Dürer ’21
Viel Zeit bleibt nicht mehr, denn diese Ausstellung endet – nach Verlängerung – am 1. Juli. Aber wer sich in den nächsten Tagen sowieso nach Nürnberg aufmachen will, um sich die grandiose Exposition „Der frühe Dürer“ im Germanischen Nationalmuseum anzusehen, der sollte unbedingt auch einen Abstecher ins Dürerhaus einplanen. Was dort in der dritten Etage, unter dem Dach, mit dem Titel „Dürer ’21“ geboten wird, ist auf eine ganz eigene Weise höchst beeindruckend.
Vorgestellt werden Preisträger- und andere herausragende Arbeiten eines Charkiwer Kinder-Malwettbewerbs aus dem Jahre 2010. Charkiw, die ukrainische Wissenschaftsmetropole, und Nürnberg sind seit 1990 in einer Städtepartnerschaft miteinander verbunden.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Wettbewerbs waren zwischen sechs und sechzehn Jahren alt. Ihnen war die Aufgabe gestellt, sich darstellend künstlerisch mit Werken Dürers auseinanderzusetzen, von denen eine Anzahl zur Auswahl vorgegeben war – Zeichnungen, Stiche, Holzschnitte, Gemälde, Aquarelle. Dürers erstes Selbstporträt im Alter von zwölf oder dreizehn Jahren war ebenso darunter wie der „Dürer-Haase“ oder die Apokalyptischen Reiter aus dem Zyklus der Offenbarung des Johannes.
Die Präsentation der ganz unterschiedlichen Arbeiten – gezeichnet, gemalt, farbig, schwarz-weiß – ist ästhetisch-künstlerisch wie intellektuell eine jener seltenen Überraschungen, mit denen man nicht rechnet und deren Erleben daher eine umso größere Freude bereitet.
Bilder zu beschreiben oder gar den Eindruck und die Gefühle, die sie auslösen, sind Worte oft nicht hinreichend, und leider haben die Ausstellungsmacher im Dürer-Haus an für Besucher erwerbbare Reproduktionen nicht gedacht oder das zu schmale Budget hat dafür nicht ausgereicht. So will ich mich hier auf die Nennung meiner „Favoriten“ dieser kleinen Ausstellung und des von Ihnen gewählten Dürer-Werkes beschränken:
– Anastasiya Savchenko, acht Jahre: „Die Madonna mit der Birnenschnitte“ (1512);
– Elisaveta Neymann, zehn Jahre: „Eva“ (1506);
– Anna Bragina, 13 Jahre: Selbstbildnis als Knabe (1483).
Alfons Markuske
P. S.: Wer das Dürer-Haus übrigens zum ersten Mal besucht, dem sei darüber hinaus der Audio-Guide empfohlen: Durch das Haus führt Dürers Frau Agnes Frey, die nicht nur sehr detailreich und erbaulich aus dem Nähkästchen eines Künstlerhaushaltes in der Renaissance plaudert, sondert auch noch mit dem einen oder anderen ungerechtfertigten Vorurteil aufräumt, das über sie bis heute existiert – in die Welt gesetzt aus kleinlichen Rachegefühlen unter anderem von Dürers engem Freund Willibald Pirckheimer. Der war ein streitbarer Humanist, aber auch ein Schwerenöter und – wie Dürer – ein Sammler skurriler Deckenleuchter, der es übel nahm, dass Frau Agnes nach des Malers Tod manches von dessen Sammlerstücken nicht ihm abließ, sondern an Fremde verkaufte. …
Albrecht-Dürer-Haus, Albrecht-Dürer-Straße 39, Nürnberg, mo – fr 10 – 17 Uhr, Do 10 – 20 Uhr, sa / so 10 – 18 Uhr.
Bad Giro
Man sollte nicht behaupten, dass die immergrüne Finanzkrise uns Normalverbrauchern nicht auch manch’ hilfreiche Tipps an die Hand geben würde. Ich habe zum Beispiel eine Lehre aus ihr gezogen, die nicht nur sehr praktisch ist, sondern von der ich mir ebenso viel verspreche, wie der Staat vom gleichen Rezept, nur, dass er es im Großversuch betreibt. Die Rede ist von Bad Banks, die geschaffen worden sind, um schwer angeschlagene Banken von ihren Defiziten zu befreien und solcherart unbeschwert zu neuerlicher Spekulationsgeschäften in großem Stil – und gegebenenfalls zu erneuten adäquaten Defiziten – zu ermutigen.
Was dem Staat eine Bad Bank, also (in jeder Hinsicht) teuer ist, sollte mir doch zumindest billig sein. Also habe ich meine Postbank alle defizitären Belastungen aus meinem Girokonto herausoperieren und selbige auf einem neu eröffneten Bad Giro versammeln lassen. Mein Giro ist jetzt wieder im Plus, es ist halt wirklich nicht alles schlecht. Und wenn es mit dem Bad Giro dauerhaft schief geht, wird ja wohl der Staat für mich als seinen Bürger ebenso einspringen wie für besagte Banken. Immerhin vermerkt unser Grundgesetz unmissverständlich, dass die Würde des Menschen unantastbar ist und nicht die der Banken. Denn schließlich haben ja auch die Menschen unsere Regierung gewählt und nicht die Banken – wobei, da werde ich jetzt doch unsicher …
Helge Jürgs
Beschiss, immer und überall
Ich nehme an, dass es nicht nur mir so geht: Beginnt man im diskursiven Streitgespräch, seine Position über unsere ja nun wirklich und allenthalben ungerechte Welt durchzudeklinieren, sind einem die eigentlich bekannten Fakten weder im Kopf, noch ganz und gar zur Hand. Und die aufwändige Mühe, sich eine Faktensammlung, vielleicht noch nach Themen gegliedert, anzulegen, machen sich doch wohl die Wenigsten.
Indes – es gibt Abhilfe – sogar eine, die sowohl ziemlich umfänglich, dennoch aber handlich und grafisch auch noch sehr lesefreundlich aufbereitet ist: den Bischiss-Atlas. So genannt, weil er alles (na ja, fast alles) an Faktischem zu sammeln und zu bündeln versucht, was uns belegt, wie es in Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt bestellt ist – und zwar eben nicht entsprechend der offiziellen Verlautbarungspraxis sondern vielmehr nach Faktenlage.
Aus letzterer hier zu zitieren, würde zu weit führen; es mögen die Themen genügen, zu denen die Autoren hart auf den Tisch legen, was gerne geleugnet oder zumindest verdrängt wird: Ernährungsbeschiss /Arbeitsbeschiss / Verteilungsbeschiss / Geschlechterbeschiss / Migrationsbeschiss / Demokratiebeschiss / Naturbeschiss / Verkehrsbeschiss / Rüstungsbeschiss / Glücksbeschiss – Fakten, Fakten, Fakten …
Geografische Atlanten werden das – zumindest das physische – Aussehen unserer Welt vermutlich noch in tausend und mehr Jahren weitgehend unverändert abbilden. Der Beschiss-Atlas dürfte den unerfreulichen Vorteil haben, munter fortgeschrieben werden zu können, denn Beschiss ist immer und überall …
HWK
Ute Scheub/Yvonne Kuschel, Beschiss-Atlas, Verlag Ludwig, München 2012, 207 Seiten, 19,99 Euro
Flaschenkinder
Steigt man auf einem einfachen Berliner S- oder U-Bahnhof aus oder um, trifft man unter – sagen wir mal – 50 Passanten sieben oder acht junge Männer, meist ab 30, die eine Bierflasche in der Hand halten und sich leger daraus immer mal wieder einen Schluck genehmigen. Auf Umsteigebahnhöfen sind es entsprechend mehr, was auch für das Straßenbild gilt, nur dass sich die „Flaschenkinder“ dort mehr verteilen.
Tagsüber handelt es sich dabei selten um Betrunkene, in den Abendstunden allerdings, in denen ich öffentliche Verkehrsmittel längst meide wie der Teufel das Weihwasser, umso mehr. Den Flaschenkindern bei Tage geht es in der Tat offenkundig wenig um´s Besäufnis, vielmehr trägt man die Bierfasche stolz wie eine Altarkerze vor sich; im Sprachgebraucht der Betreffenden nennt und versteht man solches wohl als cool.
Man kann das als Aufbegehrensgestus marginalisieren, wie sie Jugendlichen und angehenden „Erwachsenen“ allzeit und überall eigen sind, und das vielleicht nicht ganz falsch. Und man muss vielleicht nicht so rigide verfahren, wie zum Beispiel in den USA, wo, wer in der Öffentlichkeit trinkt (und nicht nur Alkohol) oder isst, es mit der Polizei zu tun bekommt. Aber vielleicht muss man eben doch, denn es ist ja nicht zu übersehen, wofür die „Flaschenkinder“ ja nur ein Beleg sind: für Verwahrlosung und Verfall auch der Alltagskultur. Oder haben wir den längst als unaufhaltbar akzeptiert?
Hella Jülich
Kim Jong Un ’s Work Gepriesen
Nach Erhalt der liebe respektierte Kim Jong Un Arbeit „lasset uns halten große Genosse Kim Jong Il in hohem Ansehen als Generalsekretär der Partei Unsere Forever und erfolgreich erfüllen die revolutionäre Sache des Juche“, der British Association für das Studium der Songun-Politik und dem britischen Konzern für das Studium der Juche-Ideologie in einer gemeinsamen Erklärung am 30. April.
Die Erklärung sagt, dass die Arbeit ein ermutigendes Dokument Einträufeln großes Vertrauen in sie, Anhänger der Juche-Ideologie, Songun Idee ist.
Es geht weiter: Die Arbeit ruft zur Aufnahme von Kim Jong Il in hohem Ansehen als ewige Generalsekretär der Partei der Arbeit Koreas.
Kim Jong Un in seiner Arbeit klargestellt, dass die WPK die Partei des Präsidenten Kim Il Sung und Kim Jong Il ist, die Formulierung der Kimilsungism-Kimjongilism als Leitidee der Partei.
Kimilsungism-Kimjongilism ist die große revolutionäre Idee mit der Juche-Ideologie, Songun Idee als Kern und wichtige Leitlinie für die Erfüllung der Ursache der koreanischen Revolution und globale Unabhängigkeit.
Kim Jong Un dargelegten eine revolutionäre Linie von der Modellierung der gesamten Gesellschaft auf Kimilsungism-Kimjongilism, sagt sie und forderte alle Anhänger der Juche-Ideologie, Songun Idee auf der ganzen Welt zu studieren tief die Arbeit.
(Maschinelle Übersetzung einer – wichtigen – Nachricht der nordkoreanischen Agentur KCNA.)
Schwan, Hecht und Krebs – nur eine Fabel …
von Ivan Krylow (1814)
Wenn unter Freunden Einigkeit nicht herrscht,
Läuft ihre Sache meist verkehrt,
Am Ende stehen dann die Dinge schlecht.
Einmal wollten Schwan und Krebs und Hecht
Mit einem Leiterwagen eine Fuhre machen
Und luden auf zusammen alle ihre Sachen;
Sie zieh’n mit aller Kraft – die Last rührt sich kein Stück!
Zwar würde sich der Wagen leicht bewegen lassen,
Doch zieht der Hecht hinab ins Wasser,
Der Schwan will zu den Wolken hin, es kriecht der Krebs zurück.
Wer Recht hat oder nicht, wer will’s von uns entscheiden?
Bis heute muss die Last daher an selber Stelle bleiben.
Schlagwörter: Albrecht Dürer, Alltagskultur, Bad Bank, Beschiss-Atlas, Finanzkris, Helge Jürgs, Hella Jülich, HWK, Ivan Krylow, Nordkorea, Nürnberg