16. Jahrgang | Nummer 18 | 2. September 2013

Der 25. August 1933

Wer unter Deutschlands Intellektuellen bis 1933 noch nicht geglaubt haben mag, es bei den Nazis mit Verbrechern an der deutschen Kultur zu tun zu haben, den hätten zwei ihrer Sofort-Aktionen nach der (demokratischen!) Machtübernahme vom 30. Januar 1933 eins Besseren belehren müssen: Die Bücherverbrennungen bereits zwei Monate nach Hitlers Machtantritt und der Beginn einer Ausbürgerungswelle jenes Teiles der geistig-kulturellen Elite, dessen man nicht habhaft werden konnte, um sie – wie Carl von Ossietzky etwa – im eigenen Heimatland zu paralysieren oder/und zu Tode zu bringen.
Die erste Ausbürgerungsliste ist am 25. August 1933 im Deutschen Reichsanzeiger veröffentlicht worden. Ihr folgten 358 weitere, die letzte gar erst am 7. April 1945. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Nazis 39.006 Personen ausgebürgert und zu Freiwild erklärt. Im „Deutschen Klub“ in London etwa wurden die Fotografien der 33 Ausgebürgerten vom 25. August 1933 aufgehängt und mit der Unterschrift „Wenn ihr einen trefft, schlagt ihn tot“ versehen. Das persönliche Vermögen  der Ausgebürgerten wurde konfisziert, so dass die Betroffenen größtenteils mittellos waren.
Es würde dieser Anmerkung freilich nicht bedürfen, um des nunmehr 100. Jahrestages der Verkündigung erster Ausbürgerungen zu gedenken, aber dass sich unter den folgenden 33 Persönlichkeiten neben Kurt Tucholsky gleich sechs Autoren (Lion Feuchtwanger, Hellmut von Gerlach, Emil Julius Gumbel, Berthold Jacob, Heinrich Mann und Ernst Toller) der nach dem Erscheinen ihrer letzten Ausgabe am 7. März 1933 verbotenen Weltbühne befanden, sagt viel über den Hass, den sich grade diese aufrechten Humanisten und Demokraten seitens des braunen Gesindels zugezogen hatten.

Alfred Apfel (1882–1941), Anwalt
Georg Bernhard (1875–1944), Journalist
Rudolf Breitscheid (1874–1944), SPD-Politiker
Eugen Eppstein (1878–1943), KPD-Politiker
Alfred Falk (1896–1951), Pazifist
Lion Feuchtwanger (1884–1958), Schriftsteller
Friedrich Wilhelm Foerster (1869–1966), Pazifist
Hellmut von Gerlach (1866–1935), Journalist, Pazifist, linksliberaler Politiker
Elfriede Gohlke (= Ruth Fischer, 1895–1961), kommunistische Politikerin
Kurt Grossmann (1897–1972), Journalist
Albert Grzesinski (1879–1947), SPD-Politiker, preußischer Innenminister
Emil Julius Gumbel (1891–1966), Pazifist, Mathematik-Professor
Wilhelm Hansmann (1886–1963), SPD-Politiker
Friedrich Heckert (1884–1936), KPD-Politiker
Max Hölz (1889–1933), Kommunist
Alfred Kerr (1867–1948), Theaterkritiker
Otto Lehmann-Rußbüldt (1873–1964), Pazifist
Heinrich Mann (1871–1950), Schriftsteller
Peter Maslowski (1893–1983), KPD-Politiker
Willi Münzenberg (1889–1940), kommunistischer Verleger
Heinz Neumann (1902–1937), KPD-Politiker
Wilhelm Pieck (1876–1960), KPD-Politiker
Berthold Jacob (1898–1944), Journalist, Pazifist
Philipp Scheidemann (1865–1939), SPD-Politiker
Leopold Schwarzschild (1891–1950), Journalist
Max Sievers (1887–1944), Freidenker
Friedrich Stampfer (1874–1957), Journalist
Ernst Toller (1893–1939), Schriftsteller
Kurt Tucholsky (1890–1935), Schriftsteller, Journalist, Pazifist
Bernhard Weiß (1880–1951), Berliner Vizepolizeipräsident
Robert Weismann (1869–1942), preußischer Staatssekretär
Otto Wels (1873–1939), SPD-Politiker
Johannes Werthauer (1866–1938), Jurist

Sämtliche Namen der 39.006 Ausgebürgerten können nachgelesen werden bei: Die Ausbürgerung deutscher Staatsangehöriger 1933 – 45 nach den im Reichsanzeiger veröffentlichten Listen. Herausgegeben von Michael Hepp, K.G. Saur Verlag, München 1985, 1.376 Seiten, 348,00 Euro.