16. Jahrgang | Nummer 1 | 7. Januar 2013

Ohne Lattenrost

von Frank-Rainer Schurich

Das Bett ist eine Location (neudeutsch), die wir, je nach Befindlichkeit, lieben oder meiden. „Mein Vater arbeitete hart und sagte immer: Im Bett sterben die Menschen, also steh auf, tu was!“ berichtete der britische Starkoch Jamie Oliver aus einer Zeit, in der er noch erzogen wurde.
Früher konnte man die Betten mitnehmen, wenn man aufgestanden war. „Nimm dein Bett und gehe heim“ ist ein geflügeltes Wort, das auf den Evangelisten Johannes zurückzuführen ist. Das Bett der Antike wurde „Kline“ genannt, weshalb wir heute noch „Klinik“ sagen, wenn wir in ein Krankenhaus fahren. Dieses Bett hatte vier kurze Beine und einen Rahmen, in den Gurte gespannt waren. Diese Liegestatt konnte wegen ihrer Leichtigkeit natürlich leicht weggetragen werden, und so konnte man nicht nur mit der Zudecke, sondern mit dem ganzen Bett auf Nimmerwiedersehen verschwinden.
Heute ist es Brauch – um den Gastgebern nicht allzu sehr zur Last zu fallen –, die Federbetten mitzubringen. Das hat jedoch eine alte Tradition. 1726/1727 setzte der berühmte Orgelbauer Gottfried Silbermann (1683-1753) in der St. Petrikirche zu Rochlitz ein neues Orgelwerk auf. Bevor er seine Reise angetreten hatte, schrieb er ins dortige Quartier: „Wegen derer Federbetten dürffen Sie sich keine Sorgen machen, da ich für mich und die Meiningen selbst Betten mitbringen werde …“
Obwohl fast alle Menschen in Betten sterben, ist das Bett zum Kultur- und Kultobjekt avanciert. Amerikanische Boxspringbetten – ohne Lattenrost – sind schon einmal im oberen Preissegment für 75.000 Euro zu haben – dafür sollen aber in diesen Schlafstätten die Träume ganz außerordentlich und erotisch sein. Boxspringbetten liegen im Trend, nicht nur, weil sie eine Liegehöhe von 60 Zentimetern erreichen können, womit sich das Aufstehen im Alter wesentlich erleichtert. Wegen der Weichheit des Komforts. Allerdings ist völlig vergessen, dass diese Art Betten 1912 auf der Titanic stand und mit ihr untergegangen ist.
Zu den besten Jobs aller Zeiten gehört der Bettentester im Königreich Großbritannien. Ein Produzent von Luxusbetten bezahlte kürzlich Blogger dafür, in diesen Betten zu schlafen und davon in ihren Blogs zu berichten. Man kann sich vorstellen, über welche überragenden Testergebnisse informiert wurde. Eine bezahlte Meinung – da ist es gar nicht weit zum Gefälligkeitsgutachter.
Ein Bettenerlebnis der besonderen Art hatte ich im Sommer 1972. Ich wohnte damals in der Saarbrücker Straße 14 im Altbau in einem Studentenzimmer. Ziemlich weit oben, mit Blick zum Fernsehturm in Richtung Alexanderplatz. Der Luxus erschöpfte sich darin, dass sich die Toilette, der Wasserhahn und das eiserne Ausgussbecken außerhalb des Zimmers eine halbe Treppe höher befanden.
Im Sommer reiste die Großmutter meiner Frau aus dem mecklenburgischen Gadebusch an, da sie mit dem Freundschaftszug von Berlin aus in Richtung Sowjetunion starten wollte. Ich holte sie von der Bahn ab, und sie kampierte bei mir eine Nacht im Prenzlauer Berg, hart an der Grenze zu Mitte. Sie auf der Liege, und ich auf einer Luftmatratze auf dem Fußboden.
Den Blick aus dem Fenster fand auch Oma Gerda schön, nicht nur wegen des Fernsehturms. Rechts an der Ecke lag, schon an der Schönhauser Allee, die Villa der tschechischen Botschaft, gegenüber etwas zurückgesetzt ein altes Fabrikgebäude, aus Backsteinen errichtet.
Vorn an der Schönhauser Allee war ein berühmter Laden, den man aber von meinen beiden Fenstern aus nicht sah. Das VEB Möbelkombinat Zeulenroda hatte dort seiner Berliner Filiale, und das alte Fabrikgebäude war sein Möbellagerhaus; den ganzen Tag fuhren dort Möbelautos hinein und wieder heraus.
„Da drüben arbeite ich nachts auch ab und zu“, sagte ich zum Scherz zu Oma Gerda. „Als Einschläfer. Als Bettentester.“ Sie schüttelte den Kopf. „Junge, was du alles machst!“ Und dann kicherte sie wie eine Spieldose.