von Frank-Rainer Schurich
Das Wort Bombe gehört zu den ganz zwielichtigen. Heute wird es erstens nach seiner wirklichen Etymologie im Sinne eines gewaltigen Sprengkörpers gebraucht, für den man erst einen Begriff brauchte, als er in Abhängigkeit vom technischen „Fortschritt“ erfunden und gebaut werden konnte.
Der Ursprung des Wortes liegt im Griechischen, wo „bómbos“ einfach „dumpfes Geräusch“ heißt, so dass man einen lautnachahmenden Ursprung annimmt. „Bombardement“ und „bombardieren“ gehen demgegenüber auf das französische „bombarde“ zurück, was ursprünglich nur die im Vergleich zu den heutigen Bomben harmlosen Trommelfeuer der Steinschleudermaschinen meinte.
Eine Luftaufnahme der zerstörten Stadt Köln nach dem Bombardement der Alliierten zeigt: Die gesamte Innenstadt – ein Trümmerfeld, nur der Kölner Dom ragte mit Brandspuren, aber sonst einigermaßen unversehrt aus dem Inferno, hervor. „Eine Wüste mit Leuchttürmen“ ist die Bildunterschrift. Der Dom hatte deshalb so einigermaßen die Bomben des Krieges überlebt, weil er den alliierten Piloten als Orientierung diente.
Auf einer anderen Luftaufnahme kann man deutlich den „Stadtplan“ der noch heilen Berliner Gegend zwischen Landwehrkanal, Spree und Ostbahnhof erkennen. Meine Wohngegend. Ein Pilot hatte die Aufnahme zum Ende des Krieges 1945 vom Flugzeug aus gemacht. Bomben fliegen gerade auf unser Wohngebiet zu und dürften in der Mitte der sogenannten Luisenstadt aufgeschlagen und explodiert sein, nordöstlich vom Engelbecken. Ich sehe von oben die Häuser, die dort standen, wo unser Wohnhaus jetzt steht.
Mit Blick auf diese Fotografien wird sinnfällig, dass der Krieg nicht nur eine „gottverdammt traurige Wissenschaft“ ist, sondern auch ein sinnloses und unmoralisches Geschehen, wie es Hemingway in seinem Roman „In einem anderen Land“ (amerikanischer Titel: „A Farewell to Arms“) ausdrückte. Jeder Krieg. Und Bomben braucht niemand.
Bombensicher bedeutet dagegen in unserer Umgangssprache etwas, was so fest und sicher ist, dass es durch keine Bombe zerstört werden kann. In dieser Kombination machte das Wort wohl Sprachkarriere, weil es bei aller Zerstörungskraft eben auch sehr leicht über die Lippen geht und letztlich etwas „Extraordinäres“ bezeichnet. Ganz auf dieser Linie liegen Eisbombe für eine kalte Kreation, Bombenerfolg für einen großartigen Erfolg, Bombengeschäft für ein Riesengeschäft mit großem Gewinn, der Bombenschuss eines Fußballers, Bombenform im Sinne von Hochform eines Sportlers, Bombenstimmung für besonders gute Stimmung auf einer Party, bombig umgangssprachlich für sehr gut, super, klasse, spitzenmäßig. Und die Arschbombe natürlich, die man sprachlich gefälliger aber vielleicht besser als Krampe bezeichnen sollte. Eben alles bombenmäßig in unserer Spaßgesellschaft.
Und wenn ein Geheimnis preisgegeben wurde, heißt das, dass jemand eine Bombe hat platzen lassen. Und auch Lehrer sind Opfer von Anschlägen, nämlich dann, wenn die Schüler sie mit unglaublich vielen Fragen bombardieren.
Diese eher verharmlosenden Worte und Ausdrucksweisen meinte Jack Kerouac, in den 60er Jahren die Kultfigur der beat generation, allerdings nicht, als er in seinem Roman On the road den Fluch der Zivilisation beschrieb. Arme Mexikaner hoffen bettelnd auf die weißen Reisenden aus den USA: „Alle hatten ihre Hände ausgestreckt. Sie waren von entfernten Bergen und höhergelegenen Ortschaften gekommen, um ihre Hände für etwas aufzuhalten, von dem sie dachten, dass die Zivilisation es ihnen bieten könne, und sie ahnten nicht, wie traurig, armselig und enttäuschend diese Zivilisation ist. Sie wussten nicht, dass eine Bombe gekommen war, die alle unsere Brücken und Straßen zersprengen und in ein Chaos verwandeln konnte, und dass wir eines Tages arm sein würden wie sie, und unsere Hände ausstrecken würden wie sie, ebenso wie sie.“
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