von Gabriele Muthesius
Im Hauptberuf ist Nils Busch-Petersen Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg – ein höchst fordernder Job, der auf landläufige Arbeitszeiten wenig Rücksicht nimmt. Trotzdem ist er „nebenberuflich“ auch noch Festival-Direktor, denn das Herz des privaten Nils Busch-Petersen schlägt seit langem für Synagogalmusik. Er gehörte daher 2007 zu den Gründern des Vereins der „Freunde und Förderer des Synagogal Ensemble Berlin“ und arbeitet seither im Vorstand dieses Kreises mit. In der Synagoge in der Berliner Pestalozzistraße präsentiert dieses Ensemble an jedem Freitagabend und Schabbatmorgen sowie an allen jüdischen Feiertagen die Kompositionen des wirkungsmächtigen Erneuerers der synagogale Musik im späten 19. Jahrhundert, des Komponisten und Reformators Louis Lewandowski*, in dem für ihn typischen „Dreiklang“ aus Kantor, Chor und Orgel.
Durch das Wirken Lewandowskis war die Orgel überhaupt erst zum festen Bestandteil der liberalen jüdischen Liturgie geworden. 1938 verfügte fast jede der zwölf größten Berliner Synagogen mit jeweils mehr als 1.000 Plätzen über eine solche Königin der Instrumente. Die Nazi-Barbarei setzte auch dem ein Ende. Viele Synagogen wurden unwiederbringlich vernichtet, Orgeln in jüdischen Gotteshäusern sind heute Raritäten, und das Bild Lewandowskis verblasste im kulturellen Bewusstsein der Öffentlichkeit. Diese Entwicklung schien irreversibel. Schien …
Denn im Dezember vergangenen Jahres hat das erste Louis-Lewandowski-Festival in Berlin stattgefunden. Das hatte Busch-Petersen mit einer Handvoll Gleichgesinnter aus der Taufe gehoben – gegen das Vergessen und zur kulturellen Bereicherung der Stadt. Ein Kraftakt, aber Busch-Petersens exzellente Vernetzung in Berlin war dabei recht hilfreich. Etwa in der Frage einer zugkräftigen Schirmherrschaft, die für ordentlich Rückenwind bei der Lösung all jener Probleme sorgt, die so ein Festival nun einmal mit sich bringt. In diesem Fall fragte Busch-Petersen den „Kultursenator“, mit dem er gut kann, wen der für geeignet hielt. Den Regierenden Bürgermeister, lautete die Antwort, und der seinerseits musste nicht lange überzeugt werden …
Das erste Festival führte dann acht Synagogal-Chöre von vier Kontinenten nach Berlin. Die ganz praktischen Fragen im Vorfeld waren ebenso zahlreich wie handfest und zum Teil schwierig. Über mehrere Tage koscheres Essen für über 300 Gäste zu sichern, das mag in Paris, London oder gar New York kein Problem sein. In Berlin schon. Auch die Chöre hatten ihre Eigenheiten – manche wollten nicht in Kirchen singen, andere kurioserweise nur dort; die dritten wollten keinen Fuß in liberale Synagogen setzen. Busch-Petersen und seine Helfer fanden Lösungen auch für diese Fragen. Und als sich noch vor den Konzerten alle Chöre zu einem Shoa-Gedenken am Rondell mit den Namen der großen Konzentrations- und Vernichtungslager der Nazis auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee versammelten und dort sowie am nahegelegenen Ehrengrab von Louis Lewandowski gemeinsam Gesänge anstimmten, da war der frisch gebackene Festival-Direktor vom Erfolg des Vorhabens endgültig überzeugt.
Die anschließenden Konzerte der Chöre bestätigten dies bis hin zum abschließenden gemeinsamen fulminanten Auftritt in der Synagoge in der Rykestraße. A. J. Goldman hielt für The Yewish Daily FORWARD fest: „Als alle Chöre in das eröffnende Ma Tovu und in das abschließende Adon Olam einstimmten, vibrierte die Synagoge von hunderten von Stimmen.“ Und Nils Busch-Petersens Fazit lautete: „Louis Lewanowski war durch die antisemitische Barbarei der Nazis fast in Vergessenheit geraten. Aber seine grandiose Musik ergreift die Menschen auch heute.“
Wer sich davon überwältigen lassen möchte, der hat in diesem Jahr am letzten Adventswochenende erneut die Chance dazu.**
* Über Vita und Wirken Louis Lewandowskis hatte ich ausführlich im Blättchen 8/2011 berichtet.
** Vom 21.-23. Dezember gastieren beim zweiten Louis-Lewandowski-Festival sieben Chöre von drei Kontinenten – aus Johannesburg ebenso wie aus Jerusalem, Strasbourg, Warschau, Paris und natürlich Berlin. Der Eröffnung in der Synagoge in der Charlottenburger Pestalozzistraße, die durch das Synagogal Ensemble Berlin unter Leitung von Regina Yantian gemeinsam mit Kantor Isaac Sheffer gestaltet wird, folgen Doppel-Konzerte mit jeweils zwei Chören im stilwerk (Kantstraße), in der Evangelischen Hoffnungskirche Pankow sowie in den Gärten der Welt in Marzahn und das große Abschlusskonzert in der Synagoge Rykestraße. Weitere Einzelheiten zu den Konzerten sowie zum Kartenvorverkauf im Internet unter www.louis-lewandowski-festival.de. Tickets kosten zwischen 10 und 25 Euro. Der Eintritt zur Eröffnungsveranstaltung ist frei.
Schlagwörter: Chorkonzert, Gabriele Muthesius, Louis Lewandowski, Nils Busch-Petersen, Synagogalmusik