von Wolfgang Dahle
Die Erinnerung an den Bau der Mauer in Berlin vor fünfzig Jahren, an die Folgen der deutsch-deutschen Grenzziehung und das abgeschottete Leben im Osten erlaubt auch eine Rückschau auf das Wirken der Geistesschaffenden, die das Leben in einer Gesellschaft auf dem Wege zum Sozialismus mit ihren Schriften kritisch unter die Lupe nahmen. Joachim Walther als früherer Verlagsmitarbeiter in der DDR war einer der Autoren, die das Ende hier erlebten, und der vor 15 Jahren uner dem Titel „Sicherungsbereich Literatur“ eine Analyse des Literaturbetriebs unter Kontrolle der staatlichen Organe vorlegen konnte Am 12. und 13. August hatte die „Gesellschaft der Freunde und Förderer der Leipziger Buchwissenschaft e.V.“ in zwei dortige Tagungsorte zu einer Veranstaltung unter dem Titel „Das Loch in der Mauer“ eingeladen, um mit Studenten und interessierten Fachkollegen am Beispiel dieses Ereignisses über den Literaturaustausch in beiden deutschen Staaten zu sprechen, der auch einen Einschnitt in die deutsche Literaturgeschichte markierte. Denn auch die Verlage in Deutschland Ost und West hatten schon seit den fünfziger Jahren ihre Leidensgeschichte. Nach der politischen Teilung, als Leipzig seine Vorrangstellung als Buchstadt verlor, gab es die traditionellen Verlage auf beiden Seiten: Brockhaus, Reclam, Bibliographisches Institut, Insel-Verlag und weitere, die damals um ihre Hausautoren ringen mussten und deren Unternehmen erst nach der Einheit wieder zusammenfanden.
Einer der Berliner Autoren, der sich mit der Staatsmacht anlegte und, wie auch seinerzeit Erich Loest, inhaftiert wurde, war Manfred Bartz, Jahrgang 1934. Als ausgebildeter Bibliothekar in Berlin und Leipzig ging er ab 1960 in seinen Beruf, wechselte aber bald als Autor in das satirische Fach, ein Genre, in dem er sich schon vorher versuchte. In der Kurzbiographie zu seinen Erinnerungen heißt es: „Ab 13.August 1961 freier Schriftsteller!“ So publizierte er seine kritischen Beiträge für das Kabarett „Die Distel“, die Berliner Zeitung, den Eulenspiegel, das ND und Bezirksblätter – bis ihn schließlich die Staatsmacht im November 1979 verhaftete; denn er war mit seinen Texten, in denen er den Alltag in der DDR unter die Lupe nahm, zu weit gegangen.
Nach fünfzehnmonatiger Untersuchungshaft wurde er wegen „staatsfeindlicher Hetze“ zu sechs Jahren Haft verurteilt. Nachdem Bartz im August 1981 in The Times der „Gefangene des Monats“ war, betreute ihn Amnesty international im September 1981 als solchen. Auf Appellschreiben hin aus dem In- und Ausland an Erich Honecker wurde er im Juli 1982 vorzeitig entlassen. Seine Haftzeit bis 1982 schilderte er, nach dem Freikauf in Hamburg lebend, 1998 in einem persönlichen Bericht auf 295 Buchseiten unter dem Titel „Diogenes im Knast. Grüner Utopist unter braunen Mördern im roten Zuchthaus“ – ein reißerischer Untertitel!
Verschiedene Versuche, sich im „Westen“ kabarettistisch weiter zu betätigen, hatten wenig Erfolg, denn er war dort kaum bekannt. Im Nachwort zu seinem „Diogenes“ schildert er verbittert seine Situation als einst erfolgreicher Autor, der nun verschiedentlich von Verlagen abgewiesen wurde. Aus der Zeit seiner Verhaftung berichtet er dort wie folgt: „Die Stasi hätte es nie gewagt, mich zu verhaften, hätte es einen Sammelband mit meinen Satiren gegeben. Das haben mir die Offiziere nach meiner Verhaftung selber gesagt. Aber der einzige für Satire zuständige Verlag, der Eulenspiegel-Verlag, weigerte sich mehrmals einen Sammelband von mir zu drucken.“ Doch seine Familiengeschichte wies im Berlin der dreißiger und vierziger Jahre wies einige interessante Aspekte auf. So wechselte er mit seinem Vater im Jahre 1948 (die Mutter starb im KZ der Nazis) in einer nächtlichen Aktion mit dem Hausrat die Wohnung von West nach Ost, im Beisein von Erich Honecker auf einem LKW. Sein Vater Erwin hatte bis 1945 mit Honecker zusammen im Zuchthaus Brandenburg gesessen! Die Mitgliedschaft von Manfred Bartz in der SED währte nur von 1953 bis 1960, was ihm sein Vater wohl verübelte, der auch später nicht seinen Einfluss geltend machte, um ihn 1979 vor der Verhaftung zu bewahren. Ende der neunziger Jahre meldete sich Manfred mehrmals in der Presse, um über seine früheren Erfahrungen in der DDR zu berichten. Ein Beitrag über den mysteriösen Selbstmord des damaligen Vorsitzenden der Staatlichen Plankommission und Politbüro-Mitglieds Erich Apel am 3. Dezember 1965 in Berlin stammt ebenfalls aus seiner Feder. In sehr bescheidenen Verhältnissen, getrennt von seiner Familie und von einer Krankheit gezeichnet, verstarb er Ende Dezember 2009 in Hamburg. Seine vielen Beiträge in der Presse, seine Kurzprosa mit satirischem Hintergrund sind heute fast vergessen.
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