15. Jahrgang | Nummer 25 | 10. Dezember 2012

Wagners „Rheingold“ konzertant

von Liesel Markowski

Bedeutendes Gedenken steht im kommenden Jahr bevor: Richard Wagners 200. Geburtstag am 22. Mai 2013 wird nicht nur auf den Musiktheaterbühnen unseres Landes Aufmerksamkeit finden, vielmehr könnte ein internationaler kultureller Impuls davon ausgehen. Nicht nur aus Bayreuth, auch von anderen Bemühungen um das Werk des herausragenden Musikdramatikers neben Giuseppe Verdi, dessen „Zweihundertster“ sich ebenfalls ankündigt.
Nun ist Wagners Jubiläum ganz sicher vornehmliche Herausforderung für Ensembles hier und heute. Und da gibt es auch Ungewöhnliches. So haben das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und dessen Chefdirigent Marek Janowski einen umfassenden Wagner-Zyklus angesagt und begonnen. Zehn der wichtigsten Bühnenwerke des Komponisten – einschließlich der Ring-Tetralogie – werden im Jubiläumsjahr als qualifizierte Mitschnitte per CD zugänglich sein. Oper auf dem Konzertpodium, höchst ungewöhnlich, zumal so gewichtige Arbeiten wie die eines Richard Wagner. Künstlerisch mutig ist es, derart zumeist monumentale Musikdramatik ohne theatralische Konkretisierung anzubieten. Zumal Wagner nicht nur die Klänge, sondern auch die Texte (gesamte Libretti) und dazu die Bühnenanweisungen formuliert hat.
Also: Wagner reduziert, vermindert in seiner Ausstrahlung? Ganz und gar nicht. Das Erlebnis des „Rheingold“, erster Abend der Tetralogie, brachte wie bereits frühere Aufführungen („Tristan“) eine erstaunliche Tiefe und Transparenz der Wagnerschen Klangwelt. Da wurde manches zugänglich, was im häufig extremen Bühnengeschehen für den Hörer verlorengeht. Gleichsam einen Neuentdeckung Wagnerscher Orchesterkunst, die man sonst neben dem Theater nicht so unmittelbar wahrnimmt.
Ein ganz anderer Wagner wurde einem bewusst durch diese präzise Interpretation mit plastischer Klangfarbengestik. Allein die ungewöhnliche instrumentale Besetzung mit großartigem Blech, die in dieser Zeit (Mitte des 19. Jahrhunderts) kaum vorkommt: Basstrompete, Kontrabasstuba, Kontrabassposaune und die besonderen Wagner-Tuben neben Holzbläsern, sechs Harfen und großem Streicherpart. Ein Riesenapparat (nur 50 Jahre nach Beethovens Neunter) in subtiler, auch aufgipfelnder Wiedergabe. Und wenn – als Bühnenmusik – 16 Ambosse mit beträchtlichem Lärm (Arbeit der Nibelungen untertage) die Klangpalette geräuschhaft ausweiten, scheint unsere Gegenwart präsent.
Das Ganze in vier Abschnitten – durch orchestrale Zwischenspiele geteilt – ist eine durchkomponierte Folge von Dialogen und Gesängen in zum Teil außerordentlicher Kraftpose. Hier am „Vorabend“ des gesamten Bühnenfestspiels sind dessen Personen präsent. Tragische Figuren, deren späteres Schicksal, ihre Widersprüchlichkeit, ihr Scheitern, spürbar wird. Es geht um Gold und Macht, die Menschlichkeit und Liebe verdrängen. Wie aktuell! Von den hellen und fröhlichen Stimmen der Rheintöchter über den Sopran der Freia (Ricarda Merbeth), den Mezzo der Fricka (Iris Vermillion), den Alt der Erda (Maria Radner) sind besonders die vorzüglichen Stimmen des Wotan (Tomasz Konieczny), Alberich (Jochen Schmeckenbecher) und Loge (Christian Elsner) zu nennen. Insgesamt ein beachtliches Gesangsniveau. Vorzüglich das Musizieren des Orchesters und das konzentrierte Dirigat von Marek Janowski, der die pausenlose Aufführung – zweieinhalb Stunden – bewundernswert durchstand. Eine intensive Höraufgabe auch für das Publikum in der vollbesetzten Berliner Philharmonie.