von Wolfgang Brauer
Die diesjährige Berlinale ist Geschichte. Zwei der unsrigen waren vor Ort.
Daher nachfolgend noch einmal – alles auf Anfang.
Die Redaktion
Da liegt es wieder, das breite rote Ungetüm vor dem Musical-Haus am Potsdamer Platz und alle müssen drüber weg. Alle, die das Privileg genießen, Gast der Berlinale-Eröffnung sein zu dürfen. Oder auch zu müssen glauben. Wegen der vielen Blitzlichter, weil: Jede und jeder darf sich auf diesem Stück gewebten Stoffes drehen und schrauben und spreizen. Vorausgesetzt natürlich, man gehört zu den 1.600 Erwählten. Und stolpern sollte man tunlichst nicht. Und das Flanellhemdchen (heuer waren es minus acht Grad) sollte unter der „transparenten“ Designerplünne auch nicht verrutschen. Sieht sonst peinlich aus. Ansonsten ist Härte geboten – wie sie Huo Siyan aus China bewies, die sich in ihrem Tüllfummel fast zehn Minuten im überhaupt nicht wärmenden Blitzlicht sonnte. Hoffen wir, dass ihr der Schnupfen erspart bleibt. Eine ihrer Kolleginnen handelte sich vor einigen Jahren eine handfeste Lungenentzündung ein. Sie hatte offenbar nicht damit gerechnet, dass in Berlin Temperaturen ähnlich wie in der Mandschurei herrschen können.
Die Winterkälte gehört aber zum festen Bestandteil des Eröffnungszeremoniells der „Internatonalen Filmfestspiele Berlin“. Ebenso wie der scheinbar unvermeidliche Auftritt von Anke Engelke an der Seite des Festival-Chefs Dieter Koslick. Engelke spricht inzwischen ein leidliches Englisch, erprobt sich dazwischen immer mal wieder in aller Völker Zungen mit diversen Scherzen – wenigstens findet sie die selber lustig. In diesem Jahr wurde Jake Gyllenhaal ihr Opfer. Sie meinte erzählen zu müssen, wie korrekt sie dessen Namen ausspräche. Gyllenhaal kommentierte trocken, dass er sein Lebtag lang daran gearbeitet habe, den Leuten beizubringen wie er heiße und sie zerstöre das in einem einzigen Moment. Das ging dann auch vorbei. Wie der ganze banale Akt der offiziellen Eröffnung mit seinen peinlichen Politikerreden. „Ich habe hart dafür gearbeitet, dass ich heute wieder hier stehen kann“, verkündete ein gewisser Klaus Wowereit. Wollte er nicht eigentlich das Land Berlin weiterregieren? Denkste, eine Berlinale-Karte wollte er! So kann man sich irren. Hätte er auch leichter haben können. 300.000 Stück sollen in diesem Jahr unter die Leute gebracht werden. Das unterscheidet die Berlinale von anderen recht elitären Veranstaltungen, und das macht sie wiederum sympathisch. Der Wettbewerb scheint gut bestückt zu sein. Die Jury ist kompetent besetzt. Das wird spannend. Da verzeiht man auch den Eröffnungsfilm: „Les adieux a la Reine“ (Lebewohl, meine Königin!) von Benoît Jacquot. Ein banaler Schmachtfetzen darüber, wie Marie Antoinette (Diane Kruger – blass, wie der ganze Film) in Versailles die ersten Tage der Französischen Revolution erlebt haben soll. Aus der „Sicht von unten“ – der Lakaienschaft des Hofes. Die in der Realität übrigens erbitterterer Gegner der Revolution war als vielfach der Adel selbst.
Ach so, der Teppich. Ein paar hübsche Kleider waren zu sehen. Am interessantesten wohl das von Nina Hoss. Die hat gelernt. 2007 lachte der ganze Saal auf, als sie in Christian Petzolds Wettbewerbsfilm „Yella“ zu Beginn des zweiten Drittels des Filmes den bemerkenswerten Satz sprach: „Ich muss mir mal was Neues zum Anziehen kaufen.“ In dem Moment glaubten alle, der Film sei „gestorben“ – aber Hoss erhielt den „Silbernen Bären“. Genau solche Überraschungen machen den Reiz dieses Festivals aus. Deshalb mag ich die Berlinale. Kino gucken kann man ansonsten das ganze Jahr über. Auch ohne roten Teppich. Aber gut sieht es schon aus, das teure Stück.
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