von Ulrich Kaufmann
Im Weimarer Bertuch-Verlag erschien in der Reihe „Weltliteratur für junge Leser“ ein Band zu Bertolt Brecht. Bereits das originelle Cover regt an, das Buch genauer zu betrachten: Der junge B.B. schaut, gut gelaunt, aus einem Haifischmaul, die Klampfe in der Hand. Das Eingangsbild sowie die ersten Sätze versuchen sogleich „Leser ab 16 Jahre“ abzuholen, sie mitzunehmen. Auf die im Titel gestellte Frage „Kennst du Bertolt Brecht?“ folgt die Antwort. „Natürlich kennst du ihn, denn du hast die ‚Moritat von Mackie Messer’ auf You Tube oder in einem Livekonzert schon gehört. Der Song stammt aus Brechts ‚Dreigroschenoper’, dem ersten deutschen Musical.“
Gudrun Schulz, seit Jahren eine ausgewiesene Brecht-Expertin, stellt den „Asphaltliteraten“, Lyriker, Dramatiker, Regisseur und Prosaschriftsteller in sechzehn knappen Kapiteln chronologisch vor. Angenehm ist, dass sich die Germanistin auffallend zurücknimmt und eher aus dem Hintergrund „moderiert“. Vor allem kommt Brecht selbst ausgiebig zu Wort. Der Band setzt mit dem Text „Vom armen B.B.“ (1922) ein und klingt mit dem späten Gedicht „Vergnügungen“ aus.
Diese zurückhaltende Präsentation erspart dem mündigen Leser (den es unter Jugendlichen auch gibt) lange Erklärungen und moralinsaure Belehrungen. Gudrun Schulz lässt die Fakten sprechen und überlässt dem Leser meist die Bewertung. Paula Bannholzer, Brechts erste große Augsburger Liebe, aus der Sohn Frank hervorging, und Margarete Steffin, die im Moskauer Exil starb, werden „stellvertretend“ für jene Frauen vorgestellt, welche Brecht besonders wichtig waren.
Im Kapitel über Helene Weigel, Brechts zweiter Ehefrau, sind vor allem Dokumente enthalten, die den Dichter als liebenden Vater und Bewunderer seiner Frau Helli als großartiger Schauspielerin zeigen. Mehr als die Hälfte der gemeinsamen Jahre waren die Eheleute mit ihren Kindern Stefan und Barbara im Exil, auf der Flucht vor den Nationalsozialisten. Die Ehe überstand viele Krisen, sie hielt bis zu Brechts Tod 1956. Im Zentrum der Künstlerbeziehung zwischen Brecht und der Weigel stand der „Glaube an sein Werk, ihre Schauspielkunst und das gemeinsame Theaterprojekt.“
Gudrun Schulz suchte nach neuen Möglichkeiten, um jungen Lesern und Lehrern (?) das epische Theater nahe zu bringen. Dazu nutzt sie etwa die Kurzgeschichte „Kritik“.
Im abschließenden Part zu Brecht in der DDR steht verständlicherweise der 17. Juni 1953 im Zentrum. Die Erhellung des Kontextes zu Brechts satirischem Gedicht „Die Lösung“ (aus den „Buckower Elegien“) zeigt, wie schwer es für den politischen Dichter in dieser Situation war, sich seinen Lesern und Freunden in beiden deutschen Staaten zu erklären.
Das Buch stellt durchgehend heraus, welchen gewaltigen Anteil die Musik an Brechts internationalen Theatererfolgen hatte. Die Namen Weill, Eisler und Dessau stehen dafür. Dem Band liegt folglich eine Audio – CD bei. Berühmte Stimmen sind zu hören, Stimmen, die heutigen Schülern keineswegs geläufig sind: Ernst Busch, Gisela May, Eva-Maria Hagen und Johanna Schall, die Enkelin des Dichters.
Autorin und Verlag gingen auch hier neue Wege. An einem Gymnasium in Lohne probten Elftklässler zusammen mit einem Rapper Szenen aus dem Parabelstück „Der gute Mensch von Sezuan“. Das vorzüglich illustrierte Buch und die CD sind ein Musterbeispiel dafür, dass museale Konservierung des Erbes wichtig ist, aber keineswegs ausreicht, um ein jugendliches Publikum für diesen Jahrhundertdichter zu begeistern.
Kennst du Bertolt Brecht – Bertuchs Weltliteratur für junge Leser, vorgestellt von Gudrun Schulz, Weimar 2013, 156 Seiten, 19,80 Euro.
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