14. Jahrgang | Nummer 4 | 21. Februar 2011

Kurze Hosen

von Horst Jacob

Als wenn dies nicht alle Jungs kennen würden: Spätestens in der Schule und/oder im heimischen Quartier fügen sich Zufalls- zu Zweckgemeinschaften. Das Sagen hat der jeweils Stärkste, um den man sich zu sammeln pflegt. Das ist manchmal auch der Klügste, aber nur manchmal. Je nach eigener Muskel- beziehungsweise Geisteskraft geben die anderen das Gefolge; mal freiwillig gern, mal widerwillig notgedrungen, mit allen Zwischenstufen binnen dieser Pole.
Gibt es etwa gleichwertige oder auch nur ähnlich eigensinnige Platzhirsche, ist in der Regel eine Zellteilung angesagt. Nun entstehen Gruppen, und sie werden, was die Durchsetzung eigenen Willens betrifft, in kürzester Frist fast immer zu Konkurrenten. Wer dereinst mal zusammen spielte, hasst sich nun von Herzen, denn im Gegensatz zur erwiesenen eigenen Lauterkeit ist der andere dumm oder böse, meist ist er beides, und zwar sehr. Entrüstet demaskiert man „Die Anderen“ dreimal täglich als gemein, verschlagen, brutal und feige; sie sind halt die Bösen. Das schreit nach Rache, und wenn erst der Platzhirsch danach schreit, gibt es Keile für „Die Anderen“, am besten gegen jeden einzelnen und aus einer furchterregenden Übermacht heraus. Wer versucht, sich raus zu halten, hat oft sogar die schlechtesten Karten. Bestenfalls ist er isoliert, anderenfalls aber ein beliebtes Opfer beider Konkurrenten. Zwischen denen geht es dann aber solange zur Sache, bis es möglicherweise zwar noch verschiedene Gruppen gibt, aber nur eine die fraglose Hoheit hat; die ihres „Chefs“. Ist die erreicht, bleibt „Den Anderen“ entweder eine lange Trauerzeit als Verlierer oder aber die Unterwerfung, bis – eventuell – zum nächsten Mal oder zum nächsten Kandidaten für die Spitze des Rudels.
Kinder pflegen in solchen Dingen ziemlich taktlos zu verfahren, um es sehr freundlich auszudrücken. Wo es zwangsläufig an Reife und/oder Verstand gebricht, wird an Argumente keine überflüssige Zeit verschwendet. Die Muskelkraft samt der von ihr benutzten Hilfsmittel richtet alles fast von allein und auf das verbindlichste. Wer sich auf der „richtigen“ Seite bewegt, der kommt um den Preis der eigenen Würde möglicherweise unterm Regen durch, vielleicht kann er am Machtgefühl sogar ein wenig partizipieren. So entstehen Cliquen bei (vornehmlich) Jungs, und so funktionieren sie. Das weiß – wie gesagt – ein jeder, so er seine Kindheit denn nicht bei einem Privatlehrer im Schutz des elterlichen Kabinetts hat verbringen können/dürfen/müssen. Irgendwann hält (fast) ein jeder dieses Lebenskapitel für abgeschlossen, der eine früher, der andere etwas später. Aber vielleicht ist gerade das einer der grundlegenden Irrtümer unserer Spezies. Denn, um nur mal wieder auf all jene linken Alleinvertreter des wahren Glaubens und ihre Grabenkämpfe zu verweisen, von eifernden Parlamentariern und Kriegszündlern aller Couleur ganz zu schweigen – man sehe sich die Protagonisten an und stelle sie sich einfach mal in kurzen Hosen vor …