntnis der Etymologie des Wörtchens, in althochdeutscher Zeit gebrauchte man „man“ tatsächlich in der Bedeutung von „Mann“, aber nun geraten wir auf ein glattes Eis …, sagt die politisch bewusste Frau jetzt, „frau müsste sich dieses Problems annehmen.“ Die Verklappse ist dieselbe wie bei „man wird sich…“ Nichts wird geschehen. Kürzlich las ich das Versprechen einer Politikerin: „Frau wird sich kümmern!“ Die Gute sagte nicht, „Ich werde mich kümmern!“ – sie sagte „Frau wird sich kümmern!“ Das sollte originell sein, ist aber eigentlich nur blöd. Da ist schon der Rückzug von der Zusage angelegt, indefinit – „unbestimmt“ also. Nichts wird passieren. Sie hätte es auch im Konjunktiv mitteilen können. Aber man und frau hat mit diesem immer so Probleme, grammatikalischer Art natürlich nur.

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Mit den Frauen hat es auch ein im südlichen Ostdeutschland angesiedelter Radio-Sender. Der betreibt ein Kulturprogramm namens FIGARO. Opernkenner wissen, Figaro ist die fröhliche Inkarnation des Machotums. Zur Ehrenrettung von MDR Figaro sei aber gesagt, dass der Sender – wenn seine Redakteure nicht gerade von religiösem Missionierungswahn geschüttelt werden – im Sendegebiet die einzige Blume in einer medialen Ödnis ist. Am 11. Oktober stellte Mann (kein Tippfehler, siehe oben!) in einem Gespräch, albernerweise waren die Gesprächsteilnehmer nur der Musikredakteur und sein Opernkritiker, die Erfurter Inszenierung der Monteverdi-Oper „Die Krönung der Poppea“ vor. Man äußerte sich über die Besetzung der weiblichen Solo-Partien: „Beide Frauen sind übrigens wirkliche Beauties“, teilte der Kritiker mit. Aha, deswegen soll ich mir also eine teure Opernkarte kaufen. Im Verlaufe des Gespräches fand der Meister des geschliffenen Wortes aber doch zu der den Sender kennzeichnenden Ernsthaftigkeit zurück. Er warf der Regie vor, „die Oper kastriert“ zu haben. Das ist nun so ziemlich das Schlimmste, was man einem Inszenierer vorwerfen kann. Eine „kastrierte Oper“ – igittigitt, was machen die da in Erfurt? – ist ihrer dramatischen Seite beraubt worden und könnte auch im Nachmittagsprogramm des Kinderkanals kika laufen. Ein Verriss also. Am Ende des Gespräches fasste der Redakteur aber zur Verblüffung des Zuhörers zusammen: „Sehenswert, wenn auch mit einigen Schwächen“. Offensichtlich waren ihm die „wirklichen Beauties“ wichtiger als dieser merkwürdige Monteverdi, den man auf youtube viel billiger bekommen kann. Frau müsste sich um diese Redaktion „wirklich“ kümmern…

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Immerhin jeweils zwei volle Stunden kann man an zwei Sonntagen im Oktober in Bad Lobenstein eine Kunstausstellung bewundern, teilte die OTZ mit: „ALLA HOPP – Farben der Pfalz und dem Elsass“. Der Elsass muss eine sehr graue Landschaft sein!