von Frank-Rainer Schurich
Der jiddische Schriftsteller Scholem Alejchem (1859-1916), weltbekannt durch seinen „Tewje, der Milchmann“ (als Musical-Held der „Fiedler auf dem Dach“), hat vor langer Zeit das Problem auf den Punkt gebracht: „Zähne – man leidet, wenn man sie kriegt, wenn man sie hat und wenn man sie verliert.“ So ranken sich vielerlei Geschichten um das Kauwerkzeug, um neue, alte, künstliche und kriminelle Zähne.
Auf wundersame Weise hatte ein Niederländer sein Gebiss wiederbekommen: Ein Angler fand es im Magen eines Kabeljaus. Dem 60-jährigen Cor Stoop aus Heerhugowaard war am 3. September 1994 bei einer Angeltour auf der Nordsee schlecht geworden ‑ und versehentlich spuckte er auch seine Prothese über Bord. Er erfuhr aus einer Zeitung, dass ein Amsterdamer Angler im Magen eines Kabeljaus ein Gebiss gefunden hatte. Stoop eilte vor Ort, und als er vor Zeugen die dem Fisch unbeschädigt entnommenen Zähne einsetzte, passten sie tadellos…
Dass die Dritten sehr teuer sind, bekam 1998 der Schwede Ridha Bouhlal zu spüren. Das Sozialamt in Stockholm ordnete die sofortige Rückgabe der Gebisshälften an, nachdem Zeitungsberichte große Empörung in der Öffentlichkeit ausgelöst hatten. Ein Zahnarzt hatte sie ihm als Pfand für Zahlungsrückstände herausgeschraubt, weil er „keine Scherereien mit der Kasse“ wollte. Das Teil lag dann als Pfand bei der zuständigen Krankenkasse, die darauf wartete, bis der Streit mit Bouhlal über offenen Rechnungen beigelegt ist. Der Patient hatte sich lange vier Monate ohne Zähne im Unterkiefer überwiegend von Suppe ernähren müssen.
Gegen derlei Ungemach kann man sich wappnen. Ein Kursangebot mit dem Titel „Zahnersatz selbst gemacht!“ der Volkshochschule im oberbayerischen Erding hatte anno 2003 bundesweit für Aufregung gesorgt. Die Resonanz sei riesig, sie reiche von Interesse bis zu Klagedrohungen von Zahnärzten und Dentallabors, so die Schule. Ein „handwerklich durchschnittlich begabter Teilnehmer“ habe kein Problem, sich sein Gebiss selbst zu machen, hatte es im Angebot geheißen. Doch damit nicht genug. Der Kurs sollte exakt am 1. April 2003 starten.
Man will es gar nicht glauben, aber auch Tiere können sich mit künstlichen Zähnen schmücken. Der gestohlene Goldzahn des Esels Vadico beschäftigte 1996 die brasilianische Polizei. In einer Polizeiwache in Sao Paulo wurde der Esel den mutmaßlichen Dieben gegenübergestellt. Nach Angaben des Besitzers, eines Anwalts, hatten befreundete Goldsucher dem Esel den Zahn eingesetzt. Nun beschuldigte der Besitzer Angestellte der tierärztlichen Behörde der Stadt, den Zahn gestohlen zu haben, als sie das Tier untersuchten. Die Gegenüberstellung war laut Polizei erfolglos, da Vadico kein sichtbares Zeichen gab, dass er die Täter erkannte.
Nach dem großen amerikanischen Zyniker Ambrose Bierce (1842-1914?) ist der Zahnarzt ein „Zauberkünstler, der dir Metall in den Mund stopft und Geld aus der Tasche zieht“. Die guten, seriösen und fachlich versierten Dentisten kämpfen immer wieder um ihren guten Ruf, denn der Imageschaden durch Betrüger und schwarze Schafe kann immens sein, wie die folgenden beiden kuriosen, aber schmerzhaften Fälle zeigen.
Manchmal reicht das Geld eben nicht, und dann müssen halt „Zusatzleistungen“ angeboten werden. Der Bundesgerichtshof bestätigte 1998 die viereinhalbjährige Haftstrafe gegen eine Zahnärztin, die bei zahlreichen Patienten gesunde Zähne abgeschliffen und falsche Rechnungen gestellt hatte. In einem besonders krassen Fall verstümmelte die promovierte Dentistin einem 26-jährigen Landwirt zehn gesunde Zähne. Nach der achtstündigen Behandlung ließ sie sich eine Blankounterschrift geben, die sie als Einverständnis für eine Abrechnung auf privater Basis ausfüllte. Für die Überkronung stellte sie dem Mann dann in krimineller Absicht 35.000 Mark in Rechnung.
Noch schlimmer erging es Patienten bei einem „Dr. Frank“ in Wien, der sich einen Kindheitstraum erfüllte. Bohren, Zähne füllen und ziehen – das wollte er schon immer. Vom Bohren von Brettern und vom Ziehen krummer Nägel verstand er eine ganze Menge, denn der eigentliche Beruf von „Dr. Frank“ war Zimmermann. Der 28-jährige beschäftigungslose Wolfgang G. hatte im Frühjahr 2002 über 65 Patienten „behandelt“. Er war zuvor Gehilfe und Reinigungskraft bei verschiedenen Zahnärzten. So kam er auch zu den Schlüsseln zu einer Praxis. Bei einem Einbruch in das Wohnhaus eines Dentisten nahm er den Arztbefähigungsnachweis mit. Zusammen mit einer gefälschten Zulassungsbestätigung der Ärztekammer wurde er Urlaubsvertretung in einer Praxis in Attnang-Puchheim (Oberösterreich) und wegen diverser Patientenbeschwerden sogar zwecks Weiterbildung zur Uni-Klinik Wien geschickt. Der einschlägig vorbestrafte Mann hatte bei seinen Einbrüchen insgesamt 7.631 Euro erbeutet und für seine privaten Zahnarztleistungen horrende Honorare verlangt. Durch ihn erlitten 32 Personen teils schwere körperliche Verletzungen im Zahn-, Mund- und Kieferbereich. So lautete die Anklage vor dem Landgericht St. Pölten richtigerweise auf Kurpfuscherei, fahrlässige Körperverletzung und schweren gewerbsmäßigen Einbruchdiebstahl.
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