von Manfred Orlick
Halle … Halle/Saale … Halle (Saale) … Halle an der Saale … Halle, die Stadt … selbst Hallenser wissen oft nicht, wie der richtige offizielle Name ihrer Stadt lautet. Ein Blick auf die Ortseingangsschilder, die Bahnsteigschilder am Hauptbahnhof oder diverse Briefköpfe verrät nur einen kleinen Teil dieses Wirrwarrs.
Und diese Konfusion wird noch verstärkt durch ständige Bestrebungen, Halle einen Beinamen zu geben. Die Liste der Vorschläge aus den letzten Jahren ist lang: Saalestadt … Salzstadt … Universitätsstadt … Wissenschaftsstadt … Auch „Kulturstadt“ war schon mehrfach im Gespräch, doch dann misslang die Bewerbung für die europäische Kulturhauptstadt 2010. Also musste man sich mit Kulturhauptstadt Sachsen-Anhalts begnügen. Und selbst dieser Titel steht nach den kürzlich angekündigten drastischen Kürzungen des Kulturetats auf der Kippe.
Jetzt also die Idee von der „Händelstadt Halle“. Gierig greifen die Medien diese scheinbare Erleuchtung auf, führen permanent Bürger-Umfragen durch und berechnen bereits die Kosten für die Stadtumbenennung.
Keine Frage: Georg Friedrich Händel war ein Musiker von Weltrang und Halles großer Sohn, schließlich wurde er hier am 23. Februar 1685 geboren und erhielt in Halle seine musikalische Ausbildung. Aber bereits als 18jähriger verließ er seine Geburtsstadt und nach den Zwischenstationen Hamburg und Italien wurde London seine wichtigste Lebens- und Schaffensstation, wo er auch – in Westminster Abbey – beigesetzt wurde. Bis auf wenige kurze Familienbesuche weilte Händel nicht mehr in Halle.
Plötzlich aber schreien Medien und andere Meinungsmacher nach der „Händelstadt“. Otto-Normal-Hallenser allerdings kennt von dem großen Komponisten vielleicht dessen Feuerwerksmusik. Schon auf die Frage nach Opern und Oratorien folgt meist nur ein unwissendes Achselzucken.
Was also treibt Kommunal- und Stadtpolitiker um, historische Städtenamen Umbenennungsorgien zu unterwerfen? Machte man sich im 20. Jahrhundert damit bei der politischen Wetterlage (München, Nürnberg, Chemnitz, Guben …) lieb Kind, so geschieht dies heute vor allem unter werblichen Aspekten. Dabei droht Halle nur ein Sündenfall unter vielen. Rosenstadt Sangerhausen … Bauhausstadt Dessau … Skatstadt Altenburg … Wartburgstadt Eisenach … Glockenstadt Apolda. Es muss etwas Einzigartiges, Unverwechselbares sein. Da reicht etwa Domstadt nicht mehr, denn davon gibt es ja bundesweit bereits ein gutes Dutzend oder mehr.
Bei genauem Hinsehen entpuppt sich das Ganze überdies als Ost-Phänomen. Oder hat man schon etwas von der Stadtmusikantenstadt Bremen oder der Daimlerstadt Stuttgart gehört? Nun leidet der Osten ja unverkennbar weiter unter Defiziten und Deformationen. Dass sich diesen allerdings mit „adelnden“ Beinamen beikommen ließe, darf bezweifelt werden.
Zurück nach Halle: Falls das Vorhaben „Händelstadt“ am Einspruch Londons scheitern sollte, könnte ein Taschenspielertrick doch noch zum Ziel führen: Umbenennung in „Hend’l-Stadt“ – mit der Begründung, hier sei auch der Gold-Broiler (das Brathähnchen der DDR) erfunden worden. Oder den Stadtoberen von Halle und ihren beauftragten Werbeagenturen fällt noch ganz etwas anderes ein: Franckestadt, Lucknerstadt, Zither-Reinhold-Stadt, Genscherstadt, Sodannstadt … oder – ganz aktuell –Hochwasserstadt.
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