von Jonna Schürkes
„Wenn sie mit einem Land im Bereich Terrorismusbekämpfung zusammenarbeiten wollen, dann müssen sie auch investieren. Für mich ist das das Eine-Hand-wäscht–die-andere-Prinzip“, erklärte der CDU-Bundestagsabgeordnete Armin Schuster auf die Frage, ob es denn angebracht sei, die saudischen Repressionsorgane zu unterstützen. Er bezog sich damit auf einen Deal zwischen dem europäischen Rüstungsunternehmen EADS, der deutschen Bundespolizei (BPol) und dem saudischen Regime, der vor wenigen Wochen von der Nachrichtensendung FAKT publik gemacht wurde.
Die deutsche Regierung hat insgesamt ein starkes Interesse daran, mit dem saudischen Regime zu kooperieren, Menschenrechtsverletzungen hin oder her. Als Beleg für die Bedeutung dieser Zusammenarbeit wird häufig die Verschickung einer Bombe aus dem Jemen genannt, die aufgrund von Hinweisen vernichtet werden konnte, die der saudi-arabische Geheimdienst an den in Riad stationierten Verbindungsbeamten des deutschen Bundeskriminalamtes (BKA) weitergegeben hatte. Wie der saudische Geheimdienst allerdings an die genauen Informationen über das Paket (bis hin zur Sendungsnummer) gekommen ist, ist unbekannt. Das BKA entsendet im Rahmen der Zusammenarbeit im „Kampf gegen den Terrorismus“ nicht nur einen Verbindungsbeamten, dessen Aufgabe es unter anderem ist, Informationen auszuwerten und weiterzuleiten, sondern es organisierte 2008 und 2009 auch Fortbildungen in Riad zum Thema „Internetkriminalität im Terrorismusbereich“.
Nicht nur die Zusammenarbeit bei der „Bekämpfung des internationalen Terrorismus“ ist für Deutschland interessant. Saudi-Arabien gilt – so war es zumindest in einer Aktuellen Stunde des Bundestags am 6. Juli zum offenbar geplanten Verkauf von 200 Panzern des Typs „Leopard 2“ (Leo2) zu hören – als stabiles Regime in der Region, auf das sich Deutschland angesichts der drohenden Veränderungen im Nahen Osten stützen könne. So erklärte Hans-Peter Uhl, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion: „Das heißt, in der jetzigen Situation müssen wir uns überlegen, wer ein potenzieller starker Verbündeter ist, ein Stabilitätsfaktor, der helfen kann, diese Region einigermaßen im Lot zu halten.“ Die Zeit der „Begeisterung“ für demokratische Bewegungen in der Region ist nun offenbar endgültig vorbei. Tatsächlich ist Saudi-Arabien einem Artikel der Zeitschrift Foreign Affairs zufolge „die führende Kraft in der Konterrevolution gegen den arabischen Frühling“, was das Land vor allem mit der Entsendung von Soldaten zur Niederschlagung der Proteste in Bahrain im Februar diesen Jahres unter Beweis gestellt hätte (B. Haykel: Saudi Arabia’s Yemen Dilemma, Foreign Affairs, 14.06.2011).
Die bestellten Leo2 hätten das saudische Militär bei der Niederschlagung der bahrainischen Demonstranten wohl unterstützen können, denn sie sind – so ist es der Homepage des Herstellers Krauss-Maffai Wegmann zu entnehmen – die richtige Antwort auf „Asymmetrische Bedrohungen, zum Beispiel Terroristen, IED´s (IED: improvised explosive device, unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung – Anm. d. Red.) oder Einzelpersonen“. Mittels „Upgrade-Kit“, zu dem wahlweise auch Räumschild oder „Nicht-letale“ Bewaffnung gehören, ist der Panzer gegebenenfalls gut zum Wegräumen von Demonstranten geeignet.
Natürlich sind es auch wirtschaftliche Interessen Deutschlands, die die intensive Kooperation mit dem saudischen Regime begründen. Dabei handelt es sich zum einen um das langfristige Interesse an den Rohstoffen der Region. Vor einem Jahr erschien eine Studie zum Thema „Peak Oil“ (Zeitpunkt, zu dem das globale Ölfördermaximum erreicht ist – Anm. d. Red.) vom „Zentrum der Transformation der Bundeswehr“, in der die Unterstützung autoritärer Regime gerade im Nahen Osten und Nordafrika zur Gewährleistung der Energiesicherheit Deutschlands offen eingestanden wird: „Das Spannungsverhältnis zwischen Interessen- und Wertepolitik, die in unterschiedlichen Zeithorizonten wirksam werden, tritt besonders deutlich im Zielkonflikt zwischen kurzfristig notwendigen Kooperationen mit autoritären Regimen im Energie- und Sicherheitssektor einerseits und dem langfristigen Interesse an einem Wandel dieser Regime zutage. Dies könnte abhängig von der Energieversorgungslage zu Kompromissen bei Demokratisierungsbemühungen und politischer Konditionalität gegenüber den Staaten der Region bis hin zur Unterstützung autoritärer Regime führen.“
Zum anderen sind es die Interessen der Rüstungsindustrie, die hier bedient werden. In der bereits erwähnten Aktuellen Stunden begründete unter anderem Joachim Pfeifer, CDU, die Notwenigkeit solcher Exporte folgendermaßen: „Fakt ist außerdem, dass es auch im deutschen sicherheits- und außenpolitischen Interesse ist, langfristig unsere technologischen Fähigkeiten im Wehrtechnikbereich zu erhalten. Die Umgestaltung in Deutschland, etwa die Verkleinerung der Bundeswehr, ist sehr positiv. Ich will nicht, dass wir von anderen Technologien in dieser Welt abhängig werden, dass Deutschland importieren muss. […] [Es ist] ganz klar im deutschen Interesse, dass wir auch unseren Beschäftigten in der Wehrindustrie dauerhaft eine Perspektive bieten und diese Technologien nicht aus der Hand geben. […]“.
Auch die Autoren des, der Rüstungsindustrie nahe stehenden Newsletter Verteidigung freuen sich über den Riesendeal, zumal mit weiteren Aufträgen auch aus der Region gerechnet werden könne: „Politisch gesehen ist dies ein Durchbruch bei den Exportbemühungen für die deutsche Industrie, die Landwaffensysteme entwickelt und herstellt. Erstmals kommen damit nicht französische, britische oder amerikanische Konzerne zum Zuge, sondern deutsche Unternehmen, die damit auch ihre Arbeitsplätze in den kommenden Jahren erhalten können, um Wehrtechnik fertigen zu können.“
Die Priorisierung der Interessen der Rüstungsbranche gegenüber den Bedürfnissen der Menschen in Saudi-Arabien und der Region war schon bei dem bereits erwähnten Deal zwischen EADS, BPol und dem saudischen Regime deutlich geworden. 2009 erhielt EADS vom saudi-arabischen Regime den Auftrag, eine Grenzsicherungsanlage rund um das Königreich aufzubauen. Allerdings wäre der Deal nicht zustande gekommen, wenn die Bundesregierung nicht gleichzeitig die Entsendung von Bundespolizisten zur Ausbildung der saudi-arabischen Grenzpolizei offensiv angeboten hätte. Laut FAKT werden die saudischen Polizisten allerdings weniger in für Grenzpolizisten typischen Bereichen wie „Pass- und Gepäckkontrollen“ ausgebildet, sondern vielmehr im „Umgang mit sogenannten Großlagen, wie Demonstrationen und Aufständen,“ sowie „im Besetzen und Durchsuchen von Häusern“. Faszinierend an diesem Deal ist auch, wie sehr sich die Bundesregierung und EADS verrenken, um die Unterstützung durch BPol überhaupt erst möglich zu machen. EADS kann die BPol nicht direkt bezahlen, da Polizisten vonseiten Dritter keine Entlohnung annehmen dürfen. Daher zahlt EADS die Honorare der BPol ausgerechnet an die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die Durchführungsorganisation der deutschen Entwicklungshilfe, die diese dann wiederum an die Polizisten auszahlt.
Die Kooperation mit den Repressionsorganen Saudi-Arabiens beschränkt sich allerdings nicht auf diese beiden Fälle. Saudi-Arabien ist seit Jahren ein wichtiger Importeur deutscher Rüstungsgüter. Der Wert der Güter, für die eine Ausfuhrgenehmigung erteilt wurde, hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen (Angaben in Millionen Euro: 1999 – 26,1; 2004 – 58,8; 2009 – 167,9; 2010, vorläufig – 152,5). Exportiert wurde neben Kleinwaffen vor allem auch Kommunikations- und Überwachungstechnologie. Zudem wurde dem saudischen Regime die Genehmigung für die Lizenzproduktion des Sturmgewehres G36 von Heckler & Koch erteilt, die Produktionsanlage ist derzeit im Bau.
Viele der Rüstungsexporte fallen in die Zeit der rot-grünen Regierung, weswegen die derzeitige Aufregung beider Parteien im Bundestag kaum nachzuvollziehen ist. Die deutschen Regierungen aller Couleurs zeigen immer wieder, dass Menschenrechte und Demokratien – geht es um die ökonomischen und sicherheitspolitischen Interessen – nichts wert sind.
Schlagwörter: EADS, Jonna Schürkes, Krauss-Maffai Wegmann, Leopard 2, Rüstungsexport, Rüstungsindustrie, Saudi Arabien