15. Jahrgang | Nummer 19 | 17. September 2012

Antworten

Wilfried Scharnagl, Über-Bayer und Buchautor – Horst Seehofer verkörpere Bayern in einem wesentlichen Kern, meinten Sie jüngst in der ZEIT. Wir haben den Freistaat bislang immer für liebenswert und solide gehalten. Meinen Sie wirklich, was Sie sagten?

Saskia Ludwig, christdemokratische Peinlichkeit aus Brandenburg – Wortlos, heißt es, sollen Sie den Saal verlassen haben, nachdem Ihre Fraktion Ihnen klarmachte, dass Sie als deren Vorsitzende nicht mehr tragbar seien. Einmal davon abgesehen, dass Sie in der Vergangenheit besser gelegentlich wortlos gewesen wären, so recht trauen wir dem neuen brandenburgischen CDU-Frieden nicht. Rechtsaußenableger werden in schwierigen Zeiten immer wieder gern aus der Versenkung geholt, um gegen „Kommunisten, Sozialisten und Extremisten“, wie Sie gern Ihr persönliches Feindbild zusammenfassen, im wortwörtlichen Sinne des Wortes in Stellung gebracht zu werden. Sind Sie nicht Reserveoffizierin der Marine? Wird nicht das neue Potsdamer Landtagsschloss verdammt nahe am Wasser gebaut?

Gerhard Schröder, Ex-Bundeskanzler und Selbstlober – „Es wird Sie nicht wundern, wenn ich im Wesentlichen eine positive Bilanz ziehe“, feierten Sie sich und ihr unsoziales Kahlschlagprogramm („Agenda 2010“) dieser Tage selbst ab. Wir wundern uns über diesen Grad an Wirklichkeitsverweigerung nicht mehr. Ihre Ernte sei gut in der Scheuer, sagt man wohl in Ihrer niedersächsischen Heimat in solchem Falle. Die persönliche Ernte natürlich.

Cornelia Yzer, ministrable Freundin der Pharmaforschung – Für gewöhnlich gehen verdiente Politiker nach in langjährigem Dienste am Volke erworbenen Meriten um das Wohl ihnen nahestehender Lobbygruppen den Weg in den höheren Verdienst. Sie machen es umgekehrt: Nach geduldig ertragenen Lehrjahren in Politik und Verwaltung dienten Sie der deutschen Pharmaindustrie als Hauptgeschäftsführerin des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller (vfa). Voller Überzeugung, wie Sie erklärten, träten Sie Ihr neues Amt als Wirtschaftssenatorin in Berlin an. Vor allem sähen sie „großes Potenzial im Bereich der Zukunftstechnologien oder der Gesundheitswirtschaft“. Überraschung für uns alle! Die Bosse von Bayer HealthCare wird’s freuen. Und ein Unternehmen mit 17,1 Milliarden Euro Jahresumsatz im Rücken bietet ja allemal eine solide politische Rückendeckung für den Notfall. Respekt!

Bettina Wulff, ehemalige First-Lady – Ihnen und Ihrem medialen Nachtröpfeln per Memoiren können wir eine der kürzesten Antworten widmen, die uns gegeben sind: Sie können uns mal … Und alle, die aus Ihnen neuerlich Kapital schlagen, ebenfalls.

Jens Boysen-Hogrefe, Finanzexperte des Kieler Instituts für Weltwirtschaft – Ende dieses Jahres werde Deutschland 2,2 Billionen Euro Staatsschulden aufgetürmt haben, haben Sie im Düsseldorfer Handelsblatt prophezeit. Und sie haben auch hinzugefügt, dass dies das Erreichen einer Schuldenquote von 83 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bedeute. Und dankenswerter Weise haben Sie auch noch ergänzt, dass laut Maastricht-Vertrag EU-weit eigentlich nur Schuldenquoten von bis zu 60 Prozent zulässig sind. Aber sicher verdankt das der finanzpolitische Musterschüler Deutschland wieder mal der Unfähigkeit seiner europäischen Umgebung.

David Riley, Rating-Experte von Fitch – „Die Fragmentierung wird immer schlimmer“, so werden Sie von der Financial Times mit Blick auf die Euro-Krise zitiert. Wenn sich dieser Trend verstärkte, bekämen wir es mit einer fundamentalen Neuordnung der Euro-Zone zu tun, was das Grundprinzip des Euro untergrabe. Nun haben wir wenig Anlass, Rating-Agenturen positiv zu zitieren, doch Ihre Einlassung ist es uns wert; weisen Sie mit besagter „Fragmentierung“ doch auch darauf hin, dass die deutschen Firmen aus der Krise einen erheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren südeuropäischen Konkurrenten ziehen und die Kluft zwischen starken und schwachen Volkswirtschaften auf diese Weise noch weiter wächst. Was in Anbetracht deutschen Gejammers über seine Rolle als uneigennütziger Nikolaus mit dem Sack voller „deutscher“ Milliarden einmal mehr des Erinnerns wert sein sollte.

Daimler, deutscher Ur-Stolz – Mit dem Hinweis auf erwiesene menschenrechtfeindliche und umweltvernichtende Umstände (auch) Ihrer Zulieferer haben Ihre Schriftkundigen mitgeteilt, dass man stelle weltweit hohe Anforderungen an Lieferanten stelle, was Produktionsbedingungen, Sozial- und Umweltstandards sowie ethische Grundsätze angehe. Einen Herkunftsnachweis über die gesamte Wertschöpfungskette zu führen, sei aber „weder organisatorisch leistbar noch wirtschaftlich vertretbar“. Das ist eine Antwort, die der Agitationsabteilung der SED-Zentrale alle Ehre gemacht hätte – auch wenn es dann um andere Gegenstände gegangen wäre. BMW, das auf die gemeinsame Studie von Misereor und Brot für die Welt sowie dem Think Tank Global Policy Forum besser gar nicht reagiert hat, war diesbezüglich – wenn auch nicht besser – aber klüger. Wobei die Nichtbeantwortung von kritischen Fragen ebenso zum Arsenal politischen Jammerverhaltens gehört hat wie jene von Daimler auch.

Beate Zschäpe, mutmaßlichste Terroristin – Als erwiesenes Mitglied der NSU (daher das semantisch überaus logische Etikett „mutmaßlich“) samt deren verübten Mordtaten sitzen Sie nun schon seit Monaten in Untersuchungshaft. Tut uns leid – aber irgendwie passt es zur Gesamthaltung aller ermittelnden Behörden, dass wir seither über Ihr Untersuchungs-Verhalten nicht ein Wort haben vernehmen können. Gewiss: Über laufende Verfahren gibt die Justiz üblicherweise keine Auskunft, das ließe sich freilich korrekt anführen. Dass dies aber in allen möglichen anderen, und zwar wenigstens ebenso, meist aber doch deutlich weit weniger gemeingefährlichen Fällen (man denke an die vielen und sofort auch medial vorgeführten „linken Gewalttäter“) so war, lässt sich hier ja doch wenigstens erinnern. Aber erinnern ist nicht so sehr die Sache deutscher Justiz.