von Heinz W. Konrad
Theodor Adorno, Lion Feuchtwanger, Fritzi Massary, Bert Brecht, Heinrich und Thomas Mann, Arnold Schönberg, Fritz Lang, Vicki Baum, Max Horkheimer, Alfred Döblin, Ludwig Marcuse … – welch eine Perlenkette von Namen, die für deutsche Kultur, einschließlich der des humanistischen Denkens, stehen. Dass sie alle das Nazireich nur überleben konnten, indem sie – wie viele weitere – ins Exil gingen, ist eines der noch immer beschämendsten Kapitel von Menschen- , Geist- und Kulturfeindlichkeit, die sich eben auch mit Deutschland verbinden.
Was den genannten und weiteren Künstlern und Denkern gemeinsam ist, die in diesem Buch vereint sind, ist der Ort ihres Exils: Pacific Palisades an der Atlantikküste Kaliforniens, unweit von Santa Monica und damit auch von Los Angeles. Für viele der Künstler und Philosophen nicht der erste Ort auf der Flucht vor der tödlichen Bedrohung durch die Nazis, fanden sie hier nicht nur den Schutz der Roosevelt-Administration sondern ebenso – wenn auch durchaus in verschiedenen Freundeskreisen und auch nicht gänzlich ohne persönliche Antipathien, Animositäten und/oder Rivalitäten – eine zumindest zwischenzeitliche Ersatzheimat. Und sie fanden und erhielten sich dank eben dieser Fülle ihrer Präsenz Kontakte untereinander, blieben im Austausch über die deutschen Dinge und jene der ganzen Welt, die von ihrem ursprünglichen und nun durch die Nazis pervertierten Herkunftsland in Krieg und Massenmord gestürzt worden war. Betrieben also gewissermaßen das, was man heute ein Netzwerk nennt und machten Pacific Palisades so gleichsam zur Hauptstadt der deutschen Exilliteratur.
Dieses liebevoll ausgestattete Buch stellt in 36 (zum Teil Doppel-)Porträts und zahlreichen Fotos die Schicksale jener Kolonie dar, von der Ludwig Marcuse sagte, er habe dort „mitten in der Weimarer Republik gesessen.“ Ein Weimar unter Palmen, gewissermaßen. Allerdings – ein Paradies war dieses atlantische Refugium für die Protagonisten nicht wirklich. Die Mehrheit hatte große und nur bedingt erfolgreiche Mühe, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, die gegenteiligen Fälle wie Thomas Mann, Lion Feuchtwanger oder Franz Werfel waren eher die Ausnahme. Erich Maria Remarque etwa formulierte die aus dem Erleben des künstlerischen Nichtgebrauchtwerdens erwachsende Depression etwa so: „ich lese, bewege mich, arbeite nicht mehr, schlafe, – alles etwas abwesend, ohne Rebellion, ohne Aufregung, einfach die Tatsachen hinnehmend, – daß wir in Deutschland nicht leben, weil wir demokratisch denken; – u. in einer Demokratie halb eingesperrt werden, weil wir aus Deutschland stammen.“ Schließlich begegneten die US-Behörden den Exil-Deutschen außer mit der Bereitschaft, ihnen Asyl zu gewähren, zugleich mit Misstrauen und Überwachung. Ein Umstand, der unmittelbar nach dem Krieg zum Feldzug McCartys gegen Kommunisten oder auch nur willkürlich kommunistischer Gedanken bezichtigte „enemy aliens“ führte und nicht nur Thomas Mann veranlasste, den USA den Rücken zu kehren und in Europa seine finale Heimstatt zu suchen.
„Bücher für Entdecker“ ist eines der Motti des Verlagsprogramms Elisabeth Sandmanns. Wenn auch gewiss nicht nur, aber diese großartige Edition erfüllt den Inhalt dieses Anspruchs rundum. Wem die hier Versammelten etwas bedeuten, für den ist Blubachers Buch ein Muss.
Thomas Blubacher: Paradies in schwerer Zeit. Künstler und Denker im Exil in Pacific Palisades, Elisabeth Sandmann Verlag, München 2011, 176 Seiten, 29,95 Euro
Schlagwörter: Elisabeth Sandmann, Heinz W. Konrad, Pacific Palisades, Thomas Blubacher