16. Jahrgang | Sonderausgabe | 11. Februar 2013

Für den stern in der DDR

von Kai Agthe

Dieter Bub war in den achtziger Jahren als Reporter der Zeitschrift stern in der DDR akkreditiert. In Halle an der Saale geboren, ging er nach dem Abitur 1956 in den Westen, weil er, wie er betont, die Ideologie des Ulbricht-Staates schon als Jugendlicher durchschaute. Als Journalist kam er 1979 wieder in das vermauerte Land und wurde Zeuge, wie der von einer weltfremden Gerontokratie geführte Staat zwischen Werra und Oder zusehends in Agonie fiel. Recherche- und Reise-Wünsche zwischen Arkona und Zwickau musste sich Bub bei seinem persönlichen Betreuer beim Außenministerium genehmigen lassen. Nicht selten wurden diese ohne Angabe von Gründen abgelehnt. Wenn Bub etwa den unter Hausarrest stehenden berühmtesten DDR-Dissidenten Robert Havemann in Grünheide bei Berlin besuchen wollte, dann unternahm er das gleich ohne eine Erlaubnis eingeholt zu haben.
In „Das Honecker-Attentat und andere Storys“ erinnert sich Bub an seine ereignisreichen vier Jahre in der DDR, in der er vom ersten bis zum letzten Tag seines Aufenthalts durch das Ministerium für Staatssicherheit observiert und am Ende des Landes verwiesen wurde. (Die Verwanzung seiner Wohnung in Ost-Berlin, von der er wusste, gehörte selbstredend dazu.) Unter Beobachtung stand Bub wegen seiner kritischen Artikel für die Hamburger Illustrierte im Allgemeinen und der Berichterstattung über die spontane Tat eines angetrunkenen Ofensetzers im Speziellen. Der Waffennarr hatte am Silvestertag des Jahres 1982 den Konvoi Honeckers attackiert, einen Leibwächter des Staatschefs verletzt und sich selbst erschossen.
Zu allem Überfluss pflegte der Hamburger Journalist auch eine Beziehung zu einer verheirateten Frau. Sie nahm er mit, als er Anfang 1983 ausgewiesen wurde. Das gelang nur dank des Einsatzes des Ost-Berliner Rechtsanwalts Wolfgang Vogel, der für komplizierte Ausreise-Fälle von DDR-Bürgern zuständig war, einen direkten Draht zu Honecker hatte und, wie dieser, auch die Privilegien der Nomenklatura genoss: Anwalt Vogel hatte, wie Bub aus eigenem Erleben berichten kann, nicht nur politischen Einfluss auf kürzestem Dienstweg, sondern stets edlen Westzwirn auf dem Leib und einen goldfarbenen Mercedes in der Garage.
Dieter Bub, der im Vorjahr im Mitteldeutschen Verlag auch eine Gauck-Biografie vorlegte, hat viel erlebt in der größten DDR der Welt, die, einer Wendung Volker Brauns folgend, für ihre Bewohner das langweiligste Land der Welt gewesen ist. Zu den Ungeheuerlichkeiten gehörte ein Mitarbeiter aus der DDR-Atomforschung, der vorgab, über eine wichtige Formel zu verfügen und mit Bubs Hilfe in den Westen fliehen zu wollen. Wie sich durch Recherche des CIA, den der skeptische Reporter in West-Berlin kontaktierte, ergab, war das eine vom MfS gestellte Falle, der Bub knapp entging. Denn hätte er versucht, den Stasi-Spitzel, wie von diesem gewünscht, im Kofferraum seines Pkw außer Landes zu bringen, hätte man ihn wegen Menschenhandels verurteilen können. Und noch nach seiner Ausweisung aus der DDR 1983 – in Folge seiner Berichterstattung über das Honecker-Attentat – löste die Staatssicherheit in West-Berlin die Schrauben an einem Rad von Bubs Wagen, mit dem er auf dem Weg nach Hamburg auf der DDR-Autobahn verunglückte, ohne jedoch größeren Schaden zu nehmen.
Was wie ein Drehbuch für einen James-Bond-Film klingt, sind die spannend zu lesenden deutsch-deutschen Erinnerungen eines in der DDR akkreditierten BRD-Journalisten, der sich im Honecker-Staat weder das Wort noch die Liebe verbieten lassen wollte.

Dieter Bub: Das Honecker-Attentat und andere Storys. Als stern-Reporter in der DDR, Mitteldeutscher Verlag, Halle 2012, 327 Seiten, 14,95 Euro