von Helge Jürgs
Als Thomas Mann und seine Frau Katia am 21. Februar 1938 per Schiff in New York eintrafen, um fürderhin dort zu arbeiten, zu leben und – nicht zuletzt – gegen das für die deutsche Kultur so abgrundtiefe Desaster des deutschen Faschismus den intellektuellen Kampf zu führen, wurde er von Reporter gefragt, ob er das Exil als schwere Last empfinde. „Es ist schwer zu ertragen“, bestätigte Mann zunächst. Um fortzufahren:„Aber was es leichter macht, ist die Vergegenwärtigung der vergifteten Atmosphäre, die in Deutschland herrscht. Das macht es leichter, weil man in Wirklichkeit nichts verliert. Wo ich bin, ist Deutschland. Ich trage meine deutsche Kultur in mir. Ich lebe im Kontakt mit der Welt und ich betrachte mich selbst nicht als gefallenen Menschen.“
Diesem Selbstverständnis ist der große Literat treu geblieben. Schon im Schweizer Exils ab 1933, dem sich dann jene vierzehn Jahre anschlossen, in denen er Sicherheit ebenso wie Verbündete in den Vereinigten Staaten der Ära Roosevelts suchte und solange fand, bis der folgende Kalte Krieg ihn, der seit 1944 amerikanischer Staatsbürger war, zu einer Abwendung vom lange so verehrten überseeischen Heimstatt und 1952 zur neuerlichen Ansiedlung am Zürichsee veranlasste. Bis zum Tode des verehrten Roosevelt nämlich hatte für Thomas Mann gegolten: „Mein Deutschtum ist in dem kosmopolitischen Universum, das Amerika heißt, am richtigsten untergebracht.“
Hans Rudolf Vaget, Mitherausgeber der großen kommentierten Frankfurter Ausgabe Thomas Manns, hat über den amerikanischen Lebensabschnitt des Literatur-Nobelpreisträgers nun ein für Verehrer Tomas Manns großartiges Buch vorgelegt. Prall gefüllt mit dem penibel dokumentierten Leben und Wirken Manns zunächst in Princeton, dann an der kalifornischen Küste von Pacific Palisades, natürlich inklusive der umfänglichen Lese- und Vortragsreisen quer durch das Riesenland und all jener publizistischen Leistungen, die Thomas Mann in den Dienst des antifaschistischen Kampfes stellte, wird hier das Bild eines Mannes gezeichnet, das der immer wieder gern gepflegten Mär vom ewig „Unpolitischen“ ein verdientes Grab bereitet.
Vaget hat Manns Amerika in Schwerpunkte gegliedert, von der dem dortigen Exil vorausgehenden Annäherung an Amerika, über Manns Verhältnis zu Franklin D. Roosevelt und dessen Politik, über die Beziehung zu seiner großen Bewunderin und lebenswichtigen Gönnerin Agnes Meyer, über Manns Kontakte zu amerikanischen Universitäten oder auch zur Hollywood-Szenerie bis hin zur antikommunistischen Hexenjagd unter Roosevelts Nachfolger Truman und zur politischen Kultur Nachkriegsdeutschlands.
Auch und vielleicht gerade für denjenigen, der Thomas Manns so aufschlussreichen Tagebücher kennt und schätzt, ist dieses Buch nahezu ein Muss, da es das Bild der knappen täglichen Notate zu einer Gesamtschau erweitert, die den Respekt vor dem großen Schriftsteller und eben auch kämpferischen Humanisten nur noch weiter bestärkt.
Hans Rudolf Vaget: Thomas Mann, der Amerikaner. Leben und Werk im amerikanischen Exil 1938 – 1952, S. Fischer Verlag, Frankfurt a. Main 2011, 584 Seiten, 24,95 Euro
Schlagwörter: Agnes Meyer, Franklin D. Roosevelt, Hans Rudolf Vaget, Thomas Mann, USA