von Sarcasticus
Da wollte die Ministerialbürokratie im Bundesverteidigungsministerium (BMVg) offenbar den ganz großen Wurf landen und der Bundesmarine nicht nur Top-Großgerät verschaffen, sondern dem Steuerzahler auch noch richtig Geld sparen. Vor solchem Hintergrund jedenfalls könnte die Idee entstanden sein, bei der Industrie, in diesem Fall bei einem Konsortium aus Nordseewerke Emden, ThyssenKrupp und Lürrsen, die Konstruktion und den Bau von fünf neuen Korvetten (Typ K 130) in Auftrag zu geben – zum Pauschalpreis von 1,2 Milliarden Euro. Und damit’s richtig spart, verzichtete das BMVg auch noch auf personalkostenintensive kontrollierende Begleitung des Projektes. Man wollte sich quasi nur über die fix und fertigen Schnäppchen freuen. 2007 sollte das erste Schiff in Dienst gestellt werden.
Wer das Ganze bis hierher im Prinzip charmant findet, der sei daran erinnert, dass auch schon mal Leute versucht haben, Licht mit Säcken ins Dunkel zu tragen. Was das mit Bundesmarine-Korvetten zu tun hat? Nur eines: Es waren beides Schnapsideen.
Bei der Auftragsvergabe für die Korvetten wurde nämlich, wie es in einem BMVg-Papier von 2002 hieß, auf „die Vorgabe von Konstruktionsprinzipien und Bauvorschriften … soweit wie möglich verzichtet“. Damit konnten die Auftragnehmer letztlich selbst entscheiden, wie sie die Korvetten bauten, und das wurde offenbar als Einladung verstanden, maximal Kosten zu sparen und das Geschäft mit der heißen Nadel abzuwickeln. Und so geriet, was der Stolz der Bundesmarine werden und unter anderem der Piratenjagd vor der ostafrikanischen Küste dienen sollte – schnittige, wendige, kampfstarke Schiffe mit den Namen Oldenburg, Braunschweig, Magdeburg, Ludwigshafen und Erfurt – zur milliardenschweren Posse. Bereits etwas hinter Plan, 2008, wurde die erste Korvette übergeben – als angeblich modernstes der NATO. Eine „hervorragende Repräsentanz Deutschlands auf den Weltmeeren“ sollte es mit seinen vier Schwesterschiffen bilden, so tönte damals ein Vertreter des BMVg. Doch die Neuerwerbungen erwiesen sich als Pannenpötte und waren bis heute noch nicht einen einzigen Tag tatsächlich im Einsatz. Statt dessen – Störfälle quasi am laufenden Band. Schon bei einer der ersten Probefahrten fiel eine Schraube in ein Getriebe. Dessen Zahnräder brachen aus. Fazit: kompletter Getriebewechsel, bei allen fünf Schiffen, wozu die darüber liegenden Decks und Schiffsaufbauten komplett demontiert werden mussten. So dümpelte etwa die Oldenburg weit über ein Jahr antriebslos im Hamburger Hafen und wurde in dieser Zeit zur festen Anlaufstelle für die dortigen touristischen Hafenrundfahrten. Die nächste Panne gleich anschließend: Anfang 2011, bei einer Testfahrt in die Gewässer vor Norwegen, streikte die Klimaanlage. Im Schiff bildeten sich Schwitzwasser und Schimmel. Folge: Alle fünf Korvetten wieder zur Reparatur. Und Ende Mai dann erneuter Ausfall auf der Oldenburg. Einmal mehr im Getriebebereich; dieses Mal funktionierte die Kupplung nicht.
Mit der Einsatzbereitschaft der Schiffe wird nun frühestens für 2014 gerechnet. Natürlich nur, wenn nicht weitere gravierende Probleme auftreten. Angesichts dieser Sachlage klang es wie Hohn, als ein Vertreter des Herstellerkonsortiums dem Chef der Bundesmarine, Axel Schimpf, jüngst auf einer Fachmesse in Hamburg versicherte, man sei, was die Behebung der Probleme anbetreffe, „wie heißt das neuhochdeutsch – fully commited“. Doch eigentlich wurde damit nur der Tonfall getroffen, der im BMVg selbst vorzuherrschen scheint; O-Ton Staatssekretär Stéphane Beemelmann auf die Frage, welche Konsequenzen aus dem Korvetten-Debakel gezogen würden: „Ich glaube, die Konsequenz kann nur sein, dass wir immer genauer hinschauen. Aber das machen wir jetzt schon. Und manchmal gibt es einfach Pech, und dann kommt noch Unglück dazu … Vielleicht können wir uns noch bessern.“
Dem Ganzen kann bei dialektischer Betrachtungsweise allerdings auch etwas Positives abgewonnen werden: An sich ist die Beschaffung von nicht funktionstüchtigen Großwaffensystemen eine Art von Abrüstung, also ein Beitrag zur Verhinderung künftiger Kriege. So gesehen könnte man sich mit diesem Ansatz doch glatt anfreunden – wenn er nur nicht so irrsinnig teuer wäre.
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