16. Jahrgang | Nummer 13 | 24. Juni 2013

Antworten

Edward Snowden, Whistleblower – Sie hatten – wie Bradley Manning, dem nun ein „lebenslänglich“ droht – die Zivilcourage, top-secrete kriminelle Machenschaften der USA transparent zu machen; hier das weltweite Abhören des Internetverkehrs durch den amerikanischen Abhörmoloch NSA (siehe Bemerkungen in dieser Ausgabe). Sie taten dies im vollen Wissen um das damit verbundene existenzielle persönliche Risiko – die einschlägigen Dienste und Behörden der USA werden Ihnen gnadenlos nachstellen. Davon zeugt auch das Schicksal des Wikileaks-Gründers Julian Assange.
„Den US-Behörden mag Edward Snowden als Verbrecher gelten. Aber auf Menschen wie ihm ruht die Hoffnung einer demokratischen Gesellschaft.“ Diesem Diktum unseres Kollegen Christian Bommarius von der Berliner Zeitung haben wir nichts hinzuzufügen. Ihnen wünschen wir bei Ihrer Suche nach einem Land, das Ihnen ein sicheres Asyl gewährt, raschen Erfolg. Um Deutschland machen Sie dabei aber besser einen Bogen, denn hiesige Regierungen schützen im Falle des Falles – siehe Murat Kurnaz – nicht einmal ihre eigenen Bürger gegen illegale Zugriffe seitens der USA.

Volker Beck, Geschäftsführer der Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen – In der aktuellen Debatte um die flächendeckende Internet-Ausspähung der Bundesrepublik durch die US-Abhörbehörde NSA (siehe Bemerkungen in dieser Ausgabe) wurden Sie in den Gazetten mit dem Satz zitiert: Eine „Totalüberwachung aller Bundesbürger durch NSA ist völlig unverhältnismäßig“. Wir hätten dazu nur eine kurze Verständigungsfrage: Gäbe es Ihrer Auffassung nach also auch eine verhältnismäßige Überwachung von Bundesbürgern durch die NSA?

Frank Schirrmacher, FAZ-Edelfeder – „Die NSA-Abhöraffäre markiert nicht die Verletzung der Grenzen zwischen ziviler und militärischer Welt; sie ist das Datum ihrer endgültigen Verschmelzung. Hier sind nicht zwei sonst sorgfältig voneinander geschiedene Institutionen gewissermaßen beim Seitensprung ertappt worden. Hier wurde eine Ehe fürs Leben geschlossen.“ Treffender  kann man es vermutlich nicht sagen.

Hans-Peter Friedrich (CSU), Bundesinnenministrant – Sie hätten, ließen Sie zum NSA-Abhörskandal verlauten, „keinen Grund, daran zu zweifeln, dass sich die USA an Recht und Gesetz“ hielten. Welches „Recht und Gesetz“ schwebte Ihnen denn dabei vor – deutsches, internationales gar oder lediglich amerikanisches? Doch halt: Wir ziehen die Frage zurück, denn Sie entstammen ja einem Umfeld, in dem an der Schwerkraft zu zweifeln im Falle des Falles lässlicher ist denn am Dogma von der unbefleckten Empfängnis und wo man es mit Johannes 20,28 hält: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“

Barack Obama, Terroristen- & Zivilistentöter – Sie haben eine schöne Bestätigung dafür geliefert, was zu DDR-Zeiten am Neuen Deutschland geschulten Lesern in Fleisch und Blut übergegangen war: Wenn Politiker öffentlich sprechen und nicht gerade heraus lügen („Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen.“), dann liegt die Wahrheit gleichwohl nicht unbedingt im Gesagten, doch sie lässt sich – zwischen den Zeilen – dennoch zumindest erahnen.
Während Ihres Berlin-Aufenthaltes in der vergangenen Woche erklärten Sie: „Ich kann bekräftigen, dass wir Deutschland nicht als Ausgangspunkt (Hervorhebung – die Redaktion) für unbemannte Drohnen verwenden, Drohnen, die dann auch Teil unserer Aktivitäten im Bereich der Terrorismusbekämpfung sind.“ Gut – in deutschen Landen starten also keine Killer-Drohnen. (Das hatte zwar auch niemand behauptet, aber eine zusätzliche Bekräftigung kann ja nicht schaden.)
Ausdrücklich nicht dementiert haben Sie hingegen, dass in „die gezielten Tötungen von Terrorverdächtigen (und kollateral von Zivilisten – die Redaktion) in Afrika durch Drohnen […] US-Standorte in Deutschland maßgeblich eingebunden (Hervorhebung – die Redaktion)“ sind. Das hatten das ARD-Magazin Panorama und die Süddeutsche Zeitung gemeldet. Unter Hinweis auf Africom, das Oberkommando des US-Militärs für Afrika mit Sitz in Stuttgart, und auf das Air Operations Center der US-Air Force Basis im rheinland-pfälzischen Ramstein.

Marco Feliciano, Pastor und Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses im brasilianischen Parlament – Das von Ihnen geleitete Gremium hat einem Gesetzentwurf zugestimmt, der Maßnahmen zur „Heilung“ von Homosexualität vorsieht; vermutlich, weil dies das Menschenrecht von Homosexuellen ist. Mehr Bock kann ein Gärtner wohl  nicht sein.

Werner Lang, Ehrenplatzinhaber im Automobil-Olymp – Sie haben ein maßgebliches Stück DDR-Identität geprägt, denn Sie waren Chefkonstrukteur der legendären Rennpappe, des Trabant. Für die beiden einzigen Großserien-Modelle, die seit 1958 gefertigt wurden – Trabant 500 und Trabant 601. Mancher arrogante Wessi mag da süffisant fragen, wieso ein Fahrzeug, das von 1964 bis 1991 (Modell 601) praktisch ohne äußere und, abgesehen von der Umstellung von 6-Volt- auf 12-Volt-Elektrik (1983), nahezu auch ohne innere Veränderungen vom Band rollte, eines Chefkonstrukteurs bedurfte, aber wir halten uns lieber an Meilensteine wie das platzeffiziente Karosseriedesign, das satte 415 Liter Kofferraumvolumen umschloss. Das kriegen die Blechstanzer aus Wolfsburg bis heute nicht hin: Ein Golf-Fahrer etwa wird mit einem 380-Liter-Frachtabteilzwerg abgespeist.
Auch ein weltweites automobiles Alleinstellungsmerkmal steckt am Revers Ihrer Verdienste: Der Trabant war der einzige je gebaute PKW, der als gebrauchter ohne Weiteres anderthalb Mal so teuer sein konnte wie als Neuwagen. Über drei Millionen Trabis wurden hergestellt, und über 33.000 der unverwüstlichen Duroplastpanzer existieren immer noch. Sie hätten doch niemals freiwillig für Ferrari arbeiten wollen – mit Stückzahlen im Bereich des kleinen Einmaleins!
Jetzt sind Sie, 91-jährig, verstorben. Natürlich in Zwickau. Ehre Ihrem Angedenken!

Franziskus, Gottes Stellvertreter auf Erden – Es macht uns immer mehr Mut, dass mit Ihnen ein bislang ungekanntes Maß an Vernunft – also ein nicht göttlicher, sondern gesunder Menschen-Verstand – in den Vatikan Einzug gehalten hat. Denn von welchem Ihrer Vorgänger hätte man auch nur einen Satz wie diesen erwarten können: Eine Kirche, die Fehler macht, ist noch immer besser als eine, die an ihrer Verschlossenheit kranke. Selbst wenn die bei einigen Geistlichen gefürchtete Glaubenskongregation Ermahnungen aussende, heiße es, die Ruhe bewahren: „Macht euch keine Sorgen. Stellt klar, dass ihr es erklären könnt und geht weiter … öffnet Türen.“ Dass Ihr Vorgänger, Joseph Aloisius Ratzinger, Präfekt dieser Einrichtung war, sei hier ebenso nur am Rande erwähnt.

Viktor Orban, Puszta-Exorzist – bei der Vervollkommnung Ungarns in eine noch lupenreinere Demokratie sind Sie nicht zu bremsen; vier Verfassungsänderungen binnen eineinhalb Jahren – Chapeau! Zu den neuesten Ihrer Gesetze gehört nun auch das Verbot, Bezeichnungen und Namen zu verwenden, die mit den „zwei autoritären Regimes des 20. Jahrhunderts in Verbindung stehen“, was die Kommunistische Partei veranlasst hat, sich in „Ungarische Arbeiterpartei“, umzubenennen, um nicht jetzt schon in die Illegalität gezwungen zu werden. Wir kondolieren dem ungarischen Volk zu seiner aktuellen Regierung.

Gianni Alemanno, abgelöster Dorfschulze am Tiber – die Kommunalwahlen haben Sie Ihres Amtes als Stadtoberhaupt des stolzen Rom verlustig gemacht, was Ihren Parteichef, Silvio Berlusconi, vermutlich nur mäßig amüsiert haben dürfte.Ob nun der siegreiche Kandidat des Mitte-Links-Lagers, Ignazio Marino, der italienischen Kapitale aus allen anstehenden Schlammasseln wird heraushelfen können, bleibt abzuwarten. Dass aber nun wenigstens kein ausgewiesener und bekennender Faschist wie Sie diese Stadt weiter repräsentieren und damit entweihen wird, lässt Hoffnung keimen. Silvio wird Ihnen gewiss etwas anderweitig Schönes besorgen.

Abd al-Aziz bin Abdullah Al asch-Schaich, Großmufti Saudi Arabiens, zugleich stellvertretender Justizministers sowie Präsident der Religionspolizei – auf Ihr Geheiß hin, auch Fatwa genannt, sind in Abu Arisch diverse Pferdeskulpturen demoliert und abgerissen worden, da Abbilder von Menschen und Tieren eine „große Sünde“ seien. Wir sind sehr froh, in Ihrem Saudi Arabien so gute Freunde zu wissen. Ein Staatsbesuch Ihrerseits dürfte sich im deutschen Sündenbabel  angesichts der unzähligen Abbilder von Mensch und Tier in der Öffentlichkeit ausschließen, was aber nichts ausmacht, da wir Riad als Kompensation beständig mit stählernen Skulpturen bedenken, die zwar Tiernamen wie Leopard tragen, aber doch nicht wirklich wie solche aussehen.

Lothar König, Jenaer Jugendpfarrer – Für Ihr Engagement gegen den Rechtsextremismus haben Sie soeben den „Thüringer Demokratiepreis“ des Erfurter Sozialministeriums erhalten, wofür wir ihnen ebenso gratulieren wie der Thüringer Landesbehörde. Deren Entscheidung steht immerhin im Gegensatz zur sächsischen Justiz, die derzeit versucht, Sie wegen „schweren aufwieglerischen Landfriedensbruchs“ zu verurteilen, da Sie im Februar 2011 bei einer Anti-Nazi-Demo in der sächsischen Landeshauptstadt zur Gewalt gegen die Polizei aufgehetzt hätten, wofür es dem Dresdener Amtsgericht allerdings an Beweisen gebricht.