von Heerke Hummel
Nun hat es begonnen, das Wahljahr 2013. Zwar sind noch knapp neun Monate Zeit, doch Kanzlerkandidat Peer Steinbrück legte, anstelle eines Aktionsprogramms, schon mal seine Gehaltsvorstellungen im angestrebten Amt offen. Jedenfalls teilte er mit, womit er nicht zufrieden wäre. Dabei war und ist doch noch immer allgemeines Sparen beim Staat und bei seinen Bediensteten angesagt. Die Zeiten scheinen, wenigstens in Deutschland, vorbei zu sein. Auch erinnert der Vorgang an die Zeit der Wende vor 23 Jahren. Da genehmigten sich die endlich frei und „demokratisch“ gewählten Abgeordneten der Volkskammer der DDR als Erstes einmal höhere Diäten. War das etwas ganz anderes als die seinerzeit zu Recht so viel beschimpfte Selbstbedienung und Selbstherrlichkeit à la SED-Politbüro?
Steinbrück erzeugte mit seiner Äußerung das Kanzlergehalt betreffend zunächst einen allgemeinen Aufschrei, auch in den eigenen Reihen. Der Dienst für Volk und Vaterland sei nicht zu vergleichen mit und nicht zu vergüten wie der „Dienst“ am Kapital. Letzterer sei ja schließlich Privatsache, unterliege privaten Entscheidungen, so Steinbrücks Kritiker. Und vor allem sei er dieser Logik zufolge wertbildend, also echte, am Markt und an dessen Ergebnissen gemessene Leistungsgratifikation. Die Vorstellung, dass volkswirtschaftliches Handeln längst den Bannkreis des Privaten überschritten hat und der Sache nach zu einer öffentlichen Angelegenheit geworden ist, liegt also immer noch außerhalb des allgemeinen Denk- und Vorstellungsvermögens.
Doch Steinbück, der schon im Vorfeld seiner Erhebung zum offiziellen Kanzlerkandidaten der SPD mit seiner Einforderung von „Beinfreiheit“ auf Unmut im niederen Parteivolk gestoßen war, aber seine Kritiker mit kämpferischen Worten gegen die Finanzaristokratie zu besänftigen wusste, war nun einmal gekürt. War es Dummheit oder Frechheit, die Wähler innerhalb und außerhalb der SPD erneut so zu brüskieren? Gleichwohl, die Seilschaften in der Partei konnten nun gar nicht anders, als ihm mit der Behauptung Rückendeckung zu geben, ein Kanzler(innen)gehalt von derzeit rund 16.000 Euro pro Monat entspräche nicht der hohen, in diesem Amt getragenen Verantwortung für das Wohl der ganzen Nation; und natürlich auch nicht der physischen und nervlichen Belastung bei einem Arbeitstag weit über dem Normalen. Und tatsächlich entspricht es ja in keiner Weise den in der Wirtschaft und im Finanzsektor gezahlten Spitzenverdiensten. Doch was bedeutet dies?
Altbundeskanzler Helmut Schmidt ist da seinen Parteifreunden im Denken weit voraus. Bereits im Jahre 2008 zog er wegen der „ansteckenden Habgier“ „eine obere Begrenzung der Bezüge für Spitzenmanager“ in Betracht, gemessen an den Bezügen eines Bundeskanzlers. Steinbrück scheint ihm bei den gemeinsamen Gesprächen am Schachbrett nicht gut zugehört zu haben. Sollte man denn mit einem Gehalt um die 15.000 Euro pro Monat nicht komfortabel zurechtkommen – auch als Manager? Der neue Kandidat für die größte Machtbefugnis in diesem Lande möchte sein eigenes Gehalt erhöht wissen. Er sollte besser mit der Macht, die ihm möglicherweise zu Teil wird, anstreben, die Gehaltsrelationen zwischen Staat und Wirtschaft mit den objektiven Erfordernissen einer materiellen Stimulierung dadurch in Einklang zu bringen, dass auf Kosten der Selbstbediener in den Vorständen und Aufsichtsräten gespart wird.
Dies wäre keine Frage der Gerechtigkeit, wie oft argumentiert wird, sondern der ökonomischen Notwendigkeit. Denn Gehälter oberhalb der vom Altbundeskanzler in Erwägung gezogenen Marge können wohl auch für einen luxuriösen Lebensunterhalt nicht Monat für Monat auf Dauer ausgegeben werden. Man stelle sich nur einmal vor, statt des Geldes würden immer wieder entsprechende Sachwerte, die es letztendlich vertritt, ausschließlich für den persönlichen Verbrauch zur Verfügung gestellt. In solchem Falle sollte der Nimmersatt sich ruhig bedienen können und in seinem Kram ersticken. Steinbrück aber möchte sicherlich gar nicht noch mehr konsumieren. Er will den Bedürftigen gegen Zins und Zinseszins leihen – nicht um seine Bedürfnisse immer umfassender befriedigen zu können, sondern um seine Sucht, seine krankhafte Gier nach Geld zu stillen.
Schon als Finanzminister der großen Koalition legte der jetzige Hoffnungsträger der SPD nach der Lehman-Pleite die „Finanzindustrie“ nicht an die Kandare. Vielmehr schützte er sie als deren Lakai vor dem Zusammenbruch und vor dem allgemeinen Volkszorn, indem er für ihre Rettung Steuergelder in nie gekannter Höhe einsetzte. An der Seite seiner Kanzlerin verteilte er Beruhigungspillen mit dem „Versprechen“, das Geld der Sparer sei sicher. Wortgewaltig verkauft wurde das Ganze über die Medienindustrie als gelungenes Management der Krise. In Wirklichkeit war es die Gegenleistung (oder war es eine Vorleistung?) für fürstliche Vortragshonorare. Nun will der Bock endgültig zum Gärtner erkoren werden.
Ob diese Rechnung aufgeht? Titelverteidigerin Merkel jedenfalls erstrahlt durch Steinbrücks maßlosen, schnöden Materialismus (in des Wortes vulgärer Bedeutung) im Lichte eines selbstlosen Idealismus. Wie eine gute Landesmutter, die sich selbst zurückhält und nur für das Wohl ihrer Kinder sorgt, steht sie da. Und im Hintergrund reiben sich ihre Lieblingskinder die Hände. Vor allem die aus dem Finanzwesen! Ihnen kann der diesjährige große Wahlausgang, die Entscheidung der Vielen, gleichgültig sein. Denen wird in Zukunft so oder so dasselbe Schicksal blühen – gehupft wie gesprungen! Auch Frau Merkel wird die Privilegien der Reichen, ihre Rechte im Umgang mit Geld und Gut, nicht antasten.
Dereinst hieß es im Parteijargon des späteren „Beitrittsgebiets“ Deutschlands: „Spare mit jedem Pfennig, jedem Gramm Material und jeder Minute!“ Und der Volksmund setzte hinzu: „Koste es was es wolle!“ Nun gilt das wieder – sogar im ganzen Deutschland und europaweit. Und mit noch schlimmeren Folgen kann das (im gemeinten Sinne) heute nur in ein noch schlimmeres Desaster führen. Denn nicht im Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen soll nun gespart werden. Im Gegenteil! Wirtschaftswachstum um jeden Preis gilt als oberstes Ziel allen Denkens und Handelns derer, die derzeit für das Wirtschaften in Deutschland und Europa die Weichen stellen. Sparen soll die große Masse der Verbraucher all des erzeugten Reichtums. An diesem tatsächlich „systemrelevanten“ Widerspruch wird, ja muss der Irrsinn der hinter Merkel und Steinbrück stehenden Finanzmafia – hoffentlich früher als später – ein Ende nehmen.
Unbeantwortet im Raum steht noch die Frage, wer denn über Bezüge von Politikern zu entscheiden hätte. Wer stünde über den Politikern? Möglicherweise unser Grundgesetz! Dieses scheint in hohem Maße reformbedürftig zu sein, unter anderem dahingehend, dass es die Volkswirtschaft und volkswirtschaftlich relevantes Handeln zu einer öffentlichen Angelegenheit erklärt und ihm einen grundgesetzlichen Rahmen gibt. Die Zeit dafür, das zeigt sich von Jahr zu Jahr deutlicher, ist überreif.
Schlagwörter: Geldgier, Heerke Hummel, Kanzlergehalt, Managerbezüge, Peer Steinbrück, Privilegien